SOLINGEN (red) – Nur jeweils eine Hälfte der Schülerinnen und Schüler sollte in den Schulgebäuden unterrichtet werden, die andere Hälfte zu Hause in digitalen Unterrichtsformen arbeiten. Das sah der „Solinger Weg“ vor, mit dem die Stadt in Solingen ein besonderes Schul-Modell umsetzen wollte. Das Land machte diesen Plänen gestern einen Strich durch die Rechnung (wir berichteten).
Corona-Infektionen an 21 Schulen
Die Stadt, die dieses Modell in der vergangenen Woche mit den Schulleitungen entwickelt und abgestimmt hatte, versprach sich davon eine erhebliche Reduzierung des Infektionsrisikos. Hätte sich nur noch die Hälfte der rund 12.000 betroffenen Schülerinnen und Schüler morgens auf den Weg zur Schule machen müssen, hätte dies Schulwege und Kontakte erheblich reduziert, es wäre mehr Platz in den Schulbussen und in den Klassenräumen entstanden. Damit wären nicht nur Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer besser geschützt worden, auch die Familien. Davon war und ist man im Rathaus überzeugt.
Dass das Infektionsgeschehen in den Solinger Schulen steigt, würden Zahlen des Gesundheitsamtes der letzten Tage belegen: Am Montag gab es in 17 Klassen an 15 Schulen Infektionsfälle und 491 Quarantänefälle. Gestern sind weitere elf Klassen und fünf Schulen dazu gekommen. Am Mittwoch meldete das Gesundheitsamt Infektionen an 21 Schulen, in 32 Klassen, zwei positiv getestete Lehrer und 22 infizierte Schüler. Das würde bedeuten: rund 1.000 Quarantänefälle, da der gesamte Klassenverband als Kontaktpersonen in Quarantäne gesetzt werden müsse. Bei einer Halbierung der Klassen wäre die Zahl derer, die in Quarantäne geschickt werden müssen, entsprechend kleiner, so die Rechnung der Stadt.
Stadt hat formell und schriftlich „remonstriert“
Für Oberbürgermeister Tim Kurzbach und den Solinger Rechtsdezernenten Jan Welzel ist die Geschichte des „Solinger Schulmodells“ mit der Weisung aus Düsseldorf deshalb noch nicht zu Ende. Die Stadt hat formell und schriftlich „remonstriert“. Jan Welzel „Wir haben dem Land unsere abweichende Rechtsauffassung dargelegt. Und sollten die Infektionszahlen steigen, werden wir dem Schulministerium das Modell erneut zur Genehmigung vorlegen.“
Tim Kurzbach drückte am Mittwoch noch einmal sein Unverständnis darüber aus, dass das Schulministerium des Landes der Stadt eine Vorgehensweise verbietet, die das Robert-Koch-Institut als nationale Seuchenschutzbehörde Gemeinden empfiehlt, in denen die Sieben-Tages-Inzidenz über 50 Fällen liegt.
Sieben-Tage-Inzidenz: Solingen seit Wochen über 200
„Das hat uns das RKI gestern telefonisch noch einmal bestätigt. Solingen rangiert seit Wochen jenseits des 200er-Wertes. Das erfüllt mich mit großer Sorge. Wir müssen effektive Wege finden, die Infektionsketten zu unterbrechen. Zum Schutz der gesamten Bevölkerung. Wenn sich das Infektionsgeschehen weiterentwickelt wie in den letzten Wochen, werden bald weitere Klassen in Quarantäne gehen und es kommt wahrscheinlich zu Schulschließungen für alle. Dafür trägt dann aber die Bildungsministerin die Verantwortung. Wir in Solingen haben unser Bestes im Team mit Eltern, Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehren und den Schulleitungen gegeben“, so der OB
Stadt will Schulschließungen vermeiden
Auch das Argument der Schulministerin, die Abkehr vom gleichzeitigen Präsenzunterricht für alle sei ein Verstoß gegen die Bildungsgerechtigkeit, überzeuge nicht, so Kurzbach: „Präsenzunterricht ist ja grade auch in unserem 50-Prozent-Modell für alle Solinger Schülerinnen und Schüler das Ziel gewesen, nur eben zeitversetzt und auf 50 Prozent reduziert – um Schulschließungen durch die Ausweitung der Quarantänefälle zu vermeiden.“
Für digitalen Unterricht und Distanzunterricht hatten die Solinger Schulen bereits Modelle entwickelt, so Tim Kurzbach weiter. Lehrkräfte hätten der Stadtführung berichtet, dass in kleineren Gruppen deutlich effektiver unterrichtet werden könne. Die digitale Ausstattung der Solinger Schulen sei auf einem hohen Niveau, was auch die Schulinisterin wisse, betont man im Rathaus. Denn erst vor zwei Monaten habe sie Oberbürgermeister Kurzbach einen Förderbescheid über drei Millionen Euro für die Digitalisierung der Solinger Schulen überreicht.