SOLINGEN (mh) – Hasenfelle in Gold ausgekleidet, Friedenstauben auf goldenem Untergrund – so präsentiert sich die neue Einzelausstellung von Lara Leon-Ser, die heute im Atelier Kunstraum in den Güterhallen eröffnet wird. In 35 Werken beleuchtet die Künstlerin, die an der Freien Akademie der bildenden Künste in Essen (fadbk) ihren Abschluss gemacht hat, das Thema „Unbehagen“.
Goldene Hasen – Grundemotion Angst
Sie setzt sich mit dem Phänomen der Angst als Grundemotion auseinander. Wie kann man Angst besser ertragen? Bei ihren Überlegungen kam sie über die Ambivalenz (entweder – oder) zur Ambiguität. In verschiedenen Perspektiven erscheinen die gleichen Dinge auf unterschiedliche Art und Weise. „Ohne die Anderen kein Selbst, ohne Ambiguität keine Identität, ohne Verzweiflung keine Hoffnung, ohne Anfang kein Ende. Dazwischen ist die Angst“, zitiert sie aus dem Buch „Gesellschaft der Angst“ von Heinz Bude, Prof. für Makrosoziologie.
Drei große Werke, deren Hintergründe einheitlich kraftvoll in Schwarz, Rot und Gold gefärbt sind, tragen kleine Kaninchenfelle, die auf den Innenseiten mit Goldfolie verziert sind. „Die Felle sind Überbleibsel aus der Lebensmittelindustrie“, erläutert Leon-Ser. Die Künstlerin wertete mit der Goldfarbe den Hasen auf. „Goldene Hasen haben keine Angst“, lautet deshalb der Titel ihrer Ausstellung. Die Kaninchen stehen als Synonym für den „Angsthasen“, den viele Menschen in sich selbst finden. Hierzu ein Zitat des Neurobiologen Gerald Hüther: „Uns macht nicht das Erleben einer Bedrohung Angst, sondern die Vorstellung, ihr hilflos ausgeliefert zu sein.“
Wahrnehmung als wandelbarer Prozess
Leon-Ser überlässt es dem Betrachter, persönliche Reflexionen zu ziehen. Schwarz kann Trauer, aber auch Ruhe bedeuten. Rot steht möglicherweise für Wut oder Kraft. Gelb wiederum verkörpert einerseits die Sonne, andererseits Angst. „Ich gebe den meisten Arbeiten keine Titel“, erklärt die Künstlerin. „Der Betrachter versucht automatisch, dem Gesehenen durch seine Erfahrungswerte eine bestimmte Bedeutung zu geben.“ Doch diese Wahrnehmung sei kein abgeschlossener Prozess, betont die Malerin überzeugt. In einer anderen seelischen Verfassung ändere sich die Wahrnehmung oft gravierend. Sehr passend dazu das Werk, das einen umgedrehten Kopf zeigt. Ein Wechsel der Perspektive kann zeitweise völlig neue Ansichten hervorrufen.
Ihr erkorenes Lieblingsbild und das Kernstück ihrer Ausstellung ist ein 100 x 80 cm großes, in Weiß und Gold glänzendes Werk, in dem Friedenstauben fliegen. „Diese Arbeit stellt für mich einen absoluten Hoffnungsschimmer dar“, so die Künstlerin, die auch selbst immer versucht, im schwärzesten Dunkel ein Licht am Horizont zu sehen.
Ein anderes ihrer Lieblingsbilder zeigt im Hintergrund ein älteres Gebäude. Im Vordergrund greift eine kleine Hand um ein Geländer. Es gibt Halt und damit ein Gefühl der Sicherheit und des Trostes. Das Gemälde ist in überaus dezenten Farbschattierungen von Rosa und Apricot gehalten, Lieblingsfarben der Künstlerin, die sich in vielen ihrer Arbeiten wiederfinden.
Das selbstbewusste Lama
Eine der wenigen mit einem Titel versehenen Arbeiten nennt sich „Das starke Lama“. Das Tier im Vordergrund macht einen äußerst selbstbewussten Eindruck. Auf seinem Rücken steht ein Kind, das recht nachdenklich wirkt. Im Hintergrund sieht man wie durch einen Schleier zwei Menschen. Möglicherweise Personen aus der Biografie des Kindes. Eine von ihnen weist in ihrem Inneren deutlich das Gesicht eines Hasen auf.
Ein hochformatiges Werk zeigt den Rücken einer Frau, deren Erlebnisse über ihre Haut nach außen treten. Wie oft reagiert unsere Haut hochsensibel auf unser Innenleben? „Das Bild habe ich erst vor ein paar Tagen beendet“, erzählt Lara Leon-Ser. Ursprünglich hatte sie es 2020 gemalt. Aber als sie es vor ein paar Tagen wieder anschaute, fiel ihr auf, dass es mehr einer Collage glich. „Ich habe dann die verschiedenen Teile des Bildes durch ein paar Ergänzungen zu einer Einheit geformt.“
Absoluter Eyecatcher sind die vier nebeneinander hängenden 30 x 150 cm schwarzen Keilrahmen, die den Eindruck erwecken, sie seien mit Goldfolie überdeckt. Doch die Folie reißt an vielen Stellen auf und zeigt das darunter liegende Dunkle. Es ist eben nicht alles Gold, was glänzt – ein Sprichwort, das hier bildlich umgesetzt wurde.
In ihren 2021 entstandenen Bildern hatte sie, zunächst unbewusst, vieles aus ihrem Thema verarbeitet, beispielsweise in dem Werk, das ein junges Mädchen mit einem Gewehr darstellt. „Gewehre habe ich früher nie gemalt“, so die Solinger Künstlerin, die ihre Kunst als Ventil nutzt.
Kunst als Ventil
Die Bilder weisen ein breites Spektrum von unterschiedlichen Formaten auf. Die meisten wurden mit Eitempera gemalt, andere sind Airbrush-Arbeiten. Die Künstlerin liebt das Arbeiten mit Eitempera. Hierbei handelt es sich vorwiegend um wasserverdünntes Eigelb als Bindemittel und einem Pigment. Es ist eine Farbe, die lebt, findet Lara Leon-Ser. Frühere Arbeiten waren eher in Öl auf Leinwand gemalt.
Die Vernissage findet am Samstag, 4. November um 17 Uhr statt. Die Ausstellung ist bis zum 12. November geöffnet. Am letzten Tag wird als Ehrengast Dr. med. Thomas M. Mayr aus seinem Werk „Körper, Seele, Geist“ lyrische Werke vortragen. Die Lesung beginnt um 15:30 h
Öffnungszeiten:
SA/SO von 15 – 18 h
Atelier „Kunstraum“, Alexander-Coppel-Straße 42
Kontakt: 0178 2975642
tanja@krymstockli.de