SOLINGEN (bgl) – Die etwas verwackelten Handyaufnahmen gingen durch alle Medien. Zu sehen und auch zu hören war aber genug. Ein junger Mann, später als syrischer Flüchtling identifiziert, prügelte im Berliner Stadtteil Prenzlauzer Berg auf einen anderen Mann mit seinem Gürtel ein. Der Grund: Der Angegriffene, ein Israeli, trug eine Kippa, die traditionelle jüdische Kopfbedeckung der Männer. Der junge Angreifer fühlte sich offensichtlich deshalb dermaßen provoziert, dass er gewaltätig wurde. Kein Einzelfall und auch kein Phänomen, das ausschließlich in Deutschland zu beobachten ist.
Auch für den Freundeskreis Solingen-Ness Ziona ein unerträglicher Zustand und eine besorgnisserregende Entwicklung. Vereinsvorsitzender Bernd Krebs betont in einer Pressemitteilung die Solidarität mit den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern: „Es ist eine Schande, dass in unserem Land Menschen jüdischen Glaubens zunehmend auf offener Straße angegriffen werden, weil sie Kippa tragen“, so Krebs. Aus diesem Grunde ruft der Freundeskreis Solingen-Ness Ziona für den 14. Mai zu einem „Kippa-Tag“ auf.
70. Gründungstag des Staates Israel
Los geht es um 16 Uhr auf dem Rathausplatz. Am 14. Mai jährt sich zum 70. Mal der Gründungstag des Staates Israel, einer Heimat für Juden in aller Welt. Alle männlichen Teilnehmer der Solidaritätsaktion sollen als äußeres Zeichen gegen Antisemitismus in der Gesellschaft eine Kippa tragen. „Wer gegen Menschen wegen ihrer kulturellen Herkunft oder Lebensweise hetzt, ist ein Feind unserer freien Gesellschaft und verdient eine entsprechende Reaktion“, so Bernd Krebs weiter.
Brandanschlag auf die bergische Synagoge vor vier Jahren
Leonid Goldberg, Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde Wuppertal, zu der auch Solingen gehört, warnt bereits seit geraumer Zeit vor Antisemitismus und Hass auf Juden, der immer stärker aus muslimischen Kreisen spürbar sei. Der Hass auf Israel tarne sich oftmals als Israel-Kritik. Dabei würden auch in Deutschland offen erkennbare jüdische Menschen mit dem Staat Israel gleichgestellt. Vor vier Jahren verübten drei junge Palästinenser einen Brandanschlag auf die Synagoge in Wuppertal. Die Richter im späteren Verfahren erkannten in der Tat kein antisemitisches Motiv. Ein fatales Signal.
Leonid Goldberg würde sich wünschen, dass die islamischen Verbände mehr auf auf die jungen Muslime Einfluss nehmen würden. „Man muss sich einfach mal vorstellen, dass Juden auf Muslime losgehen würden. Ich als Gemeindevorsitzender hätte schon die Möglichkeit, auf solche Menschen einzuwirken“, zog Goldberg bereits 2015 im Gespräch mit dem Autor einen direkten Vergleich.
Sind Juden im Bergischen Land auf offener Straße zu erkennen? „Ein Großteil der in unserer Gemeinde organisierten Mitglieder ist aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion zugewandert“, erklärte Goldberg damals. Für diese in den vergangenen Jahrzehnten eingewanderten Juden sei es keine Gewohnheit, sich unterwegs auf der Straße mit einer Kippa zu zeigen. „Und so werden sie in der Öffentlichkeit auch nicht als Juden erkannt“, sagte Leonid Goldberg im Gespräch vor drei Jahren. Ein Umstand, der sich bis heute nicht geändert hat. Ganz im Gegenteil.
„Kippa-Tag“ am gleichen Tag in Solingen und in Wuppertal
Der Freundeskreis Solingen-Ness Ziona hofft jetzt auf zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer am „Kippa-Tag“ am 14. Mai. Die beiden bergischen deutsch/israelischen Freundschaftsvereine in Solingen (Ness Ziona) und Wuppertal (Beer Sheva) führen den „Kippa-Tag“ koordiniert am gleichen Tag als gemeinsame Antwort gegen den aufkeimenden Antisemitismus in Deutschland durch. In Solingen werden am Aktionstag Oberbürgermeister Tim Kurzbach und weitere Vertreter des öffentlichen und kirchlichen Lebens sowie anderer Glaubensrichtungen erwartet.
„Kippa-Tag“ am 14. Mai, ab 16 Uhr, auf dem Platz vor dem Solinger Rathaus.