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Als der Solinger Fritz Gräbe in Jerusalem einen Baum pflanzte

Katya Gusarov ist Historikerin und arbeitet in der Jerusalemer Holocaustgedenkstätte Yad Vashem in der Abteilung für die „Gerechten unter den Völkern“. Für die junge Frau ist Gräbe ein ganz großer Gerechter. (Foto: © Bastian Glumm)

Katya Gusarov ist Historikerin und arbeitet in der Jerusalemer Holocaustgedenkstätte Yad Vashem in der Abteilung für die „Gerechten unter den Völkern“. Für die junge Frau ist Gräbe ein ganz großer Gerechter. (Foto: © Bastian Glumm)

JERUSALEM (bgl) – Man muss schon etwas genauer hinschauen, will man nicht am Brotfruchtbaum vorbeilaufen, den der Solinger Hermann Friedrich Gräbe 1967 in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem pflanzen dürfte. Denn im Vergleich zu anderen Bäumen, die in der „Allee der Gerechten unter den Völkern“ wachsen, ist der von Gräbe gepflanzte Sproß eher klein geblieben. Dass die Größe des gepflanzten Baumes nichts über die Taten eines „Gerechten“ aussagt, wird aber nirgends deutlicher als bei Gräbe.

Fritz Gräbe nutzte seinen Einfluss

Denn Hermann Friedrich Gräbe stand während des Zweiten Weltkrieges permanent vor der Frage, wie er mit dem umgehen soll, was er an Grausamkeiten gesehen und erlebt hat, die seine Landsleute in den besetzten Gebieten in Osten verübten. Da waren die Massaker im ukrainischen Dubno und die unvorstellbaren Greueltaten an vielen anderen Orten. Während andere schwiegen und nichts taten, regte sich im Gräfrather Gräbe Zorn und Widerstand.

Gräbes Baum wächst seit 1967 in Jerusalem in der „Allee der Gerechten“. Der Brotbaum ist vergleichsweise klein geblieben. Aber er wird dort weiter wachsen. (Foto: © B. Glumm)

Er konnte nicht anders, er musste etwas tun. Er musste helfen. Gräbe war ein Mann mit Einfluss. Er war für die Walder Baufirma Josef Jung in der Ukraine, um dort „kriegswichtige“ Aufgaben zu erledigen. So konnte der vor 116 Jahren in Gräfrath geborene Gräbe Tausende Menschen vor dem Griff der SS bewahren. Eine Heldentat, für die der Solinger nach dem Krieg von der israelischen Regierung zum „Gerechten unter den Völkern“ ernannt wurde.

„Er war ohne Zweifel ein ganz großer Mann“, sagt die Historikerin Katya Gusarov, die als Wissenschaftlerin in der Abteilung der „Gerechten unter den Völkern“ in Yad Vashem in Jerusalem forscht. 1965 wurde Fritz Gräbe zum „Gerechten“ ernannt, zwei Jahre später pflanzte er einen Brotbaum in der weitläufigen Gedenkstätte. Gräbe, der in der besetzten Ukraine zuletzt nur noch seinen Job zum Schein nutzte, um möglichst viele Menschen vor den Vernichtungslagern zu retten, wurden in seiner Heimat keine Ehren zuteil. Ganz im Gegenteil. Nachdem er während der Nürnberger Prozesse entscheidende Aussagen machte, wurde er verleumdet, bedroht und bekam in Deutschland keine Anstellung mehr. Dem Solinger blieb keine Wahl, er wanderte schließlich in die USA aus.

Gräbe eröffnete Scheinbüros zur Menschenrettung

Als er später zu Besuch in Israel war, erkannten ihn Überlebende des Holocaust und trugen entscheidend dazu bei, dass er doch noch die Ehrung erfuhr, die er verdiente. „Gräbe eröffnete während seiner Zeit in der Ukraine Scheinbüros, nur um dort die Leute unterzubringen. Er tat alles, um sie zu retten“, erklärt Katya Gusarov. Später, als die deutschen Besatzungsbehörden ausnahmslos Juden auch aus den Zwangsarbeitsfirmen rausholten, um sie in die Vernichtungslager zu schicken, unternahm Gräbe alles, was in seiner Macht stand, um den Juden falsche Papiere zu besorgen. „Viele Gerettete wussten gar nicht so recht, wer sie überhaupt gerettet hat und wie das vor sich ging“, macht Katya deutlich.

Im „Tal der Gemeinden“ in Yad Vashem sind alle Namen der rund 5.000 jüdischen Gemeinden aufgeführt, die von den Nazis vernichtet wurden. Man findet auch den Namen Solingens, an den ebenfalls in hebräischer Schrift erinnert wird. Je größer die Schrift, desto größer war die Gemeinde. (Foto: © B. Glumm)

Insofern ist die Nennung einer Zahl auch nicht so einfach. „Aber es sind mindestens 2000 Menschen, die Hermann Gräbe gerettet hat“, sagt Historikerin Katya Gusova. Aber es werden wohl einige mehr sein. Zwei Jahre nach seiner Ernennung zum „Gerechten“ im Jahre 1965, wurde Fritz Gräbe die Ehre zuteil, in Yad Vashem einen Baum zu pflanzen. In Solingen erinnert seit Juni das neueröffnete „Fritz-Gräbe-Haus“ an der Nibelungenstraße an das Wirken des Gräfrathers.

Allee der Gerechten unter den Völkern

Die Allee der Gerechten unter den Völkern wurde am 1. Mai 1962, dem Holocaust-Gedenktag, eingeweiht. Die israelische Regierung wurde durch Außenministerin Golda Meir repräsentiert. Die ersten elf Bäume wurden entlang dem Weg zur Halle des Gedenkens auf dem kahlen Rücken des Berges des Gedenkens gepflanzt. Die Bäume wurden von Rettern aus verschiedenen Ländern und von deren israelischen Gastgebern – den Juden, die sie gerettet hatten – in die Erde gesetzt.

In ihrer Rede sagte Golda Meir: „Das jüdische Volk erinnert sich nicht nur an die Verbrecher, sondern auch an jedes kleinste Detail der Rettungsversuche.“  Sie verglich die Gerechten unter den Völkern mit Tropfen der Liebe in einem Ozean von Gift und sagte, sie hätten „nicht nur den Juden das Leben gerettet, sondern auch die Hoffnung und den Glauben an den menschlichen Geist.“

(Quelle: www.yadvashem.org)

Ein Teilstück der „Allee der Gerechten unter den Völkern“ in Yad Vashem. Dort dürften Nicht-Juden, die während des Holocausts jüdische Menschen vor dem Zugriff der SS retteten, als besondere Ehre Bäume pflanzen. Dort wachsen unter anderem die gepflanzten Bäume von Oskar Schindler und Fritz Gräbe. (Foto: © B. Glumm)

Link zur zentralen Holocaustgedenkstätte Yad Vashem in Israels Hauptstadt Jerusalem:

www.yadvashem.org

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