SOLINGEN (mh) – Bloggerin Ulrike Sokul ist gelernte Buchhändlerin und begeistert seit einigen Jahren die Szene mit ihren Rezensionen. Sie lebt in Solingen und liebt außer Literatur klassische Musik und die Natur. Die Buchhändlerin gehört zu den wenigen Menschen, die keinen Fernseher haben. Stattdessen hält sie sich gerne im Grünen auf. Gewiss, ab und zu muss ein Kinobesuch sein, denn gute Filme liebt sie auch ohne Fernseher.
Ihre Buchbesprechungen sieht sie eher als Einladung an den Leser, selbst das Buch in die Hand zu nehmen. Auf die Frage nach ihren Lieblingsautoren gibt sie folgende zehn Namen an: Jane Austen, Raymond Chandler, Hans Fallada, Jasper Fforde, Thich Nhat Hanh, Safi Nidiaye, Walter Moers bzw. Hildegunst von Mythenmetz, Rafik Schami, Andreas Steinhöfel, Stefan Zweig.
Buchbesprechungen als Einladung
Vor allem Walter Moers Zamonienromane haben es ihr angetan. „Er macht aus Schriftstellerin Anagramme“, begeistert sich die Solingerin und gibt gleich ein Beispiel. Der Schriftsteller Friedrich Hölderin wird bei Moers zu Dölerich Hirnfiedler. „Die Namen kommen einfach spielerisch daher“, erläutert die Buchhändlerin und hält diese Anagramme doch für tiefsinnig, ja vielschichtig. Sie selbst ist ebenfalls ein Freund des Wortspiels, was sie mit verschiedenen Zitaten auf ihrer Homepage unter Beweis stellt. So beispielsweise mit dem Zitat von Rupert Schützbach: „Gute Literatur verdirbt den schlechten Geschmack.“
„Vor allem ist mir eine außergewöhnliche, gute und originelle Sprache wichtig.“ Schon früh wurde Ulrike Sokul mit der Welt der Literatur vertraut gemacht. Ihre Eltern vermittelten ihr die Liebe zur Sprache und lasen ihr oft vor. „Mein Vater dachte sich zahllose Geschichten für mich aus.“ Leider wurde vieles davon nicht aufgeschrieben. Doch an eine Erzählung erinnert sie sich gut. „Sie handelte von einem Holzwurm, der in einem alten Stuhl lebt. Als die Familie auswandert, nimmt sie den Stuhl mit. So beginnt die Reise des Holzwurms.“
Auch die Märchenplatten versetzten sie immer in eine Fantasiewelt. „Es gab einfach großartige Sprecher“, weiß sie zu berichten. Allen voran der unvergessene Schauspieler und Erzähler Hans Paetsch. Ein Rezensent sagte einmal: „Wenn der liebe Gott einen Pressesprecher gehabt hätte, wäre das Hans Paetsch gewesen.“
Märchen nachgespielt
„Meine Mutter musste alle Märchen mit mir gemeinsam nachspielen“, erinnert sich die Buchfreundin schmunzelnd. „Ich war schon als Kind sehr empfänglich für nicht Sichtbares“, verrät sie. Ihre Eltern förderten diese Eigenschaft zwar nicht, akzeptierten sie aber. Es war völlig in Ordnung. So saß abends immer ein Gutenachtzwerg auf dem Kopfkissen der kleinen Ulrike und unterhielt sich mit ihr.
Eines ihrer absoluten Lieblings-Kinderbücher – „Hurz Burz“ von Wilhelm Topsch – handelt ebenfalls von einem Zwerg. „Dieser Wichtel nimmt Kontakt zu einer Familie auf“, erzählt sie. „Den Wichtel habe ich als Kind ja selbst gesehen und gesprochen.“ Sokul schildert das Werk als eine wunderbare Symbiose aus Lebensweisheit, Naturverbundenheit, Achtsamkeit, Humor und Menschenkenntnis – eine perfekte Mischung. Mittlerweile ist es vergriffen. Aus diesem Grund hat die Literaturfreundin ihre Rezension als Nachruf geschrieben.
Sie hört immer noch gerne zu. Aus den Schallplatten sind zwischenzeitlich Hörbücher geworden. „Man sitzt im Geborgenen und erlebt ein Abenteuer“, empfindet sie das Zuhören heute genau wie in der Kindheit.
An ihre erste Rezension erinnert sich die Buchhändlerin sehr gut. „Es war der Titel „Herr Mozart wacht auf“ von Eva Baronsky. “ Seit dieser Zeit sind rund sechs Jahre als Rezensentin vergangen. Anfangs stand sie mit dem Computer etwas auf Kriegsfuß. „Mit Recherche kannte ich mich aus, aber vom Bloggen hatte ich nicht die geringste Ahnung. Ein Bekannter hat sich um die Ersteinrichtung gekümmert. Auf einmal war ich online.“ Es war unglaublich aufregend, als die ersten Kommentare zu den Rezensionen kamen. „Ich hatte das vorher schon auf anderen Blogs gesehen“, berichtet sie, „aber jetzt war es auf meiner eigenen Seite.“ Nach und nach stellte sie immer mehr Texte ein, baute Kontakte zu Verlagen auf. „Ich gehe beim Rezensieren sehr in die Tiefe, arbeite ganz detailliert.“ Dabei deckt sie ein umfangreiches Spektrum ab. Die Genrevielfalt umfasst bislang Märchen, Lyrik, Kalender, Sachbücher, Romane und Kinderbücher.
Rezensionsexemplare von den Verlagen
Die anfänglichen Rezensionen bezogen sich auf Bücher aus ihrem eigenen Fundus. In den letzten Jahren werden die Blogger von den Verlagen ernster genommen als früher, ist die Erfahrung der Buchhändlerin. Da kann man durchaus um die Zusendung von Rezensionsexemplaren bitten. Dieser Bitte kommen kleinere Verlage häufig nach. Dafür bekommen sie im Gegenzug ein Exemplar (als Link oder als Datei) der Besprechung.
Pro Woche liest Sokul zwei bis drei Werke. Sie liebt die detaillierte Zeichnung der Figuren. „Bücher werden zu Freunden“, findet sie. „Man sitzt gemeinsam mit dem Grafen von Monte Christo auf dem Sofa.“ Obendrein ist ihr die haptische Qualität eminent wichtig – Kopfschnitt, hochwertiges Papier, Reliefcover, Lesebändchen. Ein eBook kommt absolut nicht in Frage – es hat kein Leben.
Auf ihrem Blog „Leselebenszeichen“ hat sie bislang mehrere hundert Texte veröffentlicht. Die reine Schreibzeit beläuft sich pro Woche auf 20 – 24 Stunden, zuzüglich rund vier Stunden für die Kommentararbeit. Dafür investiert sie viel Zeit, ist sich der Wichtigkeit substantieller Kommentare wohl bewusst. Herzchen, Smileys, Sternchen – das ist nicht ihr Ding. „Sie haben zu wenig Inhalt.“ Indessen hat sie ihren ganz persönlichen Stil aufgebaut. Ihre über 1.100 Follower, die förmlich auf neue Buchbesprechungen warten, sparen nicht mit Rückmeldungen. „Pro Rezension kommen zwischen 20 und 70 Zuschriften“, freut sich die Gräfratherin. Oft teilen ihr die Leser mit, dass die Verfolgung des Kommentarstrangs mindestens so interessant ist wie die Rezension selbst.
Tätigkeit im Klingenmuseum
Die Literaturfachfrau ist oft im Klingenmuseum anzutreffen. Hier ist sie mit der Aufsicht betraut oder übernimmt die Vertretung an der Kasse. Die Museumsarbeit hat in vielen Dingen Ähnlichkeit mit der Arbeit im Buchhandel, findet Sokul. Das Publikum ist in beiden Fällen kulturell interessiert. Durch das Museumsprogramm hat Sokul oft Kontakt zu Kindern. Deren Interessen und Denkweisen kann sie gut nachvollziehen. Schließlich leitete sie früher in der Buchhandlung Wolf die Kinderbuchabteilung.
Neben der Literatur und der klassischen Musik hat die Solingerin eine Vorliebe für politisches Kabarett und klassizistische Architektur und beweist auch dadurch einen beeindruckenden Facettenreichtum.