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Der Lichterbaum von Leichlingen: Ein Nachbarschaftsritual mit Strahlkraft

Ein Meer aus Licht: Rund 100.000 LEDs erstrahlen im 16 Meter hohen Lichterbaum von Mike Kinne und machen die Hofeinfahrt weit über Leichlingen hinaus sichtbar. (Foto: © Miriam Köppchen)

Ein Meer aus Licht: Rund 100.000 LEDs erstrahlen im 16 Meter hohen Lichterbaum von Mike Kinne und machen die Hofeinfahrt weit über Leichlingen hinaus sichtbar. (Foto: © Miriam Köppchen)

Von Miriam Köppchen

In einer privaten, urgemütlichen Hofeinfahrt hoch über Leichlingen begann vor mehr als sieben Jahren alles mit einer Idee, die aus einer Gerüstbaustange mit sechs bis sieben Lichterketten zu einem imposanten, 16 Meter hohen Lichterbaum mit 60 Lichterketten in Warmweiß und Gelbweiß und rund 100.000 LEDs emporgewachsen ist. Aus einem Funken wurden Flammen und aus einer Idee ein Ritual, das die Herzen der Nachbarschaft verbindet.

Eine stille Revolution der Wärme

Wenn der Herbst sich im Oktober in die graue Jahreszeit schleicht und die Tage kürzer werden, beginnt in der Landrat-Trimborn-Straße eine stille Revolution der Wärme. Es ist nicht einfach eine Lichtinstallation, kein bloßes Schauspiel von Elektrik und Metall. Es ist eine Geschichte, die sich wie ein warmer Schal über die Straßen von Leichlingen legt. Es sind Geduld, viel Arbeit und die Vorfreude darauf, dass Gemeinschaft dort wächst, wo Menschen zusammenkommen, um Zeit miteinander zu verbringen.

Und doch leuchtet der Baum heute nicht nur im Dunkeln, sondern zieht unzählige Besucher an. An allen vier Adventswochenenden, von Freitag bis Sonntag ab 17 Uhr, strahlt das Lichtermeer über der Stadt und erfüllt den Straßenzug mit weihnachtlichem Glühwein- und Punschduft sowie fröhlichem Stimmengewirr.

Musikalisch wird es an den Samstagen

Die Gäste kommen von nah und fern: Nachbarn, Freunde, Bekannte, das DRK, die Löschzüge der Feuerwehr, Karnevalisten, die DLRG, Lauftreffs und selbst der Bürgermeister lässt sich die funkelnde Pracht nicht entgehen. Aus Düsseldorf, Wuppertal, Remscheid, Leverkusen und Solingen reisen Menschen an. Die bislang weiteste Anreise stammt von Kinnes Cousin aus Bernburg an der Saale, der nach mehr als 20 Jahren an diesem Wochenende wieder zu Besuch kommt.

Eine der charakteristischen Kettensägen-Eulen von Mike Kinne, handgefertigt aus gefällten Baumstämmen und Sinnbild für Vergänglichkeit, Handwerk und Heimat. (Foto: © Miriam Köppchen)

Musikalisch wird es an den Samstagen. Hier erinnert man sich gerne an Abende mit Jan Drücke, der mit seiner Gitarre und kölschen Mitsingliedern echte Weihnachtsstimmung aufkommen ließ, an einen russischen Chor, der mit Balalaikabegleitung für Gänsehautmomente sorgte, und an Thommes, der gestern erstmals als Schellack-DJ im gemütlichen Eulenstübchen nostalgische Weihnachtsplatten auflegte. Wer bis dato noch keine Weihnachtsstimmung verspürt, dem ist sie nach einem Abend bei Familie Kinne garantiert.

Aufbau beginnt Jahr für Jahr am 20. Oktober

Der Aufbau beginnt Jahr für Jahr am 20. Oktober. Ein Datum, das fest mit der Vorbereitung verknüpft ist. Dann schickt Mike seine Rasierklingen zum Schärfen ein, und bis zum Abbau des Lichterbaums sowie der Rückkehr der Klingen ziert sein Gesicht ein stattlicher Vollbart, der neben Schal und Hut zu seinem weihnachtlichen Markenzeichen geworden ist.

Wer steckt dahinter? Mike und Renate Kinne aus Leichlingen, längst bekannt durch Mikes Kettensägen Kunst. Die Leidenschaft für seine Holzarbeiten entstand während seiner Tätigkeit bei der Firma Götze, wo er unter anderem für die Baumpflege zuständig war. Die Liebe zu den Eulen stammt aus Kindertagen, in Erinnerung an seine Mutter, die mit großer Begeisterung Eulen sammelte. Höhenangst ist für Mike ein Fremdwort, ebenfalls zurückzuführen auf seinen Beruf: Die 16 Meter des Lichterbaums sind im Vergleich zu den 60 Meter hohen Kaminen, die er erklommen hat, ein Kinderspiel. Zu Hause im Lichterbaum arbeitet Mike stets mit Sicherheitsgeschirr, das ihn im Notfall maximal 80 Zentimeter nach unten sichern würde.

Eulen: Die skurrilen Wächter aus Holz

Viele Jahre war Mike zudem bei der Werkfeuerwehr von Federal-Mogul in Burscheid tätig. Davon zeugt ein besonderer Biertisch, den seine Kollegen ihm zum Abschied in den Ruhestand schenkten. Als „Herr der Feuerlöscher“ besteht dieser Tisch selbstverständlich aus ebendiesen.

Die Eulen – jene skurrilen Wächter aus Holz – entstanden aus Stämmen gefällter Bäume. Sie sind eine Erinnerung an Vergänglichkeit, die Kinne in Kunst verwandelt. Als vor einigen Jahren ein Baumstamm auf dem Grundstück von Herrn Witprächtiger gefällt werden musste, informierte man Kinne. Aus diesem Kern schnitt Mike mit der Kettensäge eine Eule, grob, authentisch, unprätentiös. Zehn Prozent Feinschliff mit Feilen, neunzig Prozent Handwerk: so lautet die einfache Formel, aus der über die Jahre hinweg zahlreiche weitere Eulen entstanden.

Adventsabende in der Landrat-Trimborn-Straße: Der festlich geschmückte Hof der Familie Kinne wird Jahr für Jahr zum Treffpunkt für Nachbarn, Freunde und Gäste aus der Region. (Foto: © Miriam Köppchen)

70 bis 100 Eulen zieren Gärten und Parks

Sie sind nicht bloß Dekoration. Zwischen 70 und 100 Eulen zieren inzwischen Gärten, Parkanlagen und ein besonders beeindruckendes Exemplar sogar den Kreisverkehr in Leichlingens Stadtmitte. Sie waren Teil von Ausstellungen, der Landesgartenschau, standen an Haus Vorst und zwei fanden sogar Standorte fernab der Heimat, in der Türkei und in den USA.

Aus dem Alltag erzählen die Kinnes zudem humorvolle Anekdoten: Ein Hund, der sich an einer XL-Kerze am Eulenstübchen als Bauchwärmer bedient; ein Pferd, das nach einem Spaziergang plötzlich über und über mit Lichtern behangen in der Einfahrt steht und eine „Äppelstraße“ als überraschendes Abschiedsgeschenk hinterlässt.

Lichterbaum von Mike ist ein Herzstück der Nachbarschaft

Der Lichterbaum von Mike ist ein Herzstück der Nachbarschaft, der Blütenstadt und des Höhendorfes. Er ist nicht bloß ein Kunstwerk. Er ist ein Zeugnis dafür, dass Heimat kein Ort, sondern ein Prozess ist. Eine fortwährende Einladung, einander zu begegnen, zu helfen, zu teilen und gemeinsam zu staunen. Jahr für Jahr erinnert er daran, dass Nähe kein Zufall ist, sondern eine Entscheidung, die wir selbst treffen. So entstehen an jedem Adventswochenende neue Geschichten, Freundschaften und Erlebnisse, die verbinden und Hoffnung auf ein glückliches kommendes Jahr schenken.

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