SOLINGEN (bgl) – Am Samstag fand im Städtischen Klinikum Solingen erneut der Selbsthilfe- und Gesundheitstag statt, zu dem mehr als 40 Selbsthilfegruppen und Beratungsangebote aus unterschiedlichen Themenbereichen in der Eingangshalle des Klinikums zusammenkamen. Besucherinnen und Besucher hatten die Möglichkeit, sich niedrigschwellig und praxisnah zu Themen wie chronischen und akuten Erkrankungen, Pflege, psychischer Gesundheit, Familienunterstützung, Ernährung oder sozialer Teilhabe zu informieren, ins Gespräch zu kommen und neue Anlaufstellen kennenzulernen. Neben Informationsmaterialien und Beratungsgesprächen wurden auch praktische Mitmachangebote bereitgestellt, die den Tag zu einem lebendigen Forum des Austauschs machten.
Verleihung des Selbsthilfepreises 2025
Im Anschluss an die Informations- und Begegnungsphase fand die feierliche Verleihung des Selbsthilfepreises 2025 statt. Mit dieser Auszeichnung würdigen die Stadt Solingen und das Städtische Klinikum jährlich das besondere Engagement ausgewählter Initiativen, die durch ihre kontinuierliche Arbeit einen spürbaren Beitrag zur Unterstützung von Menschen in herausfordernden Lebenssituationen leisten. In diesem Jahr standen drei Einrichtungen im Mittelpunkt, die in besonderer Weise zeigen, wie wirksam Selbsthilfe sein kann, sowohl für Betroffene als auch für Angehörige.
Selbsthilfepreis: Busch-Stiftung Seniorenhilfe
Oberbürgermeister Daniel Flemm machte in seiner Rede die besondere Kraft von Selbsthilfe deutlich. „Wer ähnliche Erfahrungen hat, versteht oft ohne viele Worte“, sagte er. Diese Form der unmittelbaren Nähe sei gerade für Familien, die mit der Diagnose Demenz leben müssen, von zentraler Bedeutung. Die Busch-Stiftung stellt diese Nähe seit mehr als einem Vierteljahrhundert her und richtet ihre Angebote ausdrücklich auch an die Angehörigen. „Demenz betrifft eben immer die ganze Familie“, betonte Flemm und hob hervor, dass die Stiftung nicht nur die Betroffenen, sondern auch die pflegenden Familienmitglieder stützt. Mit Beratung, Gruppenangeboten, Aktivtreffen, Besuchsdiensten und niedrigschwelliger Entlastung.
Besonders hervor hob er den „Freien Samstag“, an dem die Betreuung durch Solinger Tagespflegeeinrichtungen organisiert oder finanziert wird. „Damit schaffen sie etwas, das im Leben vieler pflegender Angehöriger ein ganz wesentlicher Faktor ist, der eigentlich gar nicht da ist: Zeit“, sagte Flemm. Die Zahlen, die er nannte, unterstreichen die Dimension: vier Hauptamtliche, 39 Ehrenamtliche, 250 regelmäßige Gäste und über 10.000 Besucherinnen und Besucher bei Veranstaltungen in nur zwei Jahren sowie rund 160 begleitete Familien. „Alle Angebote sind kostenfrei, weil Hilfe nicht vom Geldbeutel abhängen darf“, so der Oberbürgermeister.
Selbsthilfepreis: Selbsthilfegruppe Ernährung bei Übergewicht
Prof. Dr. Boris Pfaffenbach rückte in seiner Laudatio zunächst die medizinische Relevanz des Themas in den Vordergrund. „Übergewicht und Adipositas sind echte Erkrankungen“, sagte er und verwies auf die Vielzahl möglicher Folgeerkrankungen an Herz, Stoffwechsel, Leber, Lunge und Bewegungsapparat. Vereinfachende Appelle wie „nimm doch mal ab“ griffen zu kurz. „Der Fokus ist einfach zu knapp“, betonte der Ärztliche Direktor des Klinikums und verwies darauf, dass genetische Faktoren, biografische Erfahrungen und Lebensumstände die Problematik mitprägen.
In diesem Zusammenhang hob er die Arbeit der Selbsthilfegruppe Ernährung bei Übergewicht besonders hervor. Seit vielen Jahren biete sie Betroffenen eine Struktur, die Veränderungen im Alltag möglich mache. Und zwar durch Austausch, praktische Ernährungstipps, Orientierungswissen und gegenseitige Motivation. Die Gruppe sei ein Ort, an dem Menschen sich gegenseitig Halt gäben und gemeinsam an langfristigen Veränderungen arbeiteten. „Wenn man sich zusammenschließt und das zusammen macht, dann kommt da etwas heraus“, sagte Prof. Dr. Boris Pfaffenbach. Das Leitmotiv der Gruppe fasste er in vier Worten zusammen: „Wille, Wissen, Ideen und Ausdauer.“
Selbsthilfepreis: Pflege- und Adoptivelterninitiative Solingen
Prof. Dr. Thomas Standl würdigte die Pflege- und Adoptivelterninitiative Solingen e. V. und machte zunächst deutlich, mit welchen Herausforderungen Pflegefamilien konfrontiert sind. „Man denkt ja, das läuft dann so mit. Aber das ist überhaupt nicht so“, sagte der Medizinische Geschäftsführer des Klinikums und beschrieb, wie Kinder aus traumatischen oder belastenden Lebenssituationen in Pflegefamilien kommen. Oft mit Entwicklungsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten oder gesundheitlichen Einschränkungen. Für die Familien bedeute das eine enorme emotionale und organisatorische Belastung.
Standl hob hervor, wie wichtig ein geschützter Raum sei, in dem Pflegeeltern sich austauschen können, ohne sich rechtfertigen zu müssen. Die Initiative biete genau diesen Rahmen und schaffe Begegnungen, in denen alle dieselben Schwierigkeiten kennen. Die Aktivitäten der Gruppe reichten von Frühstückstreffen über Zoobesuche, Reitgruppen und Familienausflüge bis hin zu Fortbildungen und systemischer Beratung. „Die Qualifikation, die man dafür braucht, hat man nicht in die Wiege gelegt bekommen“, machte Prof. Dr. Thomas Standl deutlich.
Selbsthilfe: Großes Engagement in Solingen
Besonders bewegend schilderte er ein Beispiel aus der Bewerbung des Vereins: Ein Jugendlicher mit fetalem Alkoholsyndrom habe im vierten Anlauf seinen Führerschein bestanden. „Solche Dinge sind wunderbar und ganz wichtig, gerade für diese gehandicapten Kinder und Jugendlichen“, so Standl. Der Verein betreut derzeit 52 Familien mit 65 Kindern und wird maßgeblich von Susanne Ernst getragen, die seit 2015 im Vorstand arbeitet.
Am Ende erinnerte Prof. Dr. Thomas Standl daran, dass viele weitere Selbsthilfegruppen in den vergangenen Jahren bereits ausgezeichnet wurden und dass das Gesamtbild der Selbsthilfe in Solingen von großem Engagement geprägt sei. „Diejenigen, die heute nicht geehrt werden, waren in den letzten Jahren fast alle schon dabei und haben diesen Kreis mitgetragen“, sagte er und verband damit seinen Dank an alle, die sich in der Stadt für andere Menschen stark machen.

