SOLINGEN (red/bgl) – Groß war bei vielen Solingern der Jubel, als der Sozialdemokrat Tim Kurzbach vor einem Jahr in das Amt des Oberbürgermeisters gewählt wurde. Nicht minder klein waren und bleiben die Erwartungen an den 38-Jährigen. Erwartungen, die der Vollblutpolitiker auch an sich selbst stellt, wie er immer wieder betont. Was Kurzbach mit seinem Team nach einem Jahr im Amt geschafft hat und was auf seiner Agenda ganz weit oben steht, hat er jetzt ausführlich formuliert. Der Oberbürgermeister der Klingenstadt zieht selbst ein Resümee nach zwölf Monaten an der Stadtspitze.
Flüchtlinge
Die plötzliche Aufnahme der vielen hundert Flüchtlinge hat das letzte Jahr geprägt, sogar all unsere Kräfte gefordert: buchstäblich Tag und Nacht. Für die betroffenen Beschäftigten im Rathaus und die ehrenamtlichen Helfer beispielsweise von Feuerwehr, Kirchen und Hilfsorganisationen bedeutete dies eine wochenlange, ja monatelange Überlastung. Und ich bin sehr dankbar für die unermüdliche Bereitschaft, immer und immer wieder nachzulegen und auch mitten in der Nacht das Unmögliche möglich zu machen. Und deshalb ist in unserer Stadt auch nicht dieser Verdruss zu spüren, den der Satz „Wir schaffen das!“ woanders ausgelöst hat: Wir sind bei dieser Aufmunterung nicht stehen geblieben. Alle Mitstreiterinnen und Mitstreiter haben es gemeinsam geschafft, daraus rasch ein „Wir machen das!“ werden zu lassen. Und wie viele Menschen haben sich anstecken lassen und daraus ein selbstbewusstes „Wir können das!“ gemacht! Natürlich erinnere ich mich auch an Versammlungen, die anstrengend und im Moment sogar belastend waren. Nicht jeder hat sofort meinen Optimismus geteilt, dass diese Zuwanderung unserer Stadt sogar große Chancen bietet. Am Ende aber zählt bis heute das, was mich an meiner Heimatstadt glücklich und sogar ein bisschen stolz macht: Nicht nur in Erinnerung an unsere eigene Kriegs- und Nachkriegsgeschichte haben viele Menschen für sich entschieden: „Wir müssen das – und wir wollen das auch!“
Wirtschaft
Zugegeben, es schmeichelt schon, wenn führende Wirtschaftsvertreter das Bemühen einer Verwaltung öffentlich würdigen, mit Offenheit, neuen Ideen und möglichst hoher Flexibilität Partner der Unternehmen zu sein. Für uns im Rathaus ist das vor allem Ansporn, den Kurs weiter zu intensivieren und im ständigen Dialog zu bleiben: Unternehmerinnen und Unternehmer werden in Solingen geschätzt. Dank guter Konzepte können wir das Rasspe-Gelände in den kommenden Jahren zu einer der größten zusammenhängenden Gewerbeflächen der jüngsten Zeit entwickeln – und das noch äußerst verkehrsgünstig gelegen. Mit viel Energie und intensiven Überlegungen ist es uns in den letzten Monaten auch gelungen, in der völlig verfahrenen Situation des geplanten O-Quartiers in Ohligs den Knoten zu durchschlagen: Wir haben dadurch das Heft des Handelns wieder in die Hand bekommen. Ein neuer Bebauungsplan mit angepassten Anforderungen ist dafür der richtige Weg.
Umweltschutz
Für mich ist die Entscheidung rund um Gewerbeflächen im Bereich Ittertal dafür ein gutes Beispiel: Wir benötigen dringend Flächen für interessierte Unternehmen, die neu nach Solingen kommen oder aus engen Innenstadt-Lagen heraus expandieren wollen. Und dennoch war für mich nach den Umweltgutachten früh klar, dass Flächen wie Buschfeld dafür nicht geeignet sind, und dass wir auch an anderen Stellen deutliche Einschränkungen jeglicher Pläne vornehmen müssen. Klimaschutz darf kein leeres Schlagwort sein. Dort, wo eine Nutzung hingegen möglich erscheint, sollten wir dann aber auch die Ehrlichkeit besitzen, uns zu unseren Unternehmen und ihrer guten Entwicklung zu bekennen. Dennoch stehe ich dazu, dass die Nutzung von Brachflächen wo immer möglich Vorfahrt hat. Das gilt für Rasspe ebenso wie für das Omega-Gelände am Rand der City. Und nach dem bedauerlichen Aus für Grossmann müssen wir auch hier prüfen, ob der Standort noch attraktiv für eine gewerbliche Nutzung ist.
Finanzen
Der Haushalt 2017 markiert das Durchstarten einer Investitions-Offensive, die nicht zuletzt die nachhaltige Sanierung unserer Schulen, städtischen Gebäude, Straßen und Sportstätten bringen wird. Gäbe es eine bessere Zeit dafür als die gegenwärtige Niedrigzinsphase? Ganz offensichtlich haben wir das bereits im Haushalt 2016 so überzeugend dargestellt, dass die Bezirksregierung uns trotz rigider Spar-Vorschriften Sonderkredite erlaubt: für die Sanierung und Erweiterung von Schulen, aber auch für den Neubau des Hallenbads Vogelsang. Wobei ich dem Standort am Vogelsang klar den Vorzug gebe. Er ist seit vielen Jahren etabliert, stärkt den Stadtteil Wald und ist hervorragend mit dem Bus erreichbar.Ich finde, das Prüfen und Planen sollte jetzt bald zu Ende sein, damit endlich die Bagger anrollen können. Dennoch ist ein ausgeglichener Haushalt nun endlich greifbar nahe – und damit auch der allmähliche Weg aus der ewigen Schuldenfalle. Dass wir dabei zuletzt unsere Sparvorgaben zu mehr als 100 Prozent erreichen, ist ein großes Kompliment an alle Beschäftigten in der Verwaltung, die den Auftrag der Politik zur Haushaltssanierung auch im Rathaus sehr ernst nehmen.
Bildung
Mit unseren weit fortgeschrittenen Überlegungen können wir das neue Landesprogramm „Gute Schule 2020“ sicherlich optimal für Solingen nutzen, und mit Spannung erwarten wir auch, was uns die Ankündigungen des Bundes bringen wird, die Digitalisierung der Schulen nachhaltig zu fördern. Für all diese Pläne und Zukunftsaufgaben werden wir aber auch unsere Schulverwaltung neu aufstellen müssen. Gemeinsam mit der neuen Solinger Schuldezernentin bin ich dabei, diesem Stadtdienst die notwendigen neuen Impulse zu geben und ihn im Sinne unserer Schulen zu stärken. Gleichzeitig laufen die Pläne für elf (!) neue Kindergärten auf Hochtouren.
Kultur, Sport und Freizeit
Ich setze auf den Konsens im Rat, dass wir mit Kultur, Sport und Freizeit eine ganz wesentliche Säule des erfolgreichen Standorts Solingen dauerhaft sichern müssen und wollen. Unsere weit über Solingen hinaus renommierte Musikschule, die Bergischen Symphoniker, das Kunstmuseum und das längst weltweit anerkannte Zentrum für verfolgte Künste werden nach meiner Vorstellung am Ende eine wirklich dauerhafte finanzielle Basis haben. Und ich baue darauf, dass unnötige Irritationen in einzelnen Fraktionen über die Zukunft von Musikschule und Orchester rasch intern beseitigt werden können: Eine verarmte Kulturlandschaft passt nicht zu einer attraktiven Stadt.