SOLINGEN (mh) – Tiere aus Marmor ruhen auf rostigen Podesten. Die einen tragen Geweihe, die anderen entstammen dem Meer. Dann stutzt der Betrachter. Sind das überhaupt Tiere? Ist es nicht eher etwas ganz anderes? Lebewesen aus der Pflanzenwelt? Die Figur wechselt ihren Charakter noch während der Betrachtung. Auch Berthold Welter kann es nicht sagen. Nur eines weiß der gelernte Steinbildhauer ganz genau: Es ist Stein. „Ich überbringe keine Botschaft“, sagt er und stellt fest: „Meine Werke sind da, weil sie geschaffen wurden.“
Skulpturen wechseln Charakter
Der gelernte Steinmetz und Steinbildhauer stellt derzeit rund 30 Werke aus seiner umfangreichen Sammlung in der Galerie Kirschey im Südpark aus. Seit über 40 Jahren ist Stein sein Werkstoff. Daraus erschafft Welter skurrile, aber nicht abstrakte Objekte. Jedes Kunstwerk verfügt über Bestandteile, die uns vertraut sind, die uns zu Interpretationen veranlassen, Neugier wecken.
„Mich interessiert das Austesten von Grenzen“, betont Berthold Welter. „Wie viel kann ich von dem Stein wegnehmen, ohne dass er zerbricht? Er soll seine Form immer noch tragen können, bleibt noch ganz. Damit ist die Grenze nicht überschritten.“ Man müsse dem Stein seine Form abringen, verrät der Künstler und gibt zu, dass es immer ein kleiner Kampf sei. „Man kann mich als Handwerker sehen. Handwerk ist schließlich die Grundvoraussetzung für eine Arbeit. Aber so, wie ein Handwerker an seine Arbeit herangeht, so arbeite ich nicht.“ Stattdessen erprobt er sich in Feldversuchen, wie beispielsweise einer sinnvollen Verbindung von Hirschgeweih und Marmor. Ein anderes Werk, der 568-Löcher-Stein, zeigt in seinem Inneren eine Kraterlandschaft.
„Für mich sind diese Objekte eine Rückbesinnung auf ursprüngliches Leben“, erläutert Astrid Kirschey. Die Galeristin ist fasziniert von dieser Symbiose aus Tier und Pflanze und dem Undefinierbaren. „Ich spüre hier eine tiefe Naturverbundenheit. Es ist ungewöhnlich, fantasieanregend. Man ahnt, was die Skulptur darstellen könnte. Doch im nächsten Moment ist es wieder anders.“ Beinahe möchte man glauben, der Stein lebt.
568 Löcher im Stein
Welter arbeitet bevorzugt mit heimischem Material, wie Laaser-Marmor, Gestein aus dem Hessischen, Kalkstein aus dem Hannoveraner Raum. „Wir haben hier so viel wunderbare Materialien, da muss ich keine Steine von weither holen.“ Die Skulpturen der Ausstellung sind alle aus Abfallprodukten hergestellt. „Da kommen mir meine handwerklichen Kenntnisse zugute“, freut sich der Steinbildhauer, denn gerade diese Abfallprodukte inspirieren den Künstler. Seine Werke tragen keine Namen. Sie gehören alle zur Familie „Raum greifen“. Und wenn man sich die Objekte betrachtet, zeigt jedes eine starke Präsenz. Der Laaser-Marmor ist als Stein an sich schon beeindruckend in seiner Schönheit.
Viele von Welters Skulpturen sind schon seit Jahren in Solingen zu sehen, beispielsweise im Botanischen Garten. Auch in Leichlingen, Köln, Düsseldorf, Siegburg, Mainz, Dortmund und Langenfeld (um eine kleine Auswahl zu nennen) sind seine Arbeiten ausgestellt. Der Bildhauer ist obendrein ausgebildeter Freizeitpädagoge mit psychomotorischer Zusatzausbildung. In seinem Leichlinger Atelier gibt der Freiberufler häufig Seminare, in denen sich die Teilnehmer mit dem Stein als Naturmaterial auseinandersetzen sollen.
Ausstellung bis 23. August in der Galerie Kirschey
Die Vernissage ist am kommenden Sonntag, 26. Juli, um 18 Uhr in der Galerie Kirschey, Alexander-Coppel-Straße 22. Bis zum 23. August sind die Arbeiten jeden Donnerstag und Sonntag von 14 – 18 Uhr und nach Vereinbarung zu besichtigen.