SOLINGEN (mh) – Aus Anlass des Internationalen Frauentages hatte der Türkische Volksverein zu einer Ausstellung mit anschließender Diskussion ins VHS-Forum geladen. Thema dieser Veranstaltung war Gewalt gegen Frauen, zwar nicht neu, aber nach wie vor brandaktuell. Über 100 Besucher waren der Einladung gefolgt. Özlem Dogan und Sevinc Icyer führten souverän als Moderatorinnen durch den Abend.
Die bildliche Umsetzung wurde zwei Studenten übertragen, die an der Hochschule Düsseldorf Kommunikationsdesign studieren. Die Solingerin Ilayda Sayilgan (23 Jahre) hat gemeinsam mit ihrem Studienkollegen Timo Zier (26 Jahre) aus Düsseldorf einen Weg gesucht, durch fotografische Technik die Gewalt zu visualisieren. „Wir wollten ihr ein Gesicht geben, ohne sie in aller Deutlichkeit zu zeigen“, so die beiden Studenten. „Deshalb haben wir das Künstlerische mehr in den Vordergrund gerückt. Die Farbe Schwarz visualisiert die Gewalt, ohne sie eins zu eins zu zeigen. Die Bilder sollen als Serie stehen, mit dem Schwarz als verbindendes Element.“
Schwarz visualisiert die Gewalt
Zehn Bilder im Format DIN A2. Jedes zeigt eine andere Form der Gewalt: Sexuelle Nötigung, Körperliche Gewalt, Belästigung durch Blicke, sexuelle Gewalt gegen Frauen, Gewalt in der Schwangerschaft, nonverbale Gewalt, Unterdrückung von Bildung, Genitalverstümmelung, Zwangsheirat, Säureattacken. Ein bedrückendes Thema, in den Fotos hervorragend umgesetzt. Der Betrachter spürt sofort, was hinter der schwarzen Farbe verborgen ist. Drei Monate haben die Fotografen an den Bildern gearbeitet. „Manchmal haben wir bis zu sechs Stunden für ein Shooting gebraucht“, so Ilayda Sayilgan. Die Fotos wurden bewusst in Schwarz/Weiß gehalten. Die Models stammen alle aus unterschiedlichen Kulturen und Generationen. Sie waren ebenfalls bei der Ausstellung anwesend und klärten die Zuschauer über die Bedeutung der Bilder auf.
Mina Cetin, Vorstandsmitglied des Türkischen Volksvereins, hatte das Projekt ins Leben gerufen. Ihre Intension war es: Gewalt gegen Frauen stärker in den Fokus zu rücken. „Das Thema berührt und bewegt uns sehr“, gab sie zu. „Wir haben uns überlegt, welche Gewaltformen es gibt. Unsere Jugendliche haben die entsprechenden Fakten dazu recherchiert.“ Finanziert wurde das Projekt unter anderem mit Fördermitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Förderung durch Familienministerium
„Der Türkische Volksverein wurde gegründet, um kulturelle Aktivitäten zu fördern und um Jugendliche und Frauen zu unterstützen. Wir arbeiten mit zahlreichen Institutionen zusammen, wie beispielsweise AWO und Caritas. Und auch mit der Bergischen VHS, die uns für diese Veranstaltung die Räumlichkeiten gestellt hat“, erläuterte Mina Cetin die Arbeit des Vereins. „Das heutige Thema ist alles andere als erfreulich, aber leider immer noch und immer wieder aktuell. Unser Verein setzt sich intensiv damit auseinander. Gewalt verletzt die Grundrechte. Jede dritte Frau ist Opfer von Gewalt. Es gibt immer noch viele Länder, in denen Frauen keine Rechte haben. Doch Unterdrückung ist durch nichts gerechtfertigt. Dafür sollte nirgendwo Platz sein. Dafür müssen wir uns auch weiterhin stark machen.“
OB Tim Kurzbach bestärkte die klaren Worte von Mina Cetin. „Ich bin sehr stolz auf den Türkischen Volksverein und freue mich, hier als Mann sprechen zu dürfen. Es geht mir vor allem darum, diese Thematik und Problematik nicht so weit wegzuschieben. Denn leider gibt es solche Fälle auch hier bei uns.“ Und Kurzbach fuhr fort: „Auch, wenn ich Solingen für eine liebenswerte Stadt halte und stolz darauf bin, sie zu vertreten, darf man diese Zahlen nicht ignorieren. 124 Kinder pro Jahr werden Opfer sexuellen Missbrauchs. 400 Frauen und Mädchen werden von der Frauenstelle betreut. 1000 suchen die telefonische Beratung. Das sind die offiziellen Zahlen hier bei uns. Die Dunkelziffer ist weitaus größer. Gut, dass es in Solingen seit 1982 ein Frauenhaus gibt.“
Solinger Frauenhaus seit 1982
Dr. Birgit Klimeck, Gleichstellungsbeauftragte des Ministeriums für Schule und Weiterbildung in NRW, überbrachte ein Grußwort der stellvertretenden Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann. Diese hatte darauf hingewiesen, dass bedauerlicherweise in manchen Ländern eine Rückwärtsentwicklung festzustellen ist. Auch Gisela Köller-Lesweng, Leiterin der städtischen Gleichstellungsstelle, gab ein kurzes Statement zur aktuellen Situation der Frauen. Hierfür nutzte sie das Zitat von Johanna Dohnal, der ersten Frauenministerin Österreichs: „Die Vision des Feminismus ist nicht eine ‚weibliche Zukunft‘. Es ist eine menschliche Zukunft.“
Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine Gesprächsrunde mit Martina Zsack-Möllmann, der Leiterin des Solinger Frauenhauses, und Aysegül Kaya, Rechtsanwältin und Mitbegründerin des Frauenhauses Istanbul.