SOLINGEN/METTMANN (bgl) – Es war ein kurzer Augenblick, nur ganz wenige Sekunden, die Kim Cremers Leben für immer dramatisch veränderten. Im April 2013 war der Mettmanner auf seinem Motorrad unterwegs, als es zum Unfall kam. „Mir wurde die Vorfahrt von einem abbiegenden Fahrzeug genommen“, erinnert sich der 32-Jährige. Kim Cremer wurde auf seinem Zweirad voll erwischt und umgeworfen. Sein linker Fuß wurde bei dem Unfall komplett zerstört. Es folgten endlose Krankenhausaufenthalte und über 20 Operationen. „Das Sprunggelenk war versteift, der linke Zeh war weg. Die Ärzte haben versucht, den Fuß mit Drähten wieder in die richtige Form wachsen zu lassen“, sagt der Familienvater. Das gelang leidlich. Kim Cremer lief zuletzt nur noch auf den vier Knöcheln am Zehenende, der Fuß war abgeklappt.
Nur eine Stunde Belastung täglich
Trotz orthopädischer Schuhe und Physiotherapie war damals mehr als eine Stunde täglich gehen, stehen und belasten nicht drin. „Morgens aufstehen und zum Waschbecken gehen füllte bereits die erste halbe Stunde des Tagespensums“, schaut Cremer zurück. Zu stark waren die Schmerzen. Irgendwann waren auch die Mediziner am Ende ihres Lateins. Ein Zustand, der nicht mehr wesentlich besser werden würde.
Ein Zustand, an den sich der aktive junge Mann nicht gewöhnen konnte, nicht gewöhnen wollte. War Cremer sonst stets ein Optimist, kamen Selbstzweifel und sogar depressive Phasen. „Dann habe ich eine Umschulung vom Lagerarbeiter zum Groß- und Außenhandelskaufmann und in dieser Zeit auch Urlaub gemacht. Während dieses Urlaubs kam dann ein Orthopädietechniker auf mich zu“, so Kim Cremer.
Solinger Orthopädietechniker im Urlaub kennengelernt
Dieser Orthopädietechniker war Sascha Gevelhoff vom Ohligser Sanitätshaus Köppchen. Ihm ist aufgefallen, dass Kim Cremer in seiner damaligen Situation nicht nur schlecht laufen würde. „Er war derjenige der mir sagte, dass ich mit diesen Schuhen nicht so würde laufen können, um wieder ein Maß an Lebensqualität zurückgewinnen zu können“, erklärt Cremer. Die beiden Männer kamen am Pool schließlich ins Gespräch.
„Ich habe das gesehen und dachte mir, dass auf Dauer der Rücken kaputt geht und auch das andere Knie. Und dann ist die Mobilität komplett weg. Bevor es so weit kommt, muss man schauen, dass die Statik wieder in gesunde Bahnen gelenkt wird“, erinnert sich Sascha Gevelhoff. Und um dieses Ziel zu erreichen, muss das unbewegliche Teil vom Körper entfernt werden. Mit dem Gedanken einer Amputation spielte Kim Cremer ohnehin schon eine ganze Weile.
Kim Cremer ließ sich den Unterschenkel amputieren
Nach einer weiteren Schmerz- und Physiotherapie entsprachen die Ärzte schließlich Kim Cremers Wunsch, den linken Unterschenkel zu amputieren. Im Sommer vergangenen Jahres war es dann soweit: „Für mich waren selbst die Schmerzen direkt nach der Amputation geringer, als die Schmerzen, die ich vorher hatte. Zunächst war es etwas schwierig, nur mit Krücken zu laufen“, erzählt der 32-Jährige.
Bereits im Herbst nach der OP stand er im Sanitätshaus Köppchen auf der Matte. Gemeinsam mit Sascha Gevelhoff wurde eine Prothese nach der anderen durchprobiert, gemessen, angepasst, bis man das geeignete Exemplar fand. Mit jedem Schritt erkämpfte sich Kim Cremer so sein Leben zurück. Und das frei von Schmerzen.
Als nächtes wird eine Laufprothese angepasst
Schließlich benötigte der Vater von drei Kindern auch keine Gehhilfen mehr. Inzwischen macht er sogar mehr Sport, als das vor dem Unfall der Fall war. „Vorher konnte man sich ja auch mal hängenlassen, was einem der Körper ja jetzt gar nicht mehr erlaubt. Aber ich brauche die körperliche Betätigung inzwischen auch“, freut sich Cremer. Die Amputation hat er zu keinem Zeitpunkt bereut. Den nächsten Schritt plant er inzwischen auch schon.
Gemeinsam mit Sascha Gevelhoff testet er eine so genannte „Lauffeder“. Dabei handelt es sich um eine Lauprothese für Sportler, mit der man sogar sprinten kann. „Wir haben auch schonmal gut vier Stunden hier gehockt und alles noch einmal durchprobiert“, macht Orthopädietechniker Gevelhoff deutlich. Mühen, die sich für Kim Cremer gelohnt haben.