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Kurzweilige Reise durch 100 Jahre Zeitungsmeldungen

Schorsch Wenke nahm die Zuhörer mit auf eine Reise durch 100 Jahre Zeitungsmeldungen. In kurzweiligen Anekdoten gab es Interessantes und Amüsantes aus früheren Zeiten. Oder doch von heute? (Foto: © Martina Hörle)

Schorsch Wenke nahm die Zuhörer mit auf eine Reise durch 100 Jahre Zeitungsmeldungen. In kurzweiligen Anekdoten gab es Interessantes und Amüsantes aus früheren Zeiten. Oder doch von heute? (Foto: © Martina Hörle)

SOLINGEN (mh) – Am Donnerstag ging es mit Hans-Georg „Schorsch“ Wenke (*1948 in Solingen) auf eine kurzweilige und interessante Reise durch die Zeit. „Es ist die dritte Veranstaltung in unserer Reihe Kulinarische Geschichten“, begrüßte Museumspädagogin Dagmar Thiemler vom Industriemuseum die Gäste. „Im heutigen Vortrag geht es um Anzeigen, in denen die ganze Spannbreite – vom möblierten Herrn bis zum fetten Fohlenfleisch – abgedeckt wird. Ich habe mich allerdings geweigert, fettes Fohlenfleisch mitzubringen. Stattdessen gibt es Kuchen.“ Niemand erhob Einwände.

Möblierter Herr und fettes Fohlenfleisch

Gleich zu Beginn des Vortrages staunten die Zuhörer über die Vielzahl der früheren Zeitungen, unter anderem das Solinger Kreis-Intelligenzblatt und den Generalanzeiger. Die Inserate nötigten manch einem mehr als ein Schmunzeln ab. Wenkes Schilderungen enthielten umfassenden geschichtlichen Hintergrund, in nette Episoden verpackt. Reich an Aphorismen und Wortspielen stellte der Redner Vergleiche zwischen der „guten alten Zeit“ und der Gegenwart an. Er begleitete seine Schilderungen mit zahlreichen Bildern aus dem frühen Solingen. Vieles war kaum wiederzuerkennen, manches nostalgisch verklärt. Doch nichts, was es nicht schon früher gab, egal, ob Billigläden, Werbeversprechen oder Verkaufsstrategien. Medial etwas anders aufgemacht, aber im Inhalt gleich. Und mit Medien kennt sich der bekennende Multimedianer aus.

Zahlreiche Zeitungen brachten Inserate vom möblierten Herrn bis zum fetten Fohlenfleisch. Man suchte tüchtige Mädchen für die Hausarbeit und anständige Leute als Mieter. (Foto: © Martina Hörle)

Schon früh hat Wenke beruflich mit dem Internet gearbeitet. „Alles, was ich an Unterlagen und Büchern über Solingen habe, ist dort eingestellt. Nachzulesen auf Solingen-Internet.de. Darunter mindestens 10.000 Fotos.“ Wenke sagt von sich selbst, er habe wohl den größten Solinger Fundus außerhalb der offiziellen Geschichtsvereine.

„Dabei geht es mir weniger um die Dokumentation, mehr um die Menschen dahinter. Auch meinen heutigen Vortrag kann man eine historische Geschichtenerzählung nennen.“ Das Vortragen macht ihm unglaublich viel Spaß, gibt er zu. „Ich bezeichne mich immer als Rampensau.“

Wenke ist gelernter Schriftsetzer und Dipl. Ingenieur für Druckereitechnik, Chefredakteur und Fachjournalist für Medien-Industrie und noch einiges mehr. Nachdrücklich weist er darauf hin, dass er kein Drucker sei, sondern ein Handsetzer. Und erläutert in diesem Zusammenhang auch gleich den Begriff des Schweizerdegens: „Ein Schweizerdegen ist ein Mann, der setzen und auch drucken kann.“

Assoziationen von früher zu heute

Kreativ verband der Journalist gedanklich den damaligen Lieferservice im Pferdewagen mit dem heutigen „Lieferando“. Er zeigte Lohnzettel, die noch viele kannten. „Wenn es Lohn gab, stand die Frau bei Feierabend am Fabriktor, bevor der Mann in die Kneipe ging.“ Mit solch netten Anekdoten vergingen 100 Jahre wie im Flug. Mit Annoncen, Reklame & Zeitungsmeldungen ließ er vor den Augen der Besucher ein Bild von Solingen vor 100 Jahren entstehen.

Wenke erzählte von den Geschäftsleuten, die sich schon früh einen Namen gemacht haben – einen Namen, den man heute noch kennt. So wie die Kolonialwaren-Handlung Carl Meis und Tückmantel mit seinem „Schreib- und Luxuspapier“. Auch Löhmer’s Edelkaffee ist heute noch ein Begriff. Der Heimatforscher berichtete vom kunterbunten Städteleben, vom Kaiserreich, Pferdewagen, der 6-Tage-Woche und braven Mädchen. Doch zeigte er auch das Leben fernab von Luxus, ein Leben voll Arbeit und Entbehrung.

Geschickt jonglierte der Moderator mit Worten, schuf interessante Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Fazit: „Alles war schon mal da.“ (Foto: © Martina Hörle)

Die Bilder vermittelten einen Eindruck von der Situation der schwer arbeitenden Leute. Sie zeigten den Wunsch, aus der Enge und dem Schmutz herauszukommen. Das machte sich die Werbung zunutze. Es gab ein großes Spezial-Geschäft für elegante bessere Herren- und Knaben-Kleidung. Signal: „Wenn du hier kaufst, bist du jemand.“

Sensationen wie „Die Rad-Rennfahrt im Höllenkessel“, eine Aufführung der Rennfahrer-Truppe Ebeling vom Düsseldorfer Apollotheater, erinnerte in ihrer reißerischen Aufmachung an heutige Ankündigungen. In Kleinanzeigen suchte man anständige Leute als Mieter oder brave Mädchen für Haushaltsarbeiten. Vorträge gaben wertvolle Informationen „zur Entstehung von Frauenleiden vor und während der Ehe.“ Man kannte verkaufsoffene Sonntage, Hochwasser und das Oktoberfest. Die Rabattmarken heißen heute Payback.

Gleiches immer wieder neu

Oft fragen wir uns, warum Weihnachtsartikel heutzutage so früh in den Handel kommen. Doch schon früher hieß es: „Weihnachten beginnt Anfang November.“ Die Wühltisch-Mentalität war reichlich vorhanden. Heute müssen es die neuesten Elektrogeräte, Handys, Tablets sein. Palenschat warb schon vor zig Jahren mit dieser Technik-Verrücktheit. Man empfahl die neuesten Sprech-Apparate, die neuesten Platten, die neuesten Mundharmonikas.

Immer wieder stellte der Zuhörer fest, dass alles schon mal dagewesen ist. Angepasst an die heutige Zeit, mit anderem Namen versehen und doch das Gleiche, sei es Outsourcing oder Nahrungsergänzungsmittel.

Bleibt noch die Überlegung, was wohl in 100 Jahren als neu gelten wird.

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