SOLINGEN (red) – Am Donnerstag weihten Staatssekretär Daniel Sieveke (Heimatministerium NRW), Oberbürgermeister Tim Kurzbach und Dr. Erik Werdel, Kreisdirektor des Rheinisch-Bergischen Kreises, den neuen „Liewerfrauenweg“ und die Ausstellung zur Geschichte der Lieferfrauen und der Solinger Stahlwarenindustrie auf dem Gelände des Gründer- und Technologiezentrums (GuT) ein. GuT-Geschäftsführer Frank Balkenhol begrüßte die Gäste. Der rund 16 Kilometer lange Wanderweg beginnt im unteren Bereich des Gründer- und Technologiezentrums.
Neues Wahrzeichen des GuT in Solingen
Als neues Wahrzeichen des GuT steht jetzt eine Skulptur der Liewerfrau neben dem Eingang zur Ausstellung. Zehn Informationstafeln zu Kotten, Hofschaften, Wasserburgen und ähnlichen Themen begleiten den Weg. So erfahren die Wanderer, dass es im 19. Jahrhundert eine Firma „Birmingham“ in Solingen gab und was das mit „Made in Germany“ zu tun hat.
Als Lieferfrauen (mundartlich: Liewerfrauen) bezeichnete man in Solingen Frauen, die Klingen- und Scherenteile zwischen den Kontoren der Stahlwarenkaufleute und den Schleifwerkstätten an den Bächen und der Wupper hin- und hertrugen; in der Regel in einem großen Korb auf dem Kopf. Meist handelte es sich um die Frauen und Töchter der Schleifer oder anderer, an der Stahlwarenfabrikation beteiligten Handwerker. Bis in die 30er-Jahre des 20. Jahrhunderts waren die Lieferfrauen im Solinger Stadtgebiet unterwegs.
„Liewerfrauenweg“ und eine Dauerausstellung
Bis zu drei Stunden dauerten die Märsche, bei denen sie rund 100 Höhenmeter bewältigen mussten; je nach Schneidwarenart wogen die Körbe 15 bis 25 Kilogramm – ein heute kaum noch vorstellbarer Kraftakt. Der in beiden Richtungen ausgeschilderte und gekennzeichnete Wanderweg zeichnet symbolisch die Transportwege dieser Frauen zwischen Schleifereien und Kaufmannskontor nach. Er verbindet als Rundweg die ehemalige Stahlwarenfabrik im Stadtteil Höhscheid mit dem 400 Jahre alten Wipperkotten an der Wupper.
Im GuT hat sich außerdem das „Lieferkontor“ der Firma Herder erhalten, in dem die Arbeiten der Heimarbeiter entgegengenommen wurden. Das Kontor hat eine neue, zeitgemäße Dauerausstellung erhalten und dient als Besucherzentrum und Willkommensort für Touristen, Wanderer und alle, die sich für die Solinger Geschichte interessieren.
Historische Fotografie der Lieferfrau Anna Faust
Wanderweg und Ausstellung im Lieferkontor sind aus Mitteln des NRW-Heimatzeugnis gefördert worden. Das finanzielle Gesamtvolumen des Projekts betrug rund 312.000 Euro, von denen das Land NRW 90 Prozent trägt (rund 281.000 Euro). Vor dem Treppen-, bzw. Rampenaufgang zum Eingang steht die Skulptur der Solinger Lieferfrau, als Erkennungszeichen, als Landmarke und als Hinweis auf den Beginn des Weges und die Ausstellung.
Vorbild der eher abstrahierenden Gestaltung ist die historische Fotografie der Lieferfrau Anna Faust aus dem Jahr 1900. Die Ausführung wurde vom Solinger 3D-Druckspezialisten Excit3D vorgenommen. Excit3D ist im Jahr 2017 im GuT gegründet worden und hat das Thema 3D-Druck in Solingen erfolgreich etabliert. Die Skulptur erzählt daher eine Geschichte vom Strukturwandel der Solinger Industrie, der durch das GuT am Sitz der alten Firma Herder gefördert und unterstützt wird.
Kurzbach: „Solingen ist durchaus ein Wanderparadies“
Oberbürgermeister Tim Kurzbach: „Solingen ist mit 400 Kilometern markierten Wanderwegen durchaus ein Wanderparadies, aber ein thematischer Wanderweg, ein Weg, der eine Geschichte erzählt, der fehlte uns bisher noch. Kaum ein Mensch wusste, was es mit dem Lieferkontor im Gründerzentrum auf sich hatte. Unsere Stadt ist an vielen Stellen wie ein Freilichtmuseum, und wer dem Liewerfrauenweg folgt, kann die historische Entwicklung unserer Stadt nachvollziehen – von der ländlichen Hofschaft mit den uralten Fachwerkhäusern über die Gründerzeitbauten bis zur modernen Spar- und Bauvereinssiedlung aus der Zeit der Weimarer Republik. Ich danke allen, die geholfen haben, dieses Wanderwegeprojekt zu realisieren und wünsche dem Weg und dem Lieferkontor viele interessierte Besucherinnen und Besucher. Die Solinger Liewerfrauen waren zu ihrer Zeit unentbehrlich, aber sind kaum jemals dafür auch bezahlt worden. Ihre Arbeit war Teil der Heimarbeit; Familienarbeit nennen wir das heute. Sie haben es verdient, dass an ihre Leistungen für die Solinger Stahlwarenfabrikation erinnert wird.“
Öffnungszeiten des Lieferkontors
Donnerstag, Samstag, Sonntag 10.30 bis 14 Uhr
Wanderweg und Lieferkontor im Internet