SOLINGEN (bgl) – Im April 2025 war das Ende der Firma Borkott mit Sitz an der Wuppertaler Straße in Gräfrath eigentlich schon besiegelt. Die Insolvenz lief, die Liquidität war aufgebraucht, die Belegschaft auf das Schlimmste vorbereitet. „Ende April sollte dicht sein“, erinnert sich Ömer Ünsal. „Zwei Tage vor Fristende haben wir mit dem Insolvenzverwalter gesprochen – und ihn überzeugt, uns noch einen Monat zu geben.“
Eine Entscheidung in letzter Minute
Ünsal, 36, geboren und aufgewachsen in Solingen, hat seine ersten Arbeitstage bei Borkott als Schülerpraktikant verbracht. Heute ist er Geschäftsführer und Miteigentümer der neuen Borkott Industries GmbH, die am 1. Juni 2025 den Betrieb übernahm. Gemeinsam mit seinen Partnern Zülküf Yagir und Turan Yagir, Brüder aus einer Solinger Industriellenfamilie, gelang ihm ein Neustart in letzter Minute. „Wir wollten den Namen erhalten, weil er hier Gewicht hat“, sagt Ünsal. „Aber mit Industries zeigen, dass etwas Neues beginnt.“
Seit der Übernahme wurde kein Bereich unangetastet gelassen. Ünsal und sein Team starteten eine Modernisierung, die von Grund auf gedacht war: betriebswirtschaftlich, technisch und kulturell. „Wir haben wirklich jeden Posten, jede Schraube überprüft, vom Stromzähler bis zum Werkzeug“, sagt er.
Neue IT-Infrastruktur und modernes Warenwirtschaftssystem
Zuerst wurden die Hallen instandgesetzt, die Beleuchtung auf LED umgestellt, der Maschinenpark gewartet und defekte Anlagen repariert. Parallel dazu investierte Borkott in eine neue IT-Infrastruktur und ein modernes Warenwirtschaftssystem, das nun die gesamte Produktion und Kalkulation digital abbildet. „Die Transparenz im Betrieb war früher ein Problem. Heute sehen wir auf Knopfdruck, was wo läuft, was Material kostet, welche Aufträge profitabel sind“, erklärt Ünsal.
Hinzu kamen eine ISO-Zertifizierung, die das Unternehmen innerhalb weniger Monate erreichte und die Einführung einheitlicher Arbeitskleidung. Für den Borkott-Chef ein Symbol: „Wir wollten, dass hier wieder Struktur und Stolz sichtbar sind.“ Mit dieser Mischung aus technischem und organisatorischem Pragmatismus war es dem neuen Team möglich, wieder Vertrauen zu schaffen. Bei den Mitarbeitern ebenso wie bei den Kunden. „Viele Kunden hatten gezögert, weil sie nicht wussten, wie es weitergeht. Heute sehen sie, dass hier wieder produziert wird: zuverlässig, pünktlich und sauber“, freut sich Ünsal.
Erfahrung und Know-how trifft Unternehmergeist
Neben Ömer Ünsal und den Brüdern Yagir spielt Ulrich Plütsch eine Schlüsselrolle. Er war lange Jahre Leiter für Kunststofftechnik, Werkzeugbau und Anwendungstechnik bei Borkott. Nach seiner Pensionierung holte Ünsal ihn als Berater zurück. „Ich wollte eigentlich nur stundenweise helfen“, sagt Plütsch, „jetzt bin ich wieder voll da.“
Er bringt das Wissen über Werkzeuge, Materialien und Fertigungsprozesse mit, das Borkott über Jahrzehnte geprägt hat. „Wir waren immer ein Unternehmen, das präzise Teile liefern konnte, wenn andere gescheitert sind. Das holen wir gerade zurück“, sagt er. Unter seiner Mitwirkung wurde der Werkzeugbau neu organisiert, Laufzeiten und Toleranzen überprüft, Formen modernisiert und Prozesse standardisiert. Plütsch hat die Produktionskette auf Effizienz getrimmt – vom Stanzteil über das Kunststoffspritzteil bis zur montagefertigen Baugruppe.
Ein sichtbares Zeichen für den Erfolg ist die Rückkehr von Wüsthof, einem international bekannten Solinger Schneidwarenhersteller. „Wir haben ein Projekt umgesetzt, das der Mitbewerber nicht hinbekommen hat“, erzählt Plütsch. „Jetzt ist Wüsthof wieder Kunde – und das spricht sich herum.“
Bei Borkott weht der Geist des Neuanfangs
Die Belegschaft spielt dabei eine zentrale Rolle. Rund 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter blieben nach der Insolvenz – viele von ihnen seit Jahrzehnten im Betrieb. „Dieses Know-how ist Gold wert“, macht Ömer Ünsal deutlich. „Die Älteren bringen Erfahrung, die Jüngeren Tempo. Und das funktioniert erstaunlich gut.“
Er selbst, der einst als Praktikant im Unternehmen angefangen hat, kennt die Menschen und ihre Geschichten. Sein Vater arbeitet seit mehr als 30 Jahren als Bilanzbuchhalter bei Borkott. „Das hier ist Familie für viele und das spürt man. Wir haben die Chance, etwas, das fast verloren war, wieder aufzubauen.“ Der Mix aus Erfahrung und frischer Energie zeigt Wirkung. Der Betrieb ist wieder ausgelastet, die Auftragslage stabilisiert sich, neue Projekte laufen an. Inzwischen bildet Borkott auch wieder aus.
Engagierter Unternehmer mit Solinger Wurzeln
Ünsal liegt der Standort Solingen am Herzen, wie er immer wieder betont. Nach einer Ausbildung zum Kaufmann für Bürokommunikation und einem Studium gründete er mehrere Unternehmen, unter anderem im Event- und Gastronomiebereich. Mit der „Endless Event GmbH“ betreibt er Veranstaltungsorte in Solingen und Wuppertal, daneben ein Handelsunternehmen für internationale Süßwaren.
Die Rückkehr in die Industrie war für ihn eine Herzensentscheidung. „Ich bin hier aufgewachsen, ich kenne die Leute, die Kultur, den Fleiß. Solingen lebt von seinen Betrieben – und wir wollten, dass diese Produktionskette nicht einfach abreißt.“
Ömer Ünsal: „Der Weg ist das Ziel“
Prognosen will Ünsal keine abgeben. Ihm geht es um Beständigkeit und saubere Strukturen. „Der Weg ist das Ziel“, sagt er. „Wir stabilisieren, wir wachsen kontrolliert, wir reden mit Kunden und Mitarbeitern, wir bleiben präsent.“ Sein Konzept scheint aufzugehen: Borkott arbeitet wieder profitabel, die Produktion läuft rund, neue Kunden kommen dazu. Für Ulrich Plütsch ist das Beste an der Entwicklung etwas anderes: „Die Leute haben wieder Spaß an der Arbeit. Man sieht es in den Gesichtern. Und das ist das wichtigste Zeichen, dass ein Unternehmen lebt.“
Vor Kurzem war auch die Solinger Wirtschaftsförderung zu Gast bei Borkott Industries. Beim Rundgang durch den modernisierten Betrieb informierten sich die Vertreter über die positive Entwicklung des Unternehmens und den erfolgreichen Neustart am Standort Solingen.
Borkott Industries GmbH
Wuppertaler Straße 90–92
42653 Solingen
Telefon: 0212 / 258 10-0
E-Mail: info@borkott.de
Web: www.borkott.de

