SOLINGEN (mh) – Gemeindemitglieder zeigen der Kölner Bistumsleitung die Rote Karte! Seit dem vergangenen Wochenende fordert die Gemeinde St. Sebastian mit einer umfangreichen Postkartenaktion die Aufklärung der zahlreichen Missbrauchsfälle der katholischen Kirche. „In der Gemeinde herrscht eine zunehmende Unzufriedenheit über diese Geschehnisse“, betont Andrea Heinz, ehrenamtliches Mitglied des Ortsausschusses Liebfrauen in Löhdorf. „Insbesondere das Verhalten der Bistumsleitung ist Anlass zu scharfer Kritik.“ Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand haben sich schriftlich an die Bistumsleitung gewandt, bislang aber ohne Antwort. Die innerkirchliche Aufklärung lässt zu wünschen übrig, so scheint es.
Unzufriedenheit mit der Bistumsleitung
Die vier Ortsausschüsse der Gemeinde St. Sebastian – Liebfrauen in Löhdorf, St. Mariä Empfängnis in Merscheid, St. Katharina in Wald und St. Josef in Ohligs – haben daraufhin eine Projektgruppe gebildet und eine Postkartenaktion ins Leben gerufen. Neben der schleppenden Aufklärungsarbeit gibt es noch weitere Kritik an den verkrusteten Strukturen der Kirche. In Form von Hashtags wurden zentrale Punkte, an denen oftmals Anstoß genommen wird, festgehalten. Man findet beispielsweise #schweigenaufbrechen oder #machtmissbrauchohneuns. Die Rückseite der Karte ermöglicht Gemeindemitgliedern, entweder die umseitigen Punkte mit ihrer Unterschrift zu bestätigen oder eigene Statements abzugeben.
Postkartenaktion: Gemeindemitglieder wollen gehört werden
„Wir wollen nicht mehr still sein“, bekräftigt Andrea Pohl. Sie ist ehrenamtliches Mitglied im Ortsausschuss St. Katharina in Wald. Wichtig sei, dass jeder die Möglichkeit eines Statements bekomme, um die eigene Meinung an einer Position vortragen zu können, die eventuell mehr Möglichkeiten hat, Veränderungen auf den Weg zu bringen. Den Gemeindemitgliedern sei mehr als deutlich anzumerken, dass sie eine Möglichkeit suchen, selbst aktiv werden zu können und ihre Stimme zu erheben. Die Postkarten seien dafür eine Art Ventil.
„Wir sind ja von dem, was in der oberen Kirche entschieden wird, immer selbst betroffen“, so Pohl. „Mehr und mehr Aufgaben werden an Ehrenamtler delegiert, aber ein Mitspracherecht besteht nicht.“ Man wolle keinen Stillstand mehr tolerieren. Heinz ergänzt: „Die Kirche muss sich an den gesellschaftlichen Wandel anpassen. Bisher ist alles zu langsam und schwerfällig.“ Dazu bekräftigt Pohl: „Die Kommunikation zu den Gemeinden wird schweigend übergangen. Entscheidungen von oben einfach zu diktieren ist in der heutigen Zeit nicht länger machbar.“
Delegation der Ortsausschüsse fährt nach Köln
Die Gemeindemitglieder wollen das Gefühl der Machtlosigkeit nicht länger akzeptieren. Vor allem die Verschwiegenheit in Zusammenhang mit dem Gutachten über den Missbrauch schürt den Unmut. „Viele unserer Gemeindemitglieder wollen sich nicht mehr vor anderen rechtfertigen. Da werden Fragen an uns herangetragen, warum wir noch in der Kirche bleiben, ob wir das überhaupt noch verantworten könnten“, erklärt Andrea Heinz. Man befände sich dauernd in einem Zustand der Rechtfertigung, ohne Mittäter zu sein.
Bereits am ersten Wochenende fanden 600 Karten interessierte Abnehmer. Daraufhin wurden noch einige hundert nachgedruckt. „Wir gehen zwar nicht davon aus, dass alle Karten zurückkommen werden“ so Andrea Heinz, „doch mit dieser Reaktion hatten wir nicht gerechnet.“ Man ist gespannt, wie das kommende Wochenende verlaufen wird.
Die Aktion dauert noch bis zum 14. März. Die Karten liegen werktags in St. Katharina, Liebfrauen und St. Mariä Empfängnis sowie im Pastoralbüro aus und können in die bereitstehenden Urnen oder Boxen eingeworfen werden. Während der Gottesdienste sind sie in den Kirchen erhältlich. Am 16. März fährt eine Abordnung aller vier Ortsausschüsse nach Köln, um die Ergebnisse dieser Aktion der Bistumsleitung zu präsentieren. Der Besuch wurde per Mail angekündigt. Eine Antwort ist bisher nicht erfolgt. Doch man fahre auf jeden Fall, so die beiden Ehrenamtlichen.
Postkartenaktion bis 14. März
„Ich hoffe, dass die Bistumsleitung daraus die richtigen Schlüsse zieht“, wünscht sich Andrea Pohl. Mitstreiterin Andrea Heinz ergänzt: „In den Köpfen der Bistumsleitung fehlt das Bewusstsein, was die Menschen an der Basis bewegt und was sie sich wünschen. Dabei sind sie doch der Kern. Ich erhoffe mir von unserer Aktion einen Anstoß zur Veränderung und zum Wandel.“ Denn immer mehr Menschen kehren der Kirche den Rücken, auch eine Form des Statements. Und verlorengegangenes Vertrauen bekommt man nur schwer zurück.