
SOLINGEN (bgl) – In Solingen wird Geschichte nicht mehr nur ausgestellt – sie wird erzählt, erlebbar gemacht und neu bewertet. Mit der neuen Dauerausstellung „ME FECIT SOLINGEN – Klingen : Stadt : Geschichte“, die seit Dezember 2024 zu sehen ist, und der im April 2025 eröffneten Kinderausstellung „Drache und Zauberschwert“ hat das Deutsche Klingenmuseum ein neues Kapitel aufgeschlagen. Es ist der sichtbare Beginn einer umfassenden Erneuerung, die inhaltlich, gestalterisch und strukturell weit über eine bloße Modernisierung hinausgeht.
Klingenmuseum wird schrittweise verwandelt
„Das sind die ersten Schritte der kompletten Neuaufstellung des Hauses“, sagt Museumsleiter Dr. Sixt Wetzler. „Unsere Dauerausstellung ist aus dem Jahre 1991 – immer noch sehr schön, aber trotzdem in die Jahre gekommen. Mein Team und ich sind jetzt dabei, das gesamte Haus zu verwandeln, Schritt für Schritt.“
Der erste Teil der neuen Dauerausstellung widmet sich dem Aufstieg Solingens zur Klingenstadt von internationalem Rang. Auf rund 300 Quadratmetern wird gezeigt, warum gerade hier ein Handwerk entstand, das seit Jahrhunderten Maßstäbe setzt – nicht nur technisch, sondern auch wirtschaftlich und gesellschaftlich. Die Besucher erfahren, wie Geografie, Rohstofflage, Wasserkraft, Spezialisierung und globale Handelsbeziehungen das Schicksal einer ganzen Region geprägt haben.
Atmosphäre, Projektionen, historische Kartenanimationen
Gestaltet wurde die neue Ausstellung vom renommierten Kölner Büro „fact and fiction“. Statt auf reine Objektpräsentation setzt man auf Räume mit Atmosphäre, Projektionen, historische Kartenanimationen und Hörstationen. Besonders eindrucksvoll ist eine großformatige, interaktive Wandprojektion des Bergischen Lands, auf der die Entwicklung der Produktionsorte, Transportwege und Wasserkraftnutzung im Laufe der Jahrhunderte animiert sichtbar wird. Besucher können nachvollziehen, wie sich Solingen zur Industriestadt mit Weltruf entwickelte.

Eine große Deckenvitrine zeigt 300 Schneidwerkzeuge aus aller Welt – von steinzeitlichen Messern über japanische Katanas bis hin zu chirurgischen Instrumenten der Moderne. Die neue Inszenierung legt besonderen Wert auf Kontext. Jedes Stück wird in seinen historischen und handwerklichen Zusammenhang gestellt – nicht als museale Trophäe, sondern als Teil einer größeren Erzählung.
Museum nähert sich alten Themen ganz neu
„Wir wollen es neu machen“, betont Wetzler. „Wir wollen uns den Themen und den Sammlungen auf ganz neue Weise nähern und dabei moderne Formen der Vermittlung nutzen.“ Dabei bleibt das Museum seinem Kern treu – aber mit einem neuen Blick auf das, was ein gutes Museum heute leisten muss.
„Wir sind ja selber alle Museumsgänger“, sagt Wetzler. „Und können uns die Frage ja selbst stellen: Wann gefällt uns ein Museum – und wie wollen wir die Inhalte vermittelt bekommen? Wenn man mit seiner Familie in ein Museum geht, stellt man sich die Frage: Wie muss es sein, damit es uns alle abholen kann?“
Fechten, Schmieden, Verstehen
Im Mittelpunkt stehen nicht nur die Objekte, sondern ihre Funktion. An einer digitalen Fechtstation können Besucher das Gewicht und die Balance verschiedener Schwerttypen nachempfinden. Diese sind freilich vollkommen stumpf. Eine Schmiedestation erklärt die Herstellung einer Klinge Schritt für Schritt – vom Rohling bis zur polierten Schneide. Hier wird Handwerk nicht nur erklärt, sondern fast schon sinnlich erfahrbar gemacht.
Dennoch müssen Kenner nicht auf Tiefe verzichten. „Man muss schon eine Balance finden“, betont Dr. Sixt Wetzler, der selbst leidenschaftlicher Fechter und Schwert-Fan ist. „In der alten Ausstellung ist einfach wahnsinnig viel Material mit sehr vielen Stücken, die für spezialisierte Sammler super sind, aber vielleicht Otto-Normal-Gäste etwas überfordern. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, eher weniger Stücke zu zeigen, diese aber besser zu vermitteln – und in einzelnen Räumen in Form von Schau-Depots den Besuchern die volle Breitseite zu zeigen.“ Dort gibt es Säbel, Degen und Schwerter in Hülle und Fülle zu sehen. Ohne besonders inszeniert zu werden.

Klingenmuseum: Magie und Handwerk für Kinder
Mit der Ausstellung „Drache und Zauberschwert“ hat das Klingenmuseum im April 2025 einen weiteren großen Schritt getan – diesmal für das junge Publikum. Die neue Kinderausstellung richtet sich an Kinder im Vor- und Grundschulalter und ersetzt das bisherige Kindermuseum, das nun zentral im Haupthaus integriert ist.
Im Rahmen eines begehbaren Märchens machen sich Kinder auf die Suche nach einem verschwundenen Zauberschwert, lösen Rätsel, treffen auf Tierfiguren und lernen dabei spielerisch das alte Handwerk kennen. Licht- und Toneffekte schaffen eine zauberhafte Atmosphäre, während Stationen wie ein rotierender Schleifstein, eine Schmiedeecke oder ein Umhangverleih für aktives Erleben sorgen.
Langfristig angelegte Erneuerung des Museums
Beide Ausstellungen markieren den Auftakt zu einer langfristig angelegten Erneuerung des Museums, die neben der inhaltlichen Modernisierung auch die technische Infrastruktur umfasst. Neue Klima- und Lichtsysteme, barrierefreie Wege, digitale Vermittlungsmöglichkeiten stehen ebenso auf der Agenda wie die Erschließung neuer Zielgruppen.
„Wir sind jetzt in den Vorbereitungen für die nächsten Schritte“, macht Dr. Sixt Wetzler deutlich. „In den kommenden Jahren werden wir uns dann den Bereichen im Museum annehmen, die noch nicht neugestaltet sind. Damit wollen wir unsere anderen wichtigen Standbeine der Sammlung präsentieren – die Schneidwaren aller Art und ganz wichtig natürlich die historischen Bestecke.“ Dafür wurden bereits Bundes-Fördermittel bewilligt.

Weltweit größte Sammlung historischer Bestecke
Ein ehrgeiziges Ziel, denn das Klingenmuseum beherbergt nicht weniger als die weltweit größte Sammlung historischer Bestecke. Ihre modernisierte museale Präsentation ist für das Jahr 2027 oder 2028 geplant – als weiterer Meilenstein der Gesamterneuerung.
Auch ein dritter Ausstellungsschwerpunkt ist bereits in Planung: „Wir planen darüber hinaus eine Ausstellung, wo wir die Geschichte des Klosters in Verbindung mit dem Stadtteil Gräfrath aufarbeiten und darstellen wollen“, kündigt Wetzler an. Damit soll nicht nur die Geschichte des Hauses selbst, sondern auch sein städtisches Umfeld stärker ins Licht gerückt werden.
Unterstützer der Ausstellung im Klingenmuseum
Wissenschaftliche Beratung und Unterstützung:
Ralf Rogge und Stadtarchiv Solingen
Förderberatung:
Martin Hückeler
Englisch-Lektorat:
Dr. Jacob Deacon, Ari Flavell
Ermöglicht durch:
- Freunde des Deutschen Klingenmuseums e. V.
- Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen
- Stadt Solingen, Strategiebereich EU- und Fördermanagement
- Nordrhein-Westfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege
- Stiftung Freunde des Deutschen Klingenmuseums
- Stadt-Sparkasse Solingen
- Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland
- Regionale Kulturförderung des Landschaftsverbandes Rheinland LVR
- Edda und Gerd Lux Stiftung
- Ulrike und Klaus Krebs Stiftung
Weitere Förderungen:
Ausstellungskatalog:
Gerd-Kaimer-Bürgerstiftung Solingen
Sammlung Online:
Museumsförderung des Landschaftsverbandes Rheinland LVR
Digitalisierung Fechtbücher:
WissensWandel. Digitalprogramm für Bibliotheken und Archive im Rahmen von NEUSTART KULTUR
Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien
Digitalisierung Exponate:
Deutsche Digitale Bibliothek im Rahmen von NEUSTART KULTUR
Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien