SOLINGEN (bgl) – In der Nacht von Samstag auf Sonntag jährte sich die Zerstörung der Solinger Synagoge an der Malteser Straße zum 81. Mal. In jener verhängnisvollen Nacht im Jahre 1938 hatten es Nationalsozialisten zunächst auf das jüdische Gotteshaus abgesehen – und später auch auf Menschen. Die Novemberpogrome waren von langer Hand geplant sowie detailliert durchorganisiert und nicht spontan, wie die Propaganda behauptete. Während der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wüteten SA und SS, oft in Zivilkleidung, manchmal ganz offen in Uniform, im ganzen Land, zerstörten dabei Synagogen, jüdische Geschäfte und brachen auch Privatwohnungen auf. So wie in Solingen, als bekannte Solinger Nationalsozialisten in die Wohnung des Journalisten Max Leven eindrangen und ihn vor den Augen seiner Familie erschossen.
Nationalsozialisten erschossen Max Leven
Zuvor brannte die Solinger Synagoge lichterloh, jenes majestätische Gebäude in der Solinger Innenstadt, das dort seit 1872 stand. Die Feuerwehr hatte, wie in vielen anderen deutschen Städten auch, die Anweisung bekommen, nicht zu löschen. Es ausbrennen zu lassen. Rund 400 meist jüdische Menschen starben deutschlandweit in jener Nacht. Die Novemberpogrome waren für die regierenden Nationalsozialisten ein Fanal. Der Übergang von der Diskriminierung hin zur Vernichtung jüdischen Lebens in Deutschland, später dann in ganz Europa. An all das erinnerten am Samstagabend mehrere Hundert Solingerinnen und Solinger, die sich zum Gedenken am alten Hochbunker an der Malteser Straße trafen. Jenem Ort, wo bis 1938 die Solinger Synagoge stand.
„Gut und richtig ist es, nicht nur zu verklären, sondern auch an sich ranzulassen. Denn es war nicht irgendwo, es steht nicht nur in Geschichtsbüchern. Es ist geschehen in Solingen. Real. Mörderisch. In Solingen, von Solingerinnen und Solingern, eine aufgepeitschte Masse“, erinnerte Oberbürgermeister Tim Kurzbach in seiner Ansprache. Auch heute müsse man wachsam bleiben. Auf sich selbst und seine Mitmenschen achten. Diskriminierungen würden langsam, manchmal schleichend beginnen. Auch und gerade in der Sprache. „Und dann wird aus den kleinen Nadelstichen Politik gemacht, Stimmen werden gesammelt und in Parlamente eingezogen. Nicht erkennend, welcher Sturm aufzieht“, so Kurzbach.
Mahngang zum Haus der Jugend
Mahnende Worte fanden auch Stadtdechant Michael Mohr, der für den Arbeitskreis Christlicher Kirchen (ACK) sprach, sowie Finn Grimsehl-Schmitz vom Jugendstadtrat Solingen. Leonid Goldberg, Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde Wuppertal, zeigte in seiner Rede auf, dass antisemitische Angriffe verbaler und auch körperlicher Art für jüdische Menschen im Deutschland des Jahres 2019 längst wieder traurige Realität seien.
„Gedenken ist wichtig. Wir müssen den Opfern Respekt erweisen, wir müssen diese tödlichen Ereignisse vor dem Vergessen bewahren. Aber noch vielmehr: Wir müssen aktiver dafür sorgen, dass sich solche oder ähnliche Dinge nicht wiederholen“, forderte Goldberg, der die Anwesenden dazu aufrief, stets Zivilcourage zu zeigen. Zum Abschluss des Gedenkens anlässlich der Novemberpogrome sprach Rabbiner Dr. David Vinitz ein Gebet. Anschließend fand ein Mahngang mit Kerzen zum Haus der Jugend statt, wo eine weitere Veranstaltung auf dem Programm stand.