SOLINGEN (mh) – Bea Kahl (*1962) entschloss sich nach ihrer Schulzeit zu einer Ausbildung als Erzieherin. Schon nach kurzer Zeit stellte sie fest, dass sie „damit nicht alt werden wollte.“ Nach einigen experimentellen Zeiten hatte es ihr das Handwerk angetan. „Ich wollte gerne mit den Händen arbeiten, kreativ sein.“ Ein weiterer Vorteil dieser Arbeit ist das schnelle Sichtbarwerden der Tätigkeit. Genau das hatte Kahl gesucht. „Es ist ein Handwerk, bei dem man eigene Ideen einbringen kann. Die Grob- und Feinmotorik sind gefragt“, erklärt die gebürtige Hildenerin. Sie arbeitet bevorzugt mit Filz und unterschiedlichen Strohsorten. „Hasen- und Kaninchenhaar lässt sich zu einer wirklichen guten Qualität verarbeiten.“
Kreative Ideen einbringen
Was fasziniert sie besonders? „Es ist das, was ein Hut mit den Menschen macht. Der Hut wirkt erst mit der richtigen Person darunter.“ Das hat sie auch an sich selbst festgestellt. „Ich hatte mir eine Mütze mit Schild vorne genäht“, schildert die Modistin ein nachhaltiges Erlebnis kurz vor Antritt der Lehre. „Als ich sie aufsetzte, war ich furchtbar enttäuscht. Trotzdem ging ich damit zur Schule. Ein Klassenkamerad setzte sie sich sofort begeistert auf. Und ich dachte nur ,WOW‘.“
Am liebsten kreiert sie Anlasshüte. „Das stellt mich immer vor eine besonders interessante und spannende Herausforderung.“ So hat sie für das kürzlich stattgefundene Steampunk-Festival im Südpark ein paar wirklich außergewöhnliche Modelle geschaffen. „Es kommt vor, dass eine Arbeit nicht sofort fertig wird. Ich habe zwar den Drang zum Fertigmachen. Aber manchmal muss ich mir das Werk mehrfach anschauen und auf mich wirken lassen. Da fehlt noch der letzte Kick. Irgendwann ist er da.“
Zu jedem Anlass der richtige Hut
Um diesen Beruf zu ergreifen, braucht es drei Jahre Ausbildungszeit. Dann darf man sich Modistengesellin nennen. Nach weiteren drei Jahren Gesellenzeit kann man sich auf die Meisterprüfung vorbereiten. „Ich musste damals einen Filzhut kopieren und einen Strohhut nach Bild anfertigen“, erinnert sich die Hutmacherin. „Dann konnte ich zwischen einer Abend- und einer Brautsache wählen, musste einen Schnitt selbst erstellen und noch weitere Arbeitsproben liefern.“
Seit 1998 ist Bea Kahl ehrenamtliches Mitglied im Meisterprüfungsausschuss für Modisten, bei der Handwerkskammer Aachen. Ihre Selbstständigkeit als Modistin hat sie 2004 aufgenommen. Im Frühjahr 2014 eröffnete sie ihr Atelier BeHaUpTungen in den Güterhallen im Südpark.
Seit 2014 in den Güterhallen
„Ich bin sehr glücklich in meinem Beruf“, strahlt sie. „Man wird nicht reich. Doch ich ziehe das Glücksgefühl und die Zufriedenheit aus meiner Arbeit.“ In ihrem Atelier finden Besucher etwas, das man nicht überall sieht. Massenware gibt es bei Kahl nicht, die meisten Stücke sind Unikate. Da werden Krawatten zu Damenhüten verarbeitet, Garnrollen und Maßband schmücken einen Zylinder. Gerne geht sie auf individuelle Kundenwünsche ein, sucht gemeinsam mit der Kundin oder dem Kunden das passende Modell zum persönlichen Outfit. Es muss aber nicht immer etwas Neues sein. Man kann auch Hüte auffrischen oder sich neue Futterbänder einnähen lassen. So brachte eine Kundin die Hüte ihres verstorbenen Vaters mit und ließ sie bei Bea Kahl zu Damenhüten umarbeiten.
Halbe Tage ist die Modistin für das Wuppertaler Theater tätig. „Hier entwerfe ich keine eigenen Modelle, sondern arbeite nach Ideen der Kostümbildnerin.“ Dabei werden ganz andere Anforderungen gestellt. Wie kann der Darsteller einen Purzelbaum mit Hut machen? Wie verhindert man, dass der Hut beim Tanzen vom Kopf fällt? Und wie zieht man ein Kaninchen aus einem Zylinder?
Bea Kahl löst auch diese Fragen. Nicht durch Zauberei, sondern mit Geschick, großer Kreativität und viel Liebe zu ihrer Arbeit.