SOLINGEN (red) – „Die Nähe hat mich unglaublich fasziniert“, strahlt Ingrid Eberhard, Bewohnerin in Bethanien. „Mit der Brille kriegt man viel mehr mit. Eine tolle Sache. Das hätte ich sonst gar nicht gesehen. Wir können ja nicht mehr so häufig unterwegs sein. Wenn man dann so einen kleinen Film bekommt, ist der Abend gerettet“, freut sie sich.
Die Seniorin gehört zum Entwicklungsteam, das gerade neue VR-Brillen gestaltet hat. Die Idee dazu hatte Petra Krötzsch vom Verein Lebensherbst, der sich um bedürftige und einsame Senioren in den Pflegeeinrichtungen kümmert. „ Bringen wir doch einfach die Welt zu den Heimbewohnern.“
Die Welt zu den Heimbewohnern bringen
Ältere Menschen, die nicht mehr mobil sind, erleben die Welt fast nur noch in den vier Wänden des Pflegeheims. So gerne würden sie noch einmal zu den Ausflugsorten von früher fahren und staunen, wie sich ihre Heimatstadt verändert hat. Oder wie sieht es in fernen Ländern aus? Und wie schön wäre es doch, einmal am Canale Grande in Venedig zu stehen, den Ausblick auf die Alpen zu genießen und noch vieles mehr.
Dank neuer Technologien wie Virtual Reality kann so ein Wunsch in die Tat umgesetzt werden. Als virtuelle Realität, kurz VR, bezeichnet man die Darstellung und gleichzeitige Wahrnehmung der Wirklichkeit und ihrer physikalischen Eigenschaften in einer in Echtzeit computergenerierten, interaktiven virtuellen Umgebung. Wer eine VR-Brille aufsetzt, hat für die Zeit der Benutzung den Eindruck, sich an einem anderen Ort zu befinden.
Mit dem diakonischen Werk Bethanien in Solingen fand man schnell einen aufgeschlossenen Kooperationspartner. Im Team mit den Mitarbeitern des Hauses und interessierten Heimbewohnern wurden die Anforderungen und Bedürfnisse festgestellt. Weder die technischen Bedienung noch die Inhalte sollten die Senioren überfordern.
Petra Krötzsch beauftragte das auf Virtual Reality spezialisierte Unternehmen EXCIT3D aus Solingen, eine VR-Lösung als Pilotprojekt für die Zielgruppe „Ältere, nicht mobile Menschen in Pflegeheimen“ zu realisieren.
Virtual Reality-Brille als Pilotprojekt
EXCIT3D entwickelte daraufhin eine Virtual-Reality-App mit 360 Grad-Videos und –Fotos, die in vier Kategorien auf die Vorlieben und Fähigkeiten der älteren Menschen zugeschnitten ist. Das Pflegepersonal kann anhand des Menüs das jeweils passende virtuelle Erlebnis für die Senioren auswählen:
Stufe 1 = ruhig (nur Fotos)
Stufe 2 = bewegte Umwelt (Videos, Foto-Touren)
Stufe 3 = Bewegte Umwelt + bewegter Heimbewohner (Videos)
Stufe 4 = aktiver Heimbewohner (mit Controller)
Da das Pilotprojekt in Solingen stattfindet, stammen die regionalen Schauplätze aus der Klingenstadt. Das Spektrum reicht von Autofahrten durch die Innenstadt von Solingen über Ausflüge zur Wipperaue bis zu Spaziergängen im Müngstener Brückenpark oder eine Fahrt über die Müngstener Brücke. So können die alten Menschen noch einmal ihre Heimatstadt erkunden und früher mit heute vergleichen. Was ist geblieben, was hat sich verändert? Erinnerungen an ehemalige Episoden werden ausgetauscht. Eine Spreefahrt in Berlin ist ebenfalls dabei. Auch Fernreisen sind mit den Virtual Reality-Brillen möglich. Die begeisterten Heimbewohner haben zahlreiche Ideen und Wünsche für weitere virtuelle Reisen.
„Die App lässt sich erweitern und modifizieren“, EXCIT3D-Geschäftsführerin Katrin Burkatzki erklärt, worauf es bei der Lösung ankam: „Man setzt die VR-Brille auf und landet mit zweimaligem Drücken der Controller-Knöpfe direkt in der Virtuellen Welt. Der Controller besitzt nur wenige Funktionen, das App-Menü ist einfach und übersichtlich gestaltet.“ Hier werden die Heimbewohner natürlich von der Mitarbeiterin der Pflegeeinrichtung unterstützt, die vorab eine Schulung erhalten. Bedienung, Pflege und hygienische Behandlung der Geräte sind praktisch und einfach zu erlernen.
Für die Finanzierung des Projekts stellte die Schirmherrin des Vereins Lebensherbst, die Schauspielerin Mariella Ahrens, den Kontakt zur Deutschen Postcode Lotterie her. Die Soziallotterie mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige Organisation mit dem Ziel, durch das Engagement ihrer Teilnehmer lokale Projekte aus den Bereichen Chancengleichheit, Natur- und Umweltschutz sowie sozialer Zusammenhalt zu fördern. 30 Prozent aus den Losverkäufen gehen als Förderbeiträge an gemeinnützige Projekte in der Nähe der Teilnehmer.
Soziallotterie fördert gemeinnützige Projekte
Mit 14.000 Euro unterstützte man dort gerne das Vorhaben. „Man stellt den Förderantrag online. Dann entscheidet ein unabhängiger Beirat, ob das Projekt gefördert wird“, sagt die für Presse und Kommunikation zuständige Postcode-Mitarbeiterin Liza Fiedler. Gemeinsam mit Kollegin Petra Rottmann übergibt sie den symbolischen Scheck an Mariella Ahrens und Petra Krötzsch. Dazu berichtet Rottmann: „Mariella Ahrens und ich haben uns auf einer Veranstaltung kennengelernt. Bei der Gelegenheit erzählte sie mir von dieser großartigen Idee. Wir freuen uns, dass dank unserer Lotterie-Teilnehmer in NRW das Projekt in Solingen realisiert werden konnte. Es ist schön zu sehen, wie sich die Senioren über das Gesehene austauschen, zusammen lachen und Lebensfreude zurückkehrt.“
Vor nunmehr 14 Jahren gründete Schirmherrin Mariella Ahrens den Verein Lebensherbst, der sich um zahlreiche Heime und Senioren in ganz Deutschland kümmert. „Es ist ein Herzensprojekt.“ Petra Krötzsch feiert in diesem Jahr ihr zehnjähriges Jubiläum als Geschäftsführerin des Vereins. Auch sie ist begeistert, wie viel Freude diese Brillen hervorrufen.
Einrichtungsleiterin Ingeborg Ochse hat die Brille ebenfalls ausprobiert: „Ein tolles Erlebnis“, schwärmt sie von ihrer Tour durch Solingen. „Es ist wunderbar, dass Frau Krötzsch bei uns nach einer Kooperation gefragt hat und wir das heute erleben dürfen.“ Die beiden Brillen bleiben jetzt dauerhaft in der Einrichtung. „Wir wollen sie auf unterschiedliche Weise in unserer Betreuungsarbeit einsetzen“, sagt Nicola Mainzer. Ihr obliegt die Leitung der sozialen Betreuung in Bethanien. Ideen für den Einsatz hat sie bereits genug. „Wir sind ja noch in der Erprobungsphase“, führt Petra Krötzsch an. „Es geht nicht nur darum, Action zu bieten. Auch Entspannung ist ein ganz wichtiger Punkt.“ Und dann betont sie: „Wir würden heute nicht hier sitzen ohne die Hilfe der Deutschen Postcode Lotterie. Dafür noch einmal unseren herzlichen Dank.“
Weitere Informationen zum Konzept der Soziallotterie unter www.postcode-lotterie.de