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SOLINGEN (bgl) – Wer sich mit der Geschichte der Diakonie Bethanien beschäftigt, begegnet unweigerlich den Diakonissen. Über mehr als ein Jahrhundert hinweg haben sie das Leben, die Strukturen und den Geist des Werkes geprägt. Ihre Schwesternschaft war ein Ort tiefer Verbundenheit, ihr Alltag ein Dienst an Gott und den Menschen. Und auch wenn die Zahl der Diakonissen mit den Jahren kleiner wurde, ist ihre Bedeutung im heutigen Bethanien allgegenwärtig.
Rund 480 Frauen gehörten im Laufe von 129 Jahren zur Schwesternschaft. Sie kamen aus unterschiedlichen Hintergründen, wählten jedoch denselben Weg: ein Leben in Gemeinschaft, geprägt von Pflichteinsatz, Bescheidenheit und einem festen Glauben. Die ersten Diakonissen arbeiteten in der Privatpflege, halfen in Haushalten wohlhabender Familien gegen Entgelt und unterstützten mittellose Menschen ohne Bezahlung. Aus dieser doppelten Ausrichtung entstand ein Verständnis von Diakonie, das sich nicht nur an Notlagen orientierte, sondern an der Haltung der Nächstenliebe. Sie lebten vor, was heute selbstverständlich scheint: dass helfende Berufe nicht nur Versorgung, sondern Beziehung bedeuten.
Eine Gemeinschaft, die Bethanien formte
In den frühen Jahren wuchs die Arbeit stetig. Neue Aufgaben kamen hinzu, Einrichtungen entstanden und die Diakonissen übernahmen Verantwortung in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Kindertagesstätten und sozialen Diensten. Die typische Brosche mit Kreuz, Anker und Herz wurde zum sichtbaren Zeichen ihrer Berufung. Viele von ihnen blieben ein Leben lang in der Gemeinschaft. Was sie verband, war nicht nur die Arbeit, sondern eine innere Überzeugung, die stärker war als jede organisatorische Struktur.
Diese Haltung prägte auch das Miteinander. Die Diakonissen verstanden sich als geistliche und praktische Stütze für das gesamte Werk. Sie pflegten, sie lehrten, sie begleiteten, sie trösteten. Ihr Einfluss reichte weit über die operativen Tätigkeiten hinaus. In vielen Erinnerungen früherer Mitarbeiter tauchen sie als konstante, zugewandte und verlässliche Persönlichkeiten auf, die Bethanien mitprägten und dem diakonischen Unternehmen eine identitätsstiftende Orientierung gaben.
Der Wandel einer Lebensform
Mit gesellschaftlichen Veränderungen, neuen Berufsbildern und einer zunehmenden Professionalisierung der Pflege veränderte sich auch der Weg der Diakonissen. Immer weniger junge Frauen entschieden sich für ein Leben in der Schwesternschaft. 1985 trat mit Schwester Hanna Dembowski die letzte junge Frau in die Gemeinschaft ein. Nachwuchs gibt es seither nicht mehr. Heute leben nur noch vier Diakonissen auf dem Gelände der Diakonie Bethanien in Aufderhöhe. Die Schwesternschaft als Lebensform geht damit ihrem natürlichen Ende entgegen.
Doch was bedeutet es für Bethanien, wenn eine tragende Säule der Geschichte verschwindet? Wie gelingt es, die diakonische Identität zu bewahren, ohne die sichtbare Präsenz derer, die sie über Jahrzehnte verkörperten?
Diese Fragen spielen in vielen Bereichen des Unternehmens eine Rolle. Sie tauchen in Ausbildungssituationen auf, in Gesprächen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, in der strategischen Weiterentwicklung und im Alltag der Einrichtungen. Sie berühren Themen wie Werte, Haltungen und Führung ebenso wie das Selbstverständnis einer modernen Diakonie.
Der Geist der Diakonissen bleibt lebendig
Wer heute mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Diakonie Bethanien spricht, spürt schnell, dass die Antwort nicht in einer nostalgischen Rückschau liegt. Vielmehr zeigt sich, dass das Erbe der Diakonissen längst in die DNA der Einrichtung übergegangen ist. Der Umgang mit Bewohnerinnen und Bewohnern, Patientinnen und Patienten, Kindern und Familien folgt einem Grundgedanken, der sich aus der Tradition speist: Menschen sollen begleitet werden, nicht nur versorgt. Es geht darum, ihnen mit Würde, Respekt, Aufmerksamkeit und Zeit zu begegnen.
Dieses Erbe ist im Alltag greifbar. Es zeigt sich in Situationen, in denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter innehalten, um zuzuhören. In Momenten, in denen Pflege nicht nur technisch korrekt, sondern mit Wärme ausgeführt wird. In Entscheidungen, bei denen nicht nur Prozesse zählen, sondern der Mensch im Mittelpunkt steht. Es sind diese Haltungen, die Bethanien zu einem besonderen Ort machen. Und sie gehen weit zurück auf die Arbeit der Diakonissen.
Ein Vermächtnis, das in die Zukunft weist
Um dieses Erbe sichtbar zu halten, hat die Diakonie Bethanien in diesem Jahr einen Film veröffentlicht, in dem sechs Diakonissen aus ihrem Leben erzählen. Er ist weniger Dokumentation als Vermächtnis. Die Schwestern berichten von ihrem Alltag, von ihrer Motivation und davon, was sie sich für die Zukunft wünschen. Sie erklären, wie Bethanien für sie Heimat geworden ist und warum ihr Weg nie nur Beruf, sondern stets Berufung war. Ihre Worte wirken nach und benennen, was vielleicht schwer in Strukturen zu fassen ist, aber entscheidend für das gesamte Unternehmen bleibt.
Matthias Ruf, Vorsitzender der Geschäftsführung, beschreibt es so: Die Haltung der Diakonissen sei „Mahnung und Antrieb zugleich“. Sie erinnere daran, wie viel aus eigenem Engagement entstehen kann. Und sie zeige, welche Grundlage erforderlich ist, damit moderne diakonische Arbeit heute Bestand hat.
Dankbarkeit und Verantwortung
Die Schwesternschaft wird eines Tages nicht mehr physisch präsent sein. Doch ihr Vermächtnis bleibt. Es bleibt in Form einer Haltung, die den Menschen sieht. In einer Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. In einer Kultur, die nicht von Hierarchien, sondern von Beziehungen lebt.
Die Diakonissen haben Bethanien gebaut und geprägt. Sie haben eine Idee von Fürsorge und Gemeinschaft in die Welt getragen, die heute aktueller ist denn je. Und sie haben ein Fundament gelegt, auf dem ein modernes diakonisches Unternehmen weiterbauen kann.
Was bleibt, ist Dankbarkeit. Und die Verantwortung, diesen Geist in der täglichen Arbeit spürbar zu halten.

