SOLINGEN (red) – Auf der Geburtsstation im Städtischen Klinikum müssen manchmal Abschiede gestaltet werden. Dann bietet Krankenhauspfarrerin Renate Tomalik ihre Unterstützung an. In guter Zusammenarbeit mit den Hebammen, Schwestern und Ärzten ermöglicht sie Raum, um zu trauern.
Eltern müssen sich verabschieden
Wenn Pfarrerin Renate Tomalik vorsichtig an die Krankenhaustür klopft, dann ahnt sie schon um das Leid, das sie dahinter erwartet. Hebammen, Krankenschwestern oder Ärzte haben die Seelsorgerin gerufen, um ein junges Paar zu unterstützen, das gerade sein ungeborenes Baby verloren hat. „Das sind besonders traurige Momente“, sagt Renate Tomalik. Dann trifft sie auf Eltern, die ihr Kind verabschieden müssen. Sie begegnet Schmerz und vielen Fragen. „Es ist mir wichtig, diesen Gefühlen Raum zu geben und die Trauer der Eltern ernst zu nehmen“, betont sie.
Früher gab es diesen Raum für Eltern, die ihr ungeborenes Kind verloren, nicht. „Man hat die Tiefe der Trauer nicht ausreichend ernst genommen“, weiß die Pfarrerin, „es wurde vergessen, dass Mütter und Väter auch zu ihren ungeborenen Kindern schon eine enge emotionale Verbindung aufbauen, in der so viel Liebe und Hoffnung liegt.“ Deswegen sei es so wichtig, diese viel zu früh verstorbenen Kinder willkommen zu heißen und sie gleichzeitig zu verabschieden.
Haarlocken, ein Foto und Hand- und Fußabdrücke
„Es hilft den Eltern nicht, wenn man ihnen sagt: Ihr könnt doch noch viele Kinder bekommen“, sagt Renate Tomalik aus langer Erfahrung, „sie trauern gerade um dieses eine Kind.“ Gemeinsam mit Hebammen, Krankenschwestern, Ärzten des Klinikums, Frauen aus Selbsthilfegruppen und der Klinikseelsorge wurde schließlich entwickelt, wie den Müttern und Vätern der nötige Raum gegeben werden kann, um angemessen zu Trauern und Abschied zu nehmen.
„Wir haben ganz bewusst gefragt: Was brauchen diese Eltern von uns?“ erzählt die Pfarrerin. Seitdem ist es möglich, bei Kindern, die in einem fortgeschrittenen Verlauf der Schwangerschaft starben und auf die Welt geholt wurden, Haarlocken abzuschneiden, ein Foto zu machen und Hand- und Fußabdrücke zu erstellen. Die Pfarrerin bietet eine Segnung an. „Und vor allem ermutige ich die Eltern, ihr Kind in den Arm zu nehmen“, sagt die Pfarrerin.
Kind wird im Weidenkörbchen zu den Eltern gebracht
Im ersten Schock und der großen Trauer hätten viele Eltern Angst davor – vor allem, wenn die Kinder erst wenige Monate im Bauch der Mutter wachsen konnten. „Diese Momente sind aber häufig sehr wichtig für die Eltern“, hat die Pfarrerin beobachtet. Das Kind wird in einem kleinen Weidenkörbchen zu den Eltern gebracht. „Wenn sie es wünschen, begleite ich die Eltern bei diesem Abschied“, sagt die Pfarrerin. Dann besucht sie selbst die kleinen Geschöpfe, bevor sie zu den Eltern gebracht werden.
Sie beschreibt den Müttern und Vätern, was sie erwartet und bereitet sie auf den Moment vor. „Ich sehe die Kinder an“, sagt die Pfarrerin, „und ich ermutige die Eltern, sich auch die Zeit dazu zu nehmen, die sie brauchen.“ Und die Seelsorgerin hat erlebt: „Viele Eltern sehen ihr Kind mit den Augen der Liebe an. Anfängliche Angst und Scheu können sich dann in einen unwiederbringlichen Moment verwandeln.“
Renate Tomalik lässt die Eltern nicht alleine
Auch danach lässt die Pfarrerin die Familien nicht alleine – sondern bietet weitere Begleitung an. „Ich wurde in diesen Situationen noch nie weggeschickt“, sagt sie. Denn viele Eltern erleben es in diesem Moment als Bereicherung, dass ihnen jemand zuhört, ihre Trauer aushält und sich ihren Fragen stellt. Manchmal würden Mütter in diesen Momenten das Thema Schuld ansprechen, weil sie das Gefühl haben, ihr Baby nicht haben halten zu können. Oft sind es quälende Gedanken, die die Eltern in diesen Momenten durchmachen.
Und während draußen der Krankenhausalltag weiterläuft, nimmt sich die Seelsorgerin dafür Zeit und hört zu – ohne Urteil und auch ohne endgültige Antworten. Sie lädt die Familien zu Gesprächen nach der Zeit im Krankenhaus ein, bietet die Teilnahme an der zweimal im Jahr stattfindenden Bestattung der im Klinikum frühverstorbenen Kinder an und vermittelt bei Bedarf auch weiter zu Beratungsstellen. „Auch, wenn ihr Baby gestorben ist, bleiben diese Menschen Eltern“, sagt Renate Tomalik, „das gehört ab nun zu ihrem Leben.“