SOLINGEN (mh) – Bereits im Mai sorgte der Weißdorn mit seiner Blütenfülle für großes Aufsehen. In vielen europäischen Ländern, wie England, Irland und Frankreich, spielt der Busch oder Baum eine besondere Rolle bei den Maifeierlichkeiten. Bei den Kelten symbolisierte er die große Göttin, die die aufblühende Natur verkörperte und sich beim keltischen Jahreskreisfest Beltane mit dem Sonnengott verband.
Jetzt zieht dieser bemerkenswerte Strauch, der zur Familie der Rosengewächse gehört, erneut alle Blicke auf sich, diesmal mit seinen wunderbar leuchtenden roten Beeren. Ihrer mehligen Konsistenz und dem hellen Fruchtfleisch, das ein bis drei steinharte Kerne umschließt, verdanken sie den Namen „Mehlfässchen“. Sie enthalten neben Flavonoiden diverse Mineralstoffe, wie Kalium, Kalzium, Phosphor, ätherische Öle und Bitterstoffe. Die Flavonoide schützen Zellen, Gerbstoffe wirken entzündungshemmend. Blüten, Blätter und Beeren können für die Zubereitung von Tee oder zum Herstellen einer Tinktur verwendet werden. Die Pflanze ist ein sanftes Naturheilmittel ohne Nebenwirkungen, das ohne Bedenken über einen längeren Zeitraum eingenommen werden kann.
Schon im Altertum war Weißdorn sehr geschätzt
Bereits im Altertum setzte man den Weißdorn bei einer Vielzahl von Beschwerden ein. Paracelsus, der berühmte Schweizer Arzt (1493 – 1541), stellte die besondere Auswirkung auf das Herz fest. Der deutsche Arzt und Botaniker Hieronymus Bock (1498 – 1554) verwendete die Pflanze bei Leibschmerzen. Im 19. Jahrhundert entdeckte der irische Arzt Green die positive Wirkung auf die Durchblutung des Herzmuskels und die Blutzirkulation im Körper. Nicht zuletzt war ebenfalls Sebastian Kneipp ein großer Anhänger des Weißdorns und betonte die außerordentliche Bedeutung eines gut funktionierenden Blutkreislaufs. 1990 wurde der Weißdorn zur Heilpflanze des Jahres gewählt. Ein Sprichwort weist auf die besondere Wirkung hin: „Der Weißdorn mit seinem Blüten und Beeren kann deinem Herz viel Kraft bescheren.“
Neben der Teezubereitung, die zu einem ruhigen Schlaf führen soll, eignet sich das Rosengewächs ebenso für die Herstellung eines Likörs als Stärkungsmittel für Herz und Nerven. In der Küche hat der Weißdorn schon lange seinen festen Platz, wie beispielsweise in einer leckeren Weißdorn-Kürbis-Suppe. Die Beeren, die als Wildobst gelten, ergeben trotz ihres relativ geringen Eigengeschmacks eine köstliche Marmelade oder Quarkspeise. Die Samen der Beeren lassen sich geschrotet wie Kaffee aufbrühen. Mit den aromatischen weißen Blüten verfeinert man Desserts und Eiscreme. Obendrein dienen sie als zauberhafte essbare Dekoration.
Der Weißdorn zeigt in unseren Gärten eine erstaunliche Anpassungsfähigkeit und hat keine besonderen Ansprüche an die Bodenbeschaffenheit. Er stellt ein wichtiges Gehölz für Vogelschutzhecken dar. Ein sonniger Standort sorgt für eine reiche Blütenentwicklung. Blattläuse und Gespinstmotten kommen zwar hin und wieder vor, schädigen die Pflanzen aber nicht ernsthaft. Gelegentlich können Pilzkrankheiten, wie die Rost- und Blattfleckenkrankheit, auftreten, ebenso der Echte Mehltau. Ein großer Feind ist der Feuerbrand, eine meldepflichtige Bakterieninfektion. Befallene Gewächse, erkennbar an schwarzbraun verfärbten Triebspitzen, müssen umgehend entfernt werden. Am besten sollte man sie verbrennen.
Blickfang mit weißen Blüten und roten Beeren
Im Volksmund nennt man diese erstaunliche Pflanze auch Schlafdorn, Hagedorn, Mehlbeere, Heckendorn, Zaundorn sowie Elfen- oder Feenbirne. Es heißt, dass eine Räucherung aus den getrockneten Beeren mit dem Elfen- und Feenreich verbindet. Überhaupt spielt der Weißdorn in unseren Volksmärchen eine viel größere Rolle, als es manchem von uns bewusst ist. Die Hecke, die sich um Dornröschens Schloss rankte, war aus Weißdorn. In seiner Mitte konnte man beruhigt schlafen, denn er galt als Schutz vor bösen Geistern.
Das Durchdringen einer Weißdornhecke half dabei, Krankheiten loszuwerden. Im Englischen nannte man das Märchen deshalb „Hawthorn Blossom“ (Hawthorn – Weißdorn). Bei Schneeweißchen und Rosenrot begegnen wir dem Weißdorn erneut. Selbst wenn hier von Rosenbäumchen die Rede ist und man sich dabei einen Rosenstock vorstellt, ist mit der Bezeichnung „Rose“ wieder der Weißdorn gemeint. Das Rosengewächs gibt es in weiß- und rotblühenden Sorten. Leider treffen wir die rotblühende Variante, auch Rotdorn genannt, heute nur noch selten an. Der Rotdorn galt als Symbol der Fruchtbarkeit, der Weißdorn sollte Freude spenden und Trübsinn vertreiben.
Viele weitere Mythen und Legenden erzählen von dieser Pflanze. Sowohl die Dornenkrone von Jesus als auch der Wanderstab des heiligen Josef sollen aus Weißdornholz hergestellt worden sein. Tristan und Isolde, so heißt es, haben sich nach ihrer Flucht im Weißdorn versteckt. Odin stach Brunhilde mit einem Weißdornstachel, worauf sie in tiefen Schlaf fiel. Merlin wurde von der Fee Viviane verzaubert und schläft bis in alle Zeiten unter einem Weißdornstrauch.
Weißdorn in Mythen und Märchen
Allerdings treibt der Aberglaube manches Mal wahrhaft kuriose Blüten:
Für die Bekämpfung von Warzen reibt man die betroffenen Stellen mit einer roten Nacktschnecke ein und spießt die Schnecke anschließend auf den Dorn eines Weißdorns. Zahlen über Heilungserfolge liegen allerdings nicht vor.