SOLINGEN (mh) – Nicht alles, was sticht, ist eine Distel. Doch die stachelige Schönheit sollte in keinem Blumenbeet fehlen. Häufig wird sie als Unkraut angesehen und erbarmungslos ausgerissen. Doch damit tut man ihr Unrecht. Sie hat nicht nur wunderschöne Blüten, manchmal etwas bizarr, aber durchaus reizvoll, obendrein ist sie außerordentlich robust und genügsam. Auch außerhalb ihrer Blütezeit ist sie optisch ein Gewinn. Einen ausdrucksstarken Anblick bietet sie im Winter, wenn der Frost zu Gast ist. Dann wirkt sie wie eine eisige Skulptur.
Bizarr und eigenwillig
Die pflegeleichte Pflanze ist aber nicht nur optisch eine Augenweide. Ihre Blüten ziehen Insekten und Schmetterlinge an wie ein Magnet. Sie sind reich an Nektar und eine ergiebige Futterquelle, nicht nur für Bienen, sondern auch für viele andere Nützlinge. Schmetterlingsraupen ernähren sich von den Blättern. Die hohlen Stängel dienen Insekten in der kalten Jahreszeit als Unterschlupf. Vor allem der Stieglitz liebt diese Pflanzen, vorzugsweise Kratz- und Eselsdisteln. Sie sind seine Hauptnahrungsquelle. Mit seinem langen Schnabel zieht er die Samen aus der Blüte. Nicht umsonst nennt man ihn Distelfink. Der Distelfalter teilt die Vorliebe für die Kratzdistel.
Die Distel zeichnet sich durch ihre Vielfältigkeit aus. Manche von ihnen kommen als Staude jedes Jahr wieder, andere dagegen haben nur eine kurze Lebensdauer. Doch in vielen Fällen säen sie sich selbst aus und sorgen auf diese Weise für ihren Fortbestand. Man zählt rund 450 verschiedene Arten. Dabei ist jede auf ihre Weise ein aparter Anblick. Das Stahlblau der Edeldistel ist ein wirkliches Highlight. Die Blütenköpfe tragen einen stacheligen Blätterkranz. Andere Arten präsentieren ihr silbriges Laub oder, wie die Elfenbeindistel, silbrige Blüten. Besonders reizvoll sind die Blütenbälle der Kugeldisteln. Die rosafarbene Mariendistel punktet mit ihren grün-weiß gesprenkelten Blättern. Der Legende nach stammen die weißen Punkte von der Milch der Mutter Gottes.
Rund 450 verschiedene Arten
Doch die Mariendistel kann noch mehr. Schon seit alters her ist sie sowohl Nutz- als auch Heilpflanze. Ihre Blätter, Blüten und Wurzeln sind essbar. Der Samen enthält den Wirkstoff Silymarin, der häufig Anwendung bei Leberbeschwerden findet. Aus den Samen der Färberdistel wird das Distelöl gewonnen. Es ist reich an Vitamin E und ungesättigten Fettsäuren. Andere Teile, wie beispielsweise die Wurzeln der Silberdistel dagegen, sind giftig. Dafür aber kann die Silberdistel das Wetter vorhersagen. Kündigt sich schlechtes Wetter an, hält sie ihre Blüten geschlossen. Übrigens gehört auch die Artischocke zu den Disteln. Ursprünglich war auch sie eine wilde Distel, bis sie sich durch Kreuzungen zu der uns heute bekannten Pflanze entwickelte.
In der Floristik ist das ungewöhnliche Gewächs als dekoratives Element in Sträußen oder Gestecken sehr beliebt, sei es nun in frischen Gebinden oder farbig eingesprüht als Trockenblume. Auch in der Heraldik stößt man wiederholt auf die Distel. Wie die Rose und die Lilie taucht sie in verschiedenen Wappen auf. In Schottland gilt sie als Nationalblume. In der Symbolik der Blumensprache gilt sie als Symbol der Wehrhaftigkeit.
Nationalblume von Schottland
2019 wurde die Distel vom Bund deutscher Staudengärtner zur Staude des Jahres gewählt. In der Literatur hat sie schon lange ihren festen Platz. Leo Tolstoi schrieb über sie in seiner Novelle Hadschi Murat. Der Heide- und Liederdichter Hermann Löns (1866 – 1914) verewigte sie in seinem Gedicht „Die Distel“. Und der große Märchendichter Hans Christian Andersen erzählte auf seine unnachahmliche Art: „Was die Distel erlebte“.