SOLINGEN (mh) – Lothar Ruthmann, der im Rahmen des city-art-projects in einer der Eckgalerien am Mühlenplatz (Clemens-Galerien) ausstellt, hat immer wieder wechselnde Künstler in seiner Galerie zu Gast. Derzeit präsentieren Christian Holtwick und Sebastian Faure einen Querschnitt ihrer Arbeiten, die kaum unterschiedlicher sein könnten.
Leuchtende Acrylfarben fließen in unverwechselbaren Kreisen und geschwungenen Windungen über die Leinwand und zeigen einzigartige Muster und Farbeffekte. Filigrane Wellen, die aussehen, als seien sie mit einem hauchdünnen Pinsel gezeichnet, mischen sich mit breiten Farbringen. Wieder andere erinnern an eine grobe Zellstruktur oder die Haut einer Echse.
Christian Holtwick lässt Farben fließen
Erst seit diesem Frühjahr befasst sich Christian Holtwick mit dem Acryl oder Acrylic Pouring, einer Acrylfließtechnik. In Wiescheid bei der Wasserburg fand er beim Spaziergang mit seiner kleinen Tochter einen Wupperstein, der in dieser Technik gemalt war. „Wir waren ganz begeistert“, erzählt Holtwick und beschreibt die tolle Maserung und die Zellen auf dem Stein. „Auf der Rückseite stand der Name der Künstlerin. Ich habe über die sozialen Medien Kontakt mit ihr aufgenommen.“ Mit Erfolg. Kaum hatte Holtwick den Namen der Technik erfahren, beschaffte er sich Bücher, schaute sich Videos an und begann intensiv und mit viel Freude zu experimentieren.
Bei dieser Technik wird Acrylfarbe fließfähig gemacht und dann auf eine Leinwand aufgetragen. Hier lässt man die Farben ineinanderfließen. Charakteristisch sind die vielen Zellen, die sich dabei bilden. Es gibt zahlreiche verschiedene Techniken beim Pouring. Dirty Pour Technik, Swipe Technik, String Technik oder auch Dutch Pour Technik sind nur einige dieser vielseitigen, kombinierbaren Varianten. Die Ergebnisse sind nicht reproduzierbar, jedes Stück ist ein Unikat.
Jedes Stück ein Unikat
„Beim Pouring ist learning by doing zwingend erforderlich“, beschreibt der Künstler seine Arbeit. „Planen kann man kaum. Die Farbe fließt über die Leinwand und lässt sich nur bedingt steuern.“ Das Experimentieren ist spannend und die Ergebnisse oftmals wirklich überraschend. Neben dem Testen der Verläufe hat der gelernte Zahntechniker viel mit Komplementärfarben gearbeitet. Doch seine Lieblingskombination besteht aus Lila und Grün.
Auf Formate hat sich Holtwick nicht festgelegt. Von 15 x 15 cm bis 60 x 80 cm, mal quadratisch, mal rechteckig, hängen Arbeiten an der Wand der Galerie. Daheim hat er sogar eine 100 x 120 cm große Leinwand in Arbeit. „Je größer der Keilrahmen, desto größer die Herausforderung“, beschreibt er die Schwierigkeit. „Die Farbe wird ja aufgegossen und dann das Bild nach allen Seiten geschwenkt.“ Die Werke sind aus reiner Acrylfarbe entstanden und später noch mit Firnis überzogen worden, wodurch die Farben an Intensität gewinnen.
Holtwick nutzt viele Materialien
Vor der Bilderwand liegen aufgereiht auf einer kleinen Holzbank vier Terrakotta-Kugeln. Die gleiche Technik, ein anderes Material, ein großartiges Ergebnis. Die Ideen entwickeln sich beim Entstehungsprozess, erklärt Holtwick. Dabei kommen die verschiedensten Materialien zum Einsatz, wie Strohhalme, Silikon, Krepptücher.
60 Darstellungen hat der Künstler bereits fertig. Die Werke tragen keine Titel. So bleiben dem Betrachter unzählige Interpretationsmöglichkeiten. Holtwick möchte sein Hobby auf jeden Fall weiter ausbauen und versucht sich jetzt zusätzlich an abstrakter Malerei.
Sebastian Faure betrachtet sich selbst als zeitgenössischer Künstler. In seiner Kunst befasst er sich vorwiegend mit Themen, die für ihn elementar wichtig sind und direkt unseren Planeten betreffen. Dazu gehören Klimawandel, Kapitalismus und Change Management. „Ich möchte mit meinen Arbeiten Emotionen zum Ausdruck bringen und darauf hinweisen, dass die Natur und nicht der Mensch im Mittelpunkt des Weltgeschehens stehen sollte. Der Mensch hat die Aufgabe, den Lebensraum von Pflanzen und Tieren zu schützen und zu bewahren.“
Sebastian Faures grüne Lebensphase
Faure nennt das seine grüne Lebensphase. Er hofft, mit seinen Kunstwerken diese ihm so überaus wichtige Botschaft transportieren zu können. „Ich möchte mit den abstrakten Malereien meine gesammelten Emotionen zum Ausdruck bringen, um andere Menschen zum Umdenken zu bewegen.“ Auf seinem Blog hat er sich intensiv dieser Thematik gewidmet. Seine Darstellungen tragen zwar richtungweisende Titel wie Horizon oder E-mobility, ermöglichen dem Betrachter aber trotzdem noch die Entwicklung eigener Gedanken.
In E-mobility vergleicht Faure die Automobilindustrie mit einem Aktienkurs, der nach oben schießt. Am höchsten Punkt ist die Weltkarte zu sehen. Ein roter Strich durchbricht den Kurs und soll verdeutlichen, dass es mittlerweile auch für die grüne Wirtschaft profitabel wird. „Wir müssen endlich umdenken“, bekräftigt Faure seinen Standpunkt.
„Gerade die jetzt herrschende Pandemie verstärkt den Wunsch nach Wandel“, ist der Künstler überzeugt und fordert Politik und Wirtschaft auf, aktiv zu werden und den Wandel zu unterstützen – Stichwort „Pariser Klimaabkommen“. Er selbst befasst sich schon seit Jahren mit nachhaltigen Materialien, die er auch in seine künstlerischen Arbeiten einbringt.
Zeit für den Wandel
Gerade hat er über Pashmin Art Consortia (Internationales Kultur- und Kunstzentrum) Kontakt mit China aufgenommen. Vom 15.03. – 15.05.2021 wird der international engagierte Künstler acht seiner Gemälde im Hong Art Museum Chongqing ausstellen.
Thema: Body of the Object AS/IN Art: European Art in Chinese Art Space
(Objektkörper wie in der Kunst: Europäische Kunst im chinesischen Kunstraum).
Kreativität kennt keine Grenzen und jedes Objekt hat Einfluss auf die Konstruktion und Erschaffung eines Kunstwerkes. Diese Ausstellung auf internationaler Ebene zeigt die Vielfalt der unterschiedlichsten Künstler aus China und Europa.
„Ich glaube, China ist absolut in der Lage, auf grüne Technologien umzustellen und kann somit als Vorreiter agieren. Deshalb möchte ich gerade an diese Riesennation meinen Appell richten, die Natur in den Vordergrund zu stellen. Hier kann ich eine enorme Anzahl von Menschen erreichen.“
Sebastian Faure hat schon seit seiner Kindheit einen Hang zum Künstlerischen. Während der Schulzeit befasste er sich unter anderem mit dem Bearbeiten von Ton und der Bildhauerei. „Kreativität und Inspiration waren mir immer wichtig, um mich selbst weiterzuentwickeln.“ So sieht er die Kunst auch heute noch. Anfangs malte er sowohl mit Acryl- als auch Ölfarbe. Mittlerweile hat er sich auf abstrakte Ölmalerei spezialisiert. „Es macht mir viel Freude, mit Farben und unterschiedlichen Techniken zu arbeiten. Beim Malen kann ich zur Ruhe kommen.“
Faure stellt in China aus
Auf Basis seines familiären Hintergrundes – Vater Franzose, Mutter Deutsche – hat der europäische Künstler seine Emotionen in einer Darstellung der Familiengeschichte festgehalten. Dieses Werk wird im kommenden Jahr in einem französischen Museum ausgestellt.
„Ich freue mich, dass ich meine Arbeiten hier in der Galerie Ruthmann zeigen darf“, betont Sebastian Faure. „Ich finde die Kunst von Lothar Ruthmann wirklich bemerkenswert und schätze ihn als Künstler sehr.“ Christian Holtwick kann das nur bestätigen: „Toll, dass hier trotz der erschwerten Bedingungen etwas stattfindet.“
Die Arbeiten können samstags in der Zeit von 11 – 14 Uhr oder nach Vereinbarung besichtigt werden