SOLINGEN (bgl) – Ein Besuch in der Hasseldelle ist in der Regel ganz anders, als sich mancher Zeitgenosse in Solingen diesen vielleicht vorstellt. Nachmittags im Sommer ist es ruhig im Viertel, nur wenige Autos sind unterwegs. Es geht recht gemächlich zu. Ganz am Ende der Hasselstraße lohnt sich ein Spaziergang über den Kinderspielplatz. Direkt dahinter ist man nämlich schon im Grünen, weite Felder und Wald bieten ein Bild, das man von der Hasseldelle vielleicht nicht erwartet hätte. Hier führt sogar der Klingenpfad am Rande der Siedlung vorbei.
Hasseldelle kämpft mit schlechtem Image
Dort begegnet man Spaziergängern und auch junge Mädchen hoch zu Ross sind dort durchaus anzutreffen. Ein rundum idyllisches Bild. Kehrt man um und schaut am „Hasselplatz“ vorbei, findet man immer Bewohnerinnen und Bewohner des Viertels, die sich draußen im Biergarten des Restaurants gemütlich zum Schwätzchen treffen. Das selbstverständlich unter Einhaltung der derzeit geltenden Corona-Hygienevorschriften.
Die Hasseldelle ist so ganz anders als ihr Ruf, betonen unisono Marina Lehnen, Quartiersmanagerin vor Ort, und Hans-Peter Harbecke, Vorsitzender des Vereins „Wir in der Hasseldelle“. „Wir haben zuletzt immer wieder mitbekommen, dass wenn unsere Bewohnerinnen und Bewohner in die Stadt gehen und sagen, dass sie aus der Hasseldelle kommen würden, schief angesehen werden“, sagt Marina Lehnen. Derartige Erfahrungen hat die Quartiersmanagerin auch selbst schon machen müssen.
Rund 2.500 Menschen leben in der Hasseldelle
„Ich werde ähnlich komisch angeschaut, wenn ich sage, dass ich in der Hasseldelle arbeite. Dann werde ich sogar gefragt, warum ich mich da überhaupt hin trauen würde und ob ich dort auch abends arbeite“, wundert sich die junge Frau über derartige Reaktionen. Seit zweieinhalb Jahren ist sie jetzt als Quartiersmanagerin in der Hasseldelle im Einsatz und konnte während dieser Zeit „ihr“ Viertel intensiv von allen Seiten kennenlernen. Und versteht dabei nicht, wieso die Hasseldelle im Rest der Stadt mit einem mitunter so schlechten Image zu kämpfen hat.
„Ich bin jedes Mal baff, wenn ich mit so etwas konfrontiert werde und ich ärgere mich auch darüber“, betont Hans-Peter Harbecke. Der Vorsitzende des Hasseldelle-Vereins lebt seit vielen Jahren im Viertel – und das sehr gerne. Rund 2.500 Menschen aus gut und gerne 54 Nationen wohnen in der Hasseldelle. 196 Wohneinheiten bietet der Spar- und Bauverein im Viertel an, weitere 450 das Immobilienunternehmen Grand City Property. Ein Großteil der Wohnungen seien vermietet, über Leerstand klagt man in der Hasseldelle nicht. Doch woher kommt dieses Negativimage der Hasseldelle?
Die Siedlung wurde 1971 eingeweiht
„Das ist ein subjektiver Eindruck, das fängt schon mit den hohen Häusern an. Als die Siedlung 1971 eingeweiht wurden, waren die Häuser komplett mit schwarzem Schiefer verkleidet, das war schon ein trauriger Anblick“, erläutert Harbecke, der auch im Aufsichtsrat des Solinger Spar- und Bauvereins (SBV) sitzt und 2016 für sein soziales Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt wurde.
2002 hat der SBV seine Häuser dann in Gänze renoviert, modernisiert und auf Vordermann gebracht. Seit dieser Zeit erstrahlen die Häuser des Spar- und Bauvereins in der Hasseldelle auch in helleren und freundlicheren Farben. Die Grand City Property hat in ihre Wohnungen ebenfalls investiert, dabei allerdings bisher energetisch und auch optisch weniger gemacht. „Es ist in der Tat eine optische Sache, denn die Kriminalität war hier nie höher als anderswo in Solingen“, macht Hans-Peter Harbecke deutlich.
Viele Angebote für die Menschen im Viertel
Und wenn dann doch mal etwas im Viertel passiert, dann werde seitens der Medien und der Öffentlichkeit ganz genau hingeschaut. „So etwas schürt dann natürlich auch etwas die Vorurteile. Dann wird eine Art stille Post in Gang gesetzt, wie schlimm es in der Hasseldelle sei. Viele Menschen waren aber noch niemals hier, haben nie mit den Leuten vor Ort gesprochen“, bedauert Marina Lehnen.
Im Viertel ist man nicht nur auf die hohe Wohn- und Lebensqualität stolz. Auch die zahlreichen Angebote, die vom Verein, dem Quartiersmanagement und weiterer Institutionen vor Ort umgesetzt werden, seien ein echtes Pfund der Hasseldelle. Dazu gehört beispielsweise der Genossenschaftsladen Beroma (unser Artikel hier), der die Nahversorgung in der Nachbarschaft sicherstellt. Als Treffpunkt nebenan wird von vielen Nachbarn das Restaurant mit Biergarten genutzt – dorthin kommen auch Gäste aus anderen Solinger Stadtteilen.
Solinger sollen sich selbst ein Bild von der Hasseldelle machen
Zudem gibt es Bustouren, Sommerfeste, Kulturdinner und vieles mehr, organisiert vom Verein „Wir in der Hasseldelle“. Das allerdings derzeit in etwas abgespeckter Form aufgrund der Corona-Pandemie. Ein Nachbarschaftstreff, das Quartiersmanagement, zahlreiche Aktionen für Kinder und Jugendliche – die Kids verfügen sogar über einen eigenen Raum – sowie eine gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr runden das Bild eines lebenswerten Viertels in der Klingenstadt ab.
„Wir würden uns sehr freuen, wenn Solingerinnen und Solinger zu uns kommen, vorbeischauen und sich nicht nur ein Bild im Kopf zusammenbasteln, was mit der Realität wenig zu tun hat“, wünscht sich Marina Lehnen viele Besucher in der Hasseldelle. Dem Solinger Kiez im Grünen.
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