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Wunder der Natur – Die Mistel

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Schon seit Jahrtausenden übt die Mistel einen geheimnisvollen Zauber auf die Menschen aus. Zu dieser Jahreszeit kann man die kugelartigen Gebilde häufig in den Ästen von unbelaubten Bäumen sehen. Der Halbschmarotzer steht unter Naturschutz. (Foto: © Martina Hörle)
Schon seit Jahrtausenden übt die Mistel einen geheimnisvollen Zauber auf die Menschen aus. Zu dieser Jahreszeit kann man die kugelartigen Gebilde häufig in den Ästen von unbelaubten Bäumen sehen. Der Halbschmarotzer steht unter Naturschutz. (Foto: © Martina Hörle)
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SOLINGEN (mh) – Treffen sich zwei unter einem Mistelzweig, dürfen sie sich küssen. Wer kennt ihn nicht, diesen zauberhaften Brauch? Ursprünglich stammt er aus England, ist aber mittlerweile auch in unseren Breiten sehr beliebt. Was ist so besonders an der Mistel? Die immergrüne Pflanze gehört zu den langsam wachsenden Arten und kann bis zu 70 Jahre alt werden. Im Alter von fünf Jahren bildet sie zum ersten Mal Blüten. Wenn sie die Größe von einem halben Meter Durchmesser erreicht hat, ist sie bereits etwa 30 Jahre alt.

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Mistel als Halbschmarotzer

Der Halbschmarotzer wächst in kugelartigen Gebilden in den Ästen einer Wirtspflanze, der er seine Nährstoffe, hauptsächlich Wasser und Mineralien entzieht. Über seine Wurzeln zapft er die Leitungsbahnen der Wirtsbäume an. In Deutschland ist vor allem die weißbeerige Mistel bekannt. Zu ihr zählen die Tannen-, Kiefern- und, als bekannteste, die Laubholz-Mistel. Vor allem auf Streuobstwiesen kommt sie vermehrt vor. Da zu dieser Jahreszeit kaum noch Laub an den Bäumen hängt, fällt sie besonders gut auf. Ein Blick in die Baumkrone zeigt die kugelförmigen Gebilde im kahlen Geäst. Halbschmarotzer nennt man sie deshalb, weil sie voll ausgebildete grüne Blätter hat und selbst Fotosynthese betreiben kann.

Die weißen Beeren enthalten eine leimartige Substanz, die an den Ästen kleben bleibt und der Pflanze ermöglicht, daran zu keimen. Für die Vogelwelt sind die Beeren eine willkommene Nahrungsquelle. (Foto: © Martina Hörle)
Die weißen Beeren enthalten eine leimartige Substanz, die an den Ästen kleben bleibt und der Pflanze ermöglicht, daran zu keimen. Für die Vogelwelt sind die Beeren eine willkommene Nahrungsquelle. (Foto: © Martina Hörle)

Misteln sind zweihäusig, das heißt, es gibt männliche und weibliche Pflanzen. Für die Vermehrung sind in erster Linie Insekten oder auch der Wind zuständig. Die Laubholzmistel (lat. Viscum album) hat als einzige weißen Samen und weiße Beeren. Die Blüten zeigt die Mistel im Frühjahr, jetzt sind es kleine, weiß schimmernde Beeren, mit denen sie sich schmückt. Sehr zur Freude der Vogelwelt, die sich daran gütlich tut. Vor allem Misteldrosseln und Amseln schätzen diese wohlschmeckenden Früchte und helfen mit ihrem Vogelmist, sie zu verbreiten.

Daher der Name „Mistel“. Im Volksmund nennt man sie auch Donnerbesen, Geißkraut, Hexenkraut, Vogelleimholz, Vogelmistel, Wintergrün. Das „Viscum“ im Namen bedeutet Klebstoff oder Leim. Der Samen im Inneren der Beeren ist überaus klebrig und bleibt am Vogelschnabel und später an den Zweigen kleben, so dass die Pflanze dort keimen kann. In früheren Zeiten nutzte man diesen Leim sogar zum Vogelfang.

Mistel kommt von Vogelmist

Da die Pflanze unter Naturschutz steht, darf man sie nicht pflücken. Was vom Herbststurm auf den Boden fällt, kann man jedoch ohne Bedenken einsammeln. Aber Vorsicht: Die Mistel ist giftig. In der Heilkunde findet sie gerne und häufig Anwendung. Ihre Inhaltsstoffe, unter anderem Lektine, Flavonoide und Phenylpropane, helfen gegen Bluthochdruck und beugen Arterienverkalkung vor. Schon Hippokrates nutzte den Brei der Pflanze gegen Erfrierungserscheinungen und zum Blutstillen. Da sie so hoch oben in den Bäumen hängt, wurde sie obendrein bei Epilepsie (Fallsucht) angewendet.

Heute kommt sie vorwiegend gegen Entzündungen, Krämpfe, Verdauungsbeschwerden und Stoffwechselstörungen zum Einsatz. Ihre Inhaltsstoffe sind in zahlreichen hierzulande erhältlichen Medikamenten zu finden. Der  Anthroposoph Rudolf Steiner verfolgte die These, dass die Mistel ihrem Wirtsbaum Nährstoffe entzöge und ihn damit langsam, aber sicher aushungere. Er war überzeugt, dass man auf die gleiche Weise auch Krebs bekämpfen könne. 2003 wurde die Mistel zur Heilpflanze des Jahres gewählt.

Die Mistel lebt weder an der Erde noch in der Luft. Sie existiert quasi zwischen Himmel und Erde. (Foto: © Martina Hörle)
Die Mistel lebt weder an der Erde noch in der Luft. Sie existiert quasi zwischen Himmel und Erde. (Foto: © Martina Hörle)

Früher sah man die Mistel als Glücksbringer und Symbol der Weisheit an. Bei den Kelten galt sie als heiliges Zeichen der Götter, mit dem diese den Menschen mitteilten, dass sie in dem betreffenden Baum wohnten. Nur die Druiden durften die Misteln schneiden. Die Germanen hängten zur Zeit der Wintersonnenwende große Zweige auf. Als ein Lebewesen, das zwischen Himmel und Erde lebte, faszinierte dieses geheimnisvolle Gewächs die Menschen lange Zeit. Zum Schutz vor Hexen und bösen Geistern hängten sie Mistelzweige an die Hauswände. Als immergrüne Pflanze verkörperte sie die geistige und göttliche Lebensessenz, das Allheilende und die Unsterblichkeit. Ihre gabelig verzweigten Äste bildeten die Vorläufer zu Wünschelruten.

Küsse unterm Mistelzweig

In der altnordischen Edda-Sage wird berichtet, der Lichtgott Baldu habe von seinem nahenden Tod geträumt. Daraufhin nahm die Göttermutter Freya allen Erdenwesen das Versprechen ab, Baldur nichts zu tun. Die Mistel jedoch wurde vergessen, da sie nicht direkt auf der Erde lebte. Loki bemerkte das und schickte daraufhin den blinden Gott Hodur mit einem Mistelzweig in der Hand zu Baldur. Dieser, von dem Zweig getroffen, sank tot zu Boden.

Das Küssen unter dem Mistelzweig ist mittlerweile auch hierzulande eine beliebte Sitte. Jede Beere bedeutet einen Kuss. Man sagt dem Paar, das sich unter dem Mistelzweig küsst, eine glückliche Beziehung voraus. (Foto: © Martina Hörle)
Das Küssen unter dem Mistelzweig ist mittlerweile auch hierzulande eine beliebte Sitte. Jede Beere bedeutet einen Kuss. Man sagt dem Paar, das sich unter dem Mistelzweig küsst, eine glückliche Beziehung voraus. (Foto: © Martina Hörle)

In späteren Zeiten wurde die Mistel auch in die christliche Tradition einbezogen. Hier galt sie als friedenstiftende Pflanze. Unter ihr versöhnte man sich und gab sich den Friedenskuss. Daraus entstand dann die beliebte Sitte des Küssens unter dem Mistelzweig, weshalb die Mistelbeeren gerne als Kusskugeln bezeichnet werden. Ein Kuss für jede Beere.

Der Detmolder Dichter Ferdinand Freiligrath (1810 – 1876) schrieb über sie:

„Die Tanne duftet,
die Stechpalme glänzt,
Und vom Balkonknauf, weißbeerig sie,-
Lauscht die Mistel nieder,
die Schelmin, die!“

Und schon Vergil (70-19 v. Chr.) berichtete von dem Trojaner Aeneas, der mit Hilfe eines Mistelzweiges seine aus dem Hades gerettete Dido wieder zum Leben erweckte.

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Martina Hörle, geprüfte Betriebswirtin, ist freiberuflich als Text-/Fotojournalistin und Autorin tätig. Sie organisiert kulturelle Veranstaltungen und hat im Herbst 2014 die Solinger Autorenrunde ins Leben gerufen.

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