SOLINGEN (red) – „Das Scheitern gehört für die Bibel zum Leben einfach dazu!“, betonte der evangelische Theologe Dr. Okko Herlyn beim ersten Akademietag, den der Evangelische Kirchenkreis Solingen und die Evangelische Akademie im Rheinland jetzt gemeinsam veranstalteten. „Der unperfekte Mensch – wie die Reformation entspannt leben lernt“ lautete der Titel des Programms, zu dem sich rund 70 Teilnehmende in den Bürgersaal der Stadtkirche am Fronhof einladen ließen. Herlyn, emeritierter Professor an der Evangelischen Fachhochschule Bochum, warb in seinem Vortrag für einen realistischen Blick auf das menschliche Leben. Schon die Bibel stelle zahlreiche Lebensentwürfe vor, in denen Gelingen und Glück nicht die Normalität ausmachten.
Ein Leben aus biblischer Perspektive
Die biblischen Personen Abraham und Hiob seien Paradebeispiele für ein Leben aus biblischer Perspektive, das gebrochen und fragmentarisch erscheine und bei dem auch Scheitern und Unglück wie selbstverständlich dazugehören. Im Leben trotz aller Widrigkeit an der Beziehung zu Gott festzuhalten, das bedeute für die biblischen Texte gelingendes Leben, betonte Herlyn. Der Theologe warb dafür, dass es in einer solchen lebendigen Gottesbeziehung angesichts erlittenen Unglücks auch Raum für Wut und Zorn geben müsse: „Gerade die Psalmen zeigen viele Beispiele, in denen mit Gott gehadert und gestritten wird.“
Aktuelle Missstände nicht aus den Augen verlieren
Mehr Zorn wünschte sich Herlyn auch angesichts vieler Probleme in der Welt, zu denen Christinnen und Christen kritischer das Wort ergreifen sollten: „Auch wer darauf vertraut, das Gott am Ende alles gut machen wird, muss bereits jetzt und hier seiner Verantwortung für die Umstände in dieser Welt gerecht werden.“ Auch in der anschließenden Aussprache betonten mehrere Teilnehmer, dass das Vertrauen auf Gottes Zukunft nicht gegen das christliche Engagement gegen aktuelle Missstände wie den Klimawandel oder die Luftverschmutzung durch Manipulationen der Autoindustrie ausgespielt werden dürften.
Erfahrungen vom Scheitern und unperfekten Leben
Vor Herlyn hatte bereits der praktische Philosoph Dr. Gerd Achenbach aus Bergisch-Gladbach über die Geschichte des philosophischen Nachdenkens zu Perfektion und Unvollkommenheit referiert. Nach einem Mittagsimbiss tauschten sich die Teilnehmer des Akademietages dann über eigene Erfahrungen von Scheitern und unperfektem Leben aus. Zum Abschluss ordnete die Solinger Superintendentin Dr. Ilka Werner das Gehörte noch einmal in den Rahmen reformatorischer Theologie ein: „Weil wir einen gnädigen Gott haben, müssen wir nicht perfekt sein.“