
SOLINGEN (red) – Am Sonntag entscheidet sich, wer künftig an der Spitze der Stadt Solingen stehen wird. Ein Blick zurück und nach vorn verbindet dieses Gespräch: Franz Haug, von 1999 bis 2009 Oberbürgermeister, erinnert sich an prägende Momente seiner Amtszeit – und Daniel Flemm, CDU-Kandidat für das Amt, spricht über die Herausforderungen und Chancen der kommenden Jahre. Gemeinsam diskutieren sie, was Solingen stark gemacht hat und wo die Stadt heute ansetzen muss.
Franz Haug war zehn Jahre Solinger OB
Herr Haug, Sie waren von 1999 bis 2009 Oberbürgermeister von Solingen. Wenn Sie heute zurückblicken: Welche Momente aus Ihrer Amtszeit sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Franz Haug: „Das waren zwei entscheidende Dinge: Zum einen die Zusage des Landes, Solingen im Rahmen der „Regionale 2006“ zu fördern. Dadurch hatten wir die Chance, die größte Stadtentwicklungsmaßnahme seit Jahrzehnten durchzuführen. Fast 90 Prozent der Fördersumme gingen nach Solingen. So gelang es etwa, im Südpark ein neues Stadtviertel zu bauen, das heute wegen der Künstler als beispielhaft gilt. Auch die Korkenziehertrasse, der Brückenpark, die neuen Bahnhöfe und der Neumarkt in der City sind Ergebnisse der Regionale 2006.“
Und heute, wenige Jahre später, ist der Standort Südpark in Gefahr: Die Gastronomie im Alten Bahnhof musste schließen, weil 60.000 Euro für eine neue Küche nicht finanziert wurden. Seit 2021 versucht die Stadt erfolglos, das Gebäude zu verkaufen.
Daniel Flemm: „Das ist beschämend. Wir als CDU wollen ein neues Quartier als Zentrum für Kunst und Kultur in der südlichen Innenstadt schaffen, das den Südpark, den Alten Bahnhof und das geplante Omega-Quartier umfasst. Hier können auch die Musikschule und das Kunstmuseum eine neue Heimat finden. Das, was Franz vor rund 20 Jahren begonnen hat, muss die Stadt fortführen – und nicht unter den Hammer bringen.“
Herr Haug, eingangs sagten Sie, Ihnen sind zwei entscheidende Dinge in Erinnerung geblieben. Was war das Zweite?
Franz Haug: „Das Zweite war meine Ablehnung des ,Cross-Border-Leasing´. Damals verkauften Kommunen ihre Abwasserkanäle an ausländische Investoren und mieteten sie zurück. Dafür hätte es viele Millionen gegeben. Nach drei Tagen Verhandlungen mit Kanzleien und Wirtschaftsprüfern habe ich mich gegen diesen Schritt entschieden – entgegen großem Druck. Und ich lag richtig: Wenige Jahre später brach das Modell zusammen, viele Städte zahlten teuer.“
Ist Franz Haug Ihr politisches Vorbild, Herr Flemm?
Daniel Flemm: „Kommunalpolitisch ist er definitiv mein Vorbild. Ich bin mit 16 Jahren wegen Franz in die CDU eingetreten. Als Projektleiter von ,Youth in Motion´, das Jugendlichen den Zugang zu Sportarten ermöglichte, war ich stolz, Franz Haug als Schirmherr zu gewinnen.“
Franz Haug: „Daran erinnere ich mich gut. Ich war 55 Jahre alt und erfolgreicher Rechtsanwalt, als ich gewählt wurde. Es war eine Freude, ins Rathaus zu gehen und die Stadt zu gestalten. Daraus sind viele Projekte entstanden. Das würde ich Daniel mitgeben: Man muss zuhören, Politik einbeziehen – aber irgendwann entscheiden. Denn am Ende zählt derjenige, der vorne sitzt. Er muss Entscheidungen treffen, auch unbequeme. Das Risiko gehört zum Amt.“
Am 14. September wählt Solingen einen neuen Oberbürgermeister. Vor welchen Herausforderungen steht der Kandidat oder die Kandidatin, Herr Haug?
Franz Haug: „Er muss neuen Schwung in die Stadt bringen. Gewerbetreibende und Selbstständige müssen hier gehalten und gestärkt werden. Dazu brauchen wir attraktive Gewerbeflächen. Zu meiner Zeit habe ich das Gewerbegebiet Piepersberg angestoßen –drei Jahre gab es keine Interessenten, heute ist es voll. Ein Oberbürgermeister muss vorausschauend denken, um nach außen attraktive Angebote zu schaffen. Die Arbeit der Wirtschaftsförderung gefällt mir da aktuell nicht.“
Die Neuausrichtung der Wirtschaftsförderung ist ein zentrales Thema Ihres Wahlprogramms, Herr Flemm. Was sind die Pläne?
Daniel Flemm: „Solingen wird nur erfolgreich sein, wenn wir Gewerbeflächen, Wirtschaftsförderung, Planung, Marketing und Tourismus zusammendenken – mit klaren Zuständigkeiten und verlässlichen Ansprechpartnern. Eine Priorität ist die Entwicklung neuer Flächen an „Fürkeltrath II“, „Piepersberg-West“ und „Schrodtberg“. Die Wirtschaftsförderung muss aktiv auf Unternehmen zugehen und den Gesamtüberblick haben. Es ist so, wie Franz sagt: Wir brauchen jetzt Weitblick – und einen Oberbürgermeister, der diese Projekte in den nächsten zehn Jahren umsetzt. Die Zeit für Veränderung ist jetzt.“

Würde Daniel Flemm heute einen schwierigeren Job haben als Sie damals, Herr Haug?
Franz Haug: „Definitiv. Die Stimmung ist schlechter, und ich hatte durch die ,Regionale 2006´ bessere finanzielle Voraussetzungen. Außerdem ist der Rat zersplittert. Es wird schwer, die vielen Fraktionen zusammenzuführen. Aber es ist machbar, wenn jeder einen Schritt auf den anderen zugeht.“
Was sehen Sie als größte Herausforderung für den neuen Oberbürgermeister, Herr Flemm?
Daniel Flemm: „In den nächsten fünf bis sechs Jahren gehen knapp 40 Prozent der Beschäftigten in der Kernverwaltung in den Ruhestand. Wir müssen die Verwaltung so umbauen, dass Mitarbeitende Chancen und Freiräume haben, gern in Solingen zu arbeiten – und die Prozesse trotzdem funktionieren. Mehr Personal wird es am Markt nicht geben. Gleichzeitig geht es darum, die Stadtgesellschaft zusammenzuführen. Spaltung bringt uns nicht weiter – wir müssen gemeinsam Solingen gestalten.“
Herr Haug, weshalb ist Daniel Flemm ein guter Nachfolger?
Franz Haug: „Daniel hat charakterlich und fachlich alles, was man braucht, um ein guter Oberbürgermeister zu werden. Er ist durch seine Ausbildung und seinen Werdegang bestens vorbereitet. In jungen Jahren ist er durch seine Arbeit als Fraktionsvorsitzender gereift. Er kann organisieren, politisch führen und zusammenführen – mit klarer Haltung. Er bringt die besten Voraussetzungen mit, und ich sage es deutlich: Ich unterstütze Daniel Flemm mit Leib und Seele.“
Daniel Flemm (36)
- Verheiratet mit Sonja Flemm
- Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg
- Seit 2012 Mitglied des Stadtrates
- Seit 2014 stellv. Fraktionsvorsitzender
- Seit 2020 Fraktionsvorsitzender
Franz Haug (83)
- Verheiratet mit Kati Haug
- Ein Sohn, Sebastian Haug MdL
- Rechtsanwalt i. R.
- Von 1999–2009 erster direkt gewählter Oberbürgermeister der Stadt Solingen