SOLINGEN (sg) – Es sind vor allem die Steinreihen, die zwischen 4000 und 3000 vor unserer Zeitrechnung aufgestellt wurden, die das kleine Küstenstädtchen Carnac in der Bretagne berühmt gemacht haben. Doch auch die unbekannteren Ecken sind einen Besuch wert.
Steinalleen überdauerten die Jahrtausende
Wenn man am Beginn einer der zehn- bis zwölfreihigen Steinalleen steht, die allesamt mit großen Menhiren beginnen, ist man zuerst einfach nur beeindruckt. Beeindruckt von den vier Meter hohen Steinen, die wie stumme Zeugen einer längst vergangenen Zeit stehen und aufrecht ihre Stellung zu verteidigen scheinen. Es wirkt, als könne nichts sie erschüttern oder zerstören. Dabei ist bekannt, dass von den ursprünglich einmal angelegten Steinalleen viele Abschnitte verloren gegangen sind, etliche der Steine finden sich in Kirchenwänden oder Häusern verbaut. Manche mussten Straßen weichen, andere fielen der Flussregulierung zum Opfer.
Ursprünglich begannen die Steinreihen bereits im Nachbarstädtchen Erdeven und zogen sich mehr als acht Kilometer über Hügel und durch Täler. Die Wissenschaftler schätzen, dass allein die Anlagen von Carnac einst um die 3000 Steine zählten, die vor 5000 bis 6000 Jahren aufgestellt wurden. Es ist noch heute kaum zu ermessen, welch ein Kraftaufwand die Menschen damals betrieben, um diese riesige Kultstätte zu errichten. Viele Steinalleen haben die Jahrtausende überdauert und vermitteln uns eine Ahnung von der Bedeutung dieses Ortes.
Allein die Steinreihen, die sich bei Carnac erheben, unterteilen sich in die Anlagen Ménec, Toulchignan, Kermario, Manio und Kerlescan. Die einzelnen Anlagen waren an jedem Ende mit einem ovalen Steinkreis, einem sogenannten megalithischen Ei, abgeschlossen, die jedoch so gut wie nicht erhalten geblieben sind. Die Steinalleen haben nach Westen hin bis zu 4 Meter große Steine, die nach Osten hin immer kleiner, bis zu 0,5 Meter, werden. Es gibt Vermutungen, dass die Steinreihen einem Kult der Gestirne dienten, aber gesicherte Erkenntnisse, warum die Menschen vor so langer Zeit diesen Aufwand betrieben, gibt es keine.
Die Steinreihen von Kermario
Die Steinreihen von Kermario bilden die längste Anlage der Menhir-Alleen von Carnac. Die zehn bis zwölf Steinreihen haben eine Länge von 1,2 Kilometer. Hier stehen 982 Menhire, aber es waren bedeutend mehr. Die Steinreihen ziehen sich über Hügel und Täler, überquerten auch einen Fluss. Von einem Aussichtsturm aus, lässt sich ein großartiger Blick über die Steinreihen von Kermario werfen. Außerdem lohnt sich ein Besuch des Dolmen Kermario, einer freigelegten Grabkammer, die vermutlich älter ist, als die Steinreihen.
Da die Steinreihen von Carnac förmlich von Touristenmassen überrollt wurden, mussten sie vor der Unvernunft der Besucher geschützt werden. Da viele der Touristen sich nicht der kulturellen Bedeutung dieses Ortes bewusst waren, haben sie ihre Kinder auf den Steinen herumklettern lassen, wodurch die Steine sich lockerten und drohten umzufallen. Um dem vorzubeugen, wurden die einzelnen Anlagen inzwischen durch Zäune unzugänglich gemacht. Das nimmt diesem Kultort leider einen beträchtlichen Teil seiner Magie. Ein frisch angelegter Pfad führt jedoch sicher an den Steinreihen entlang. Auch ist es möglich, an der Straße entlang zu gehen, um die gegenüberliegende Seite der Steinreihen zu sehen, doch das ist in der Hochsaison nicht ganz ungefährlich wegen des ständigen Verkehrs.
Der Riese von Manio
Abseits der Steinreihen führt ein Pfad durch den Wald und einen sanften Hügel empor. Dort erwartet der Riese von Manio erkundungswillige Besucher. Der 6,5 Meter hohe Megalith steht von mächtigen Bäumen umrahmt und ist der höchste Menhir von Carnac. Da er noch frei zugänglich ist, kann man ihn berühren und Kontakt aufnehmen zu dem Geist der Vergangenheit, den er noch immer atmet.
Nur fünfzig Meter entfernt findet sich eine Quadratanlage. Es ist ein Steingehege, das aus etwa 1 Meter hohen Granitsteinen besteht und in der Jungsteinzeit errichtet wurde. Wozu diese quadratische Steinsetzung diente, ist ebenfalls unklar, doch wird sie von einer sehr friedvollen Atmosphäre bestimmt, die den Wanderer zum Innehalten einlädt.
Eine Heilquelle mitten in Carnac
Völlig unvermutet stößt man in den Straßen von Carnac auf einem stillen, von Bäumen beschatteten Platz auf eine Heilquelle für Tiere. Leider ist sie ein wenig vernachlässigt worden, trotzdem lohnt ein Besuch. Treppen führen auf zwei Seiten hinab zu dem steinernen Schrein, aus dem die Heilquelle ihr heilendes Wasser strömen lässt. So konnten die Tiere auf der einen Seite hinunter geführt werden, wo sie aus der dafür vorgesehenen Rinne trinken konnten, um dann auf der anderen Seite wieder nach oben geführt zu werden.
Carnac und der kleine Saint Michel
Wie sein berühmter Bruder, der Saint Michel an der Küste der Normandie, thront auf dem Hügel des Saint Michel in Carnac ein Sakralgebäude. Wegen dieser Ähnlichkeit hat die Erhebung in Carnac wohl auch ihren Namen Saint Michel erhalten. Doch diese vage Ähnlichkeit ist auch alles, was den Saint Michel in Carnac mit dem in der Normandie verbindet. Denn in Carnac ist es nur eine kleine Kapelle, die dem Erzengel Michael geweiht ist und keine große Kathedrale, außerdem steht die Kapelle in Carnac auf einem Grabhügel.
Dieser außergewöhnliche Grabhügel befindet sich auf dem höchsten Punkt von Carnac, weshalb man von hier eine wunderbare Aussicht auf das Städtchen und die Umgebung genießen kann. Er ist 125 Meter lang, 60 Meter breit und 10 Meter hoch, wurde etwa 4400/4500 v.u.Z. errichtet und beinhaltet eine komplexe Grabanlage. Es wurden Beilklingen aus geschliffenem Stein, Werkzeuge aus Feuerstein, Schmuckstücke und Knochenreste gefunden. Im Jahr 1926 wurde dann auf dem Tumulus die Kapelle wiederaufgebaut.
Strand und Meer
Gleich sechs Strände laden in Carnac zum Strandspaziergang, Vögel beobachten und natürlich auch zum Baden ein. Diese feinsandigen und flach abfallenden Bilderbuchstrände haben ihre Vorzüge der Halbinsel Quiberon zu verdanken, die sich in unmittelbarer Nähe in den Atlantik schiebt. Hier lässt sich das Meer mit allen Sinnen genießen. Wer die beiden geschützten kleinen Strände Plage de Beaumer und Plage du Men Du besucht, kann bei Ebbe eine ausgedehnte Wattlandschaft erobern. Bei Flut jedoch sind die Strände nur noch 10 bis 20 Meter breit.