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Engelsklinge – Buch 1: Tödlicher Schlag (Kapitel 21.3)

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Lucie rechnet mit Giovanni ab.
Lucie rechnet mit Giovanni ab. "Engelsklinge" wurde von der ukrainischen Autorin Svitlana Glumm verfasst. (Bild: Open AI)

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Von Svitlana Glumm

Engelsklinge

Buch 1 – Tödlicher Schlag

Aus dem Russischen

Kapitel 21.3

Lucia fuhr zur Autobahn, die in die Hauptstadt führte. Am Stadtrand von Mailand schloss sich ihr Leo an. Sie waren sich einig, dass es besser war, nicht gemeinsam durch die Stadt zu fahren und unnötige Aufmerksamkeit zu erregen. Auch wenn Angel von einer Tarnung sprach und sie die Engel in der Nähe spürte, war es dennoch besser, kein unnötiges Risiko einzugehen.

Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sie nicht verfolgt wurden, drehte Lucia eine Runde, bevor sie auf die Autobahn fuhr. Die Zeit war knapp, um bis zum Abend in Rom anzukommen, dann das abscheuliche Wesen zu töten und anschließend nach Fiumicino zu eilen – eine kleine Stadt in der Nähe der Hauptstadt, wo sich der internationale Flughafen Leonardo da Vinci befand. Von dort würden sie ein Flugzeug nach New York nehmen und dann weiter nach San Francisco fliegen.

Der Gedanke an das Wiedersehen mit Giovanni Viccetto, der es sich vor über drei Jahren erlaubt hatte, nicht nur ihr Leben anzugreifen, weckte in ihr das Gefühl der Rache. Während der Fahrt sprach sie kaum mit Leo und wechselte mit ihm nur gelegentlich einige Worte. Selbst bei einem kurzen Halt an einer Tankstelle aß Luchia hastig etwas, sprang wieder auf ihr Motorrad und verschmolz mit dem schnell fahrenden Verkehr. Leo konnte kaum mit ihr Schritt halten und kaute dabei noch die letzten Reste seiner Pizza.

Als sie in Rom ankamen, war die Stadt bereits in völlige Dunkelheit getaucht. Unzählige Laternen, funkelnde Schaufenster und die Scheinwerfer der Autos durchbrachen die Finsternis und tauchten die Straßen in helles Licht.

Auf der Hauptverkehrsstraße verringerte Lucia das Tempo und hielt ihr Motorrad drei Blocks von einem zehnstöckigen Gebäude entfernt an, in dem sich die Büros verschiedener Unternehmen befanden.

Die Kirchenglocke des gegenüberliegenden Gotteshauses schlug fünfmal. Der Arbeitstag war zu Ende, und die gläsernen Türen öffneten sich, um die erschöpften Arbeiter in die Kälte zu entlassen.

Auf dem Weg in die Hauptstadt hatte Lucia einen Anruf von Lorenzo erhalten, einem Diener von Ageor, den Angel erwähnt hatte. Er teilte ihr mit, dass Giovanni momentan nicht im Büro sei, aber bald zurückkommen sollte. Wann genau, wusste er nicht. Also würden sie warten müssen, dachte Lucia. Selbst wenn sie ein paar Stunden im Büro ausharren müsste – Hauptsache, sie konnte ihren Dolch in sein schwarzes Herz rammen.

Es war einfacher, sich unter die heimkehrenden Arbeiter zu mischen und im Gebäude zu verstecken, bis der Dämon eintraf. Also zögerte sie nicht länger.

Lucia drehte sich zu Leo um, der auf seiner Kawasaki saß und auf ihre Worte wartete. Sie war ihm dankbar für sein Verständnis während der Reise. Er hatte sie nicht mit Fragen oder Vorschlägen belästigt, wie sie die Angelegenheit am besten regeln sollten.

Leo stand von seinem Motorradsitz auf, als Lucia sich ihm näherte.

„Ich gehe allein, mein Liebling“, flüsterte sie und küsste ihn sanft auf die Lippen. „Warte auf mich.“

Leo umarmte sie schweigend und zog sie sanft an sich. Lucia spürte seine Besorgnis über ihr Treffen mit dem Feind, doch er widersprach nicht. Es war ihr Kampf. Nicht Angels, nicht Leos – nur ihrer. Und wenn selbst der höchste Engel ihr das Recht gegeben hatte, ihren verhassten Gegner zu vernichten, dann konnte selbst ihr Freund sich nicht dagegen stellen.

„Ich liebe dich, Leo“, sagte Lucia, während sie sich aus seiner Umarmung löste, und eilte zum Gebäude.

Tja, Mistkerl, es wird Zeit, dich in nichts zu verwandeln, dachte sie mit einem hämischen Lächeln und spürte, wie die Rache in ihr weiter aufflammte. Sie erreichte den Eingang und drückte die Glastür auf.

Lucia wartete drei Stunden in Giovannis Büro. Die Büros waren längst leer, nur die Sicherheitsleute liefen gelegentlich durch die langen Flure. Daher würde ein verwesender Leichnam, der scheinbar aus dem Nichts auftauchte, nicht viel Aufsehen erregen.

Mit dem Dolch in der Hand stand sie in der dunkelsten Ecke des Raumes. Sie wusste jedoch, dass diese Art der Tarnung hier nicht funktionieren würde. Das Biest würde sie schon aus wenigen Metern Entfernung wittern. Die einzige Hoffnung war, dass ihre „gegenseitige Liebe“ dazu führen würde, dass der Dämon über die Schwelle trat.

Im Licht der Scheinwerfer der vorbeifahrenden Autos auf der zentralen Magistrale Roms schimmerte die Bronze am Griff des Dolches in einem dunklen Gelbton. Die Glocke des Kirchturms von Sant’Andrea della Valle schlug achtmal.

Im Korridor waren Schritte zu hören. Lucia spannte sich an. Giovanni war noch nicht ins Büro eingetreten, doch die Luft war bereits von dem schweren, klebrigen Geruch des Hasses durchzogen. Je näher der Dämon kam, desto fester gruben sich die Lederverzierungen des Dolchgriffs in ihre Handfläche.

Mit einem lässigen Gang, als hätte er die Anwesenheit eines Engels gar nicht bemerkt, ging Giovanni direkt auf seinen Schreibtisch zu. Das Licht schaltete er nicht ein. Lucias linker Mundwinkel zuckte. Wollte wohl den Gentleman spielen, das Schwein. Deshalb griff er nicht an. Die junge Frau ließ den stämmigen Mann, der sich in dem hochbeinigen Ledersessel niederließ, keine Sekunde aus den Augen. Er griff nach seinem vergoldeten Zigarettenetui, schlug ein Feuerzeug an, zündete eine Zigarette an und lehnte sich mit dem Blick zum Fenster zurück.

Jetzt war der richtige Moment, dachte Lucia und begann lautlos, sich dem Schreibtisch zu nähern. Giovanni starrte weiterhin nachdenklich hinaus. Er führte die Zigarette zu den Lippen, nahm einen tiefen Zug und blies langsam den Rauch aus.

Plötzlich berührte kalter Stahl seine Kehle. Der Mann hob den Kopf und sah in das gesenkte Gesicht der jungen Frau.

„Ich dachte, du würdest sofort angreifen“, sagte er ruhig. „Kaum, dass ich das Büro betrete.“ Er zog erneut an der Zigarette. „Also deshalb hat Angel eine Überwachung organisiert und überall seine Leute postiert. Sie ließen mich den ganzen Tag nicht in Ruhe und am Abend blieb mir nur dieser einzige Fluchtweg – hierher. Einfach widerlich.“ Er verzog den Mund. „Perfekt und doch so unkreativ, wie in einem billigen Thriller. Das Einzige, was mich wirklich überrascht hat, bist du, kleines Miststück.“ Seine Stimme nahm einen bedrohlichen Klang an. Giovanni leckte sich über die vollen Lippen. „Wolltest du etwa eine Fortsetzung?“ Er hob die Augenbrauen. „Nein?“ Er seufzte schwer. „Schade.“

Lucia schwieg. Weißt du, wie viel es mich gerade kostet, dich nicht einfach auf der Stelle zu durchbohren, sondern mir dein Geschwätz anzuhören? dachte sie.

Giovanni schnippte mit dem Finger Asche von seiner Zigarette auf den Teppich.

„Lass mich wenigstens zu Ende rauchen“, bat er um einen letzten Gefallen, im Wissen, dass eine Flucht aussichtslos war. „Und sterben wie ein echter Giovanni Viccetto.“

Lucia schnaubte.

„Ich verstehe – also kein letztes Gespräch?“

„Richtig verstanden“, entgegnete sie knapp. „Steh auf!“

Zeit, zur Tat zu schreiten, beschloss sie. Zu lange schon hatte er das Leben unschuldiger Menschen vergiftet.

Giovanni warf die halbausgerauchte Zigarette achtlos zur Seite und erhob sich aus dem Sessel. Dort, wo die glühende Kippe auf dem Teppich landete, breitete sich ein schwarzer Fleck aus. Lucia machte einen Schritt zurück, um zum Schlag auszuholen. Giovanni nutzte den Moment und schlug mit der Kante seiner Hand auf ihr Handgelenk. Er legte all seine Kraft in den Schlag und ein stechender Schmerz fuhr ihr bis in die Schulter. Instinktiv öffnete sie die Finger – der Dolch fiel klirrend zu Boden.

„Mich bringst du nicht so einfach um, Schlampe!“, brüllte der Mann und ballte die Faust, um ihr ins Gesicht zu schlagen.

Ein schmerzhaftes Pochen breitete sich in ihrem Kopf aus und eine dünne Blutspur rann von ihrer Nase hinab bis zum Kinn. Doch Lucia ignorierte den Schmerz, stieß sich vom Boden ab und sprang mit einem Satz fast bis zur Decke, um Giovanni mit beiden Füßen gegen die Brust zu treten. Der Dämon prallte mit dem Rücken gegen die Wand, doch er fing sich sofort wieder und funkelte sie aus zusammengekniffenen Augen wütend an. Ein grollendes Knurren drang aus seiner Brust.

Lucia bückte sich und griff nach dem Dolch.

Die Bürotür schlug laut zu. Sie stampfte genervt mit dem Fuß auf. Giovanni war verschwunden.

Du wirst trotzdem heute sterben, du Mistkerl, fuhr es ihr durch den Kopf. Sie riss sich los und rannte in den schwach beleuchteten Flur. Ihr Ziel: die Treppe nach unten. Mit Leichtigkeit sprang sie über das Geländer und erreichte in wenigen Sekunden das Erdgeschoss. Giovanni war bereits an den Eingangstüren angelangt.

„Also doch beschlossen, mich zu unterhalten?“, rief er über die Schulter. „Aber ich bin stärker!“

Lucia wusste, dass er, sobald er den Ausgang erreichte, unter die Menschenmassen tauchen und leichter verschwinden konnte. Das würde bedeuten, dass sie in Rom bleiben und ihn erneut aufspüren müsste – und sich dann vor Angel für ihre Nachlässigkeit verantworten müsste. Falls Lorenzo, der das Gebäude aus einem Versteck beobachtete, den Job nicht einfach selbst erledigte. Und dann erfahren würde, dass sie es nicht geschafft hatte. Dass sie nicht stark genug war – nicht so, wie ein Engel der Rache sein sollte.

„Nicht mit mir“, zischte sie und warf den Dolch.

Die Klinge schnitt mit einem scharfen Zischen durch die Luft und bohrte sich mitten ins Herz des Dämons. Giovanni sackte zusammen.

Treffer – wie immer, lobte sich Lucia innerlich.

Auf den weißen Fliesen neben dem verwesenden Körper bildete sich eine blutrote Lache. Lucia trat an die leblose Gestalt heran, zog den Dolch heraus und wischte die Klinge an seinem teuren Anzug ab.

„Mach dir nichts vor, Dreckskerl“, murmelte sie sarkastisch als Antwort auf Giovannis letzte Worte. Dann drückte sie die Glastür auf und trat in die kühle Nacht hinaus.

– Fortsetzung folgt –

Zur Autorin

Svitlana Glumm wurde in Kropywnyzkyj in der Ukraine geboren. Die 45-Jährige studierte an der dortigen Universität Geschichte und später an der Uni in Kiew Journalismus. Als Journalistin arbeitete sie über zehn Jahre für Zeitungen in Kiew und Kropywnyzkyj, sie ist Mitglied im Journalistenverband der Ukraine. Svitlana Glumm verfasste mehrere Bücher, Manuskripte und Kurzgeschichten rund um die Themen Fantasy und Mythologie. Seit April 2022 lebt sie in Solingen.

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