SOLINGEN (red) – Mit Urteil vom 21. März 2019 hat der Europäische Gerichtshof die von Landesregierung, kommunalen Spitzenverbänden und anerkannten Hilfsorganisationen gemeinsam vertretene Rechtsauffassung bestätigt, wonach bei der Vergabe von Rettungsdienstleistungen an die anerkannten Hilfsorganisationen im Rettungsdienst, Arbeiter-Samariter-Bund, Deutsches Rotes Kreuz, Johanniter-Unfall-Hilfe und Malteser Hilfsdienst, die Bereichsausnahme greift. Kreise und kreisfreie Städte können rettungsdienstliche Leistungen danach ohne europaweite Ausschreibung vergeben.
Katastrophenschutz zu 90 Prozent Ehrenamt
„Der Europäische Gerichtshof hat klargestellt, dass von der Bereichsausnahme das bei uns bewährte aufwuchsfähige Gesamtsystem aus Zivil- und Katastrophenschutz sowie Rettungsdienst unter Einbeziehung von Notfallrettung und qualifiziertem Krankentransport vollständig umfasst wird“, kommentiert Dr. Thorsten Böth, Geschäftsführer des DRK-Kreisverbandes Solingen, den Richterspruch aus Luxemburg. „Das ist ein guter Tag für den Katastrophenschutz, der in Deutschland zu 90 Prozent auf Ehrenamt aufgebaut ist. Das Urteil hat Signalwirkung für die Rettungsdienstvergabe in ganz Deutschland.“
Nach der Rechtsauffassung des Gerichtshofes bestünden keine Zweifel an der Einbeziehungsfähigkeit der anerkannten Hilfsorganisationen unter die Bereichsausnahme. „Nur in einer Organisationsform, die deutlich von ehrenamtlichem bürgerschaftlichem Engagement geprägt ist, lassen sich auch hauptamtliche Strukturen zur Aufrechterhaltung des Gesamtsystems aufbauen und bewahren“, sagt Dr. Thorsten Böth. Dies ist mit dem Urteil jetzt höchstrichterlich bestätigt worden.
Rechtsstreit begann 2016 in Solingen
Die Luxemburger Entscheidung beendet einen jahrelangen Streit über die Gültigkeit der durch die Vergaberechtsreform der Europäischen Union 2014 geschaffenen und vom Bundesgesetzgeber zwei Jahre später umgesetzten Ausnahmevorschrift. Die Stadt Solingen wollte 2016 die kommunalen Rettungsdienstleistungen für die Dauer von fünf Jahren neu vergeben. Private Anbieter waren nicht zum Verfahren zugelassen. Es wurden nur vier Hilfsorganisationen zur Angebotsabgabe aufgefordert. Dagegen zog jedoch der private Rettungsdienstleister Falck mit Sitz in Hamburg vor Gericht. Aus Sicht dieser Unternehmensgruppe hätte die Vergabe in einem EU-weiten öffentlichen Verfahren durchgeführt werden müssen.
Dieser Streit hatte bei zahlreichen rettungsdienstlichen Vergabeentscheidungen im Lande für Unruhe gesorgt. Den anerkannten Hilfsorganisationen geht es jetzt um eine sinnvolle Umsetzung des Luxemburger Urteils in Nordrhein-Westfalen. „Hierzu werden unsere Landesverbände kurzfristig das Gespräch mit der Landesregierung und den kommunalen Spitzenverbänden suchen“, erklärt Böth.
Vorabentscheidungsgesuch des OLG Düsseldorf
Dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes lag ein Vorabentscheidungsgesuch des Oberlandesgerichts Düsseldorf zugrunde. Darin war insbesondere zu klären, ob die Notfallrettung in einem Rettungswagen oder der medizinisch begleitete Patiententransport in einem Krankentransportwagen unter die Bereichsausnahme fallen und „Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr“ im Sinne des europäischen Vergaberechts sind. Ebenso hatte der Gerichtshof zu entscheiden, ob „gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen“ insbesondere die nach Bundes- und Landesrecht anerkannten Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen (Arbeiter-Samariter-Bund, Deutsches Rotes Kreuz, Johanniter-Unfall-Hilfe, Malteser Hilfsdienst) sind.