SOLINGEN (mh) – „Henrys Wendejahre. Roman eines Werdegangs“ So heißt der neue satirische Roman des Solinger Autors Kay Ganahl, in dem er das Schicksal des Henry Schlock thematisiert. Dieser Jungagent der Stasi überlebte den Untergang des Regimes in der DDR und setzt als Mitglied der „Organisation Stempel“ seine Tätigkeit in abgewandelter organisatorischer Form fort. Das verfolgte Ziel ist die Unterwanderung der Gesellschaftsordnung in ganz Deutschland.
Aus dem Leben eines Jungagenten
In 2019 jährt sich die demokratische Revolution in der DDR zum dreißigsten Mal – ein Weltereignis von höchstem Rang. Rechtzeitig zu diesem bedeutenden Ereignis wurde Ganahls Buch im Grille Verlag veröffentlicht. Darin schildert der Autor realistisch die Erlebnisse seines Protagonisten, den es im wahren Leben nie gegeben hat, aber hätte geben können. „Es geht mir darum aufzuzeigen, welche enorme Bedeutung die Stasi für die DDR, ja, für ganz Deutschland hatte. Ein kleiner Teil der Bevölkerung, der eine enorm große Machtfülle in sich vereinte.“
Kay Ganahl vermittelt in seinem Werk dem Leser surreale Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt von Henry Schlock sowie dessen Kollegen, Freunden und Feinden. Er lässt ihn suchen nach früheren Werten oder, wie Dr. Manfred Luckas, Vorsitzender des Freien Deutschen Autorenverbandes NRW (FDA/NRW), in seinem Vorwort anführt, „nach dem Anschluss an alte Heldentage und Heldentaten.“
Literarische Persönlichkeit eines Autors
Er habe sich schon seit frühester Jugend für das Thema „Geheimdienste“ interessiert, berichtet der Schriftsteller. „Es nahm alles für mich eine immer düstere Farbe an. Und als 1989/1990 die Stasi-Aktivitäten an die Öffentlichkeit gezerrt wurden, war mir klar, dass ein Geheimdienst überhaupt nichts Gutes beinhalten kann. Man argumentiert vielleicht, dass es unter anderem darum geht, feindliche Spione abzuwehren. Aber muss ich deshalb akzeptieren, dass der eigene Staat auch im Untergrund arbeitet?“
Eine nicht leicht zu beantwortende Frage, die Kay Ganahl aufwirft. Doch er befasst sich gerne mit schwierigen Themen, bezeichnet sich als engagierter Schreiber, der durch seine politische Haltung die Bedeutung der unterschiedlichsten Ideen klassifiziert. „Auch das macht einen Autor als literarische Persönlichkeit aus.“
Vor allem das Thema Freiheit beschäftigt ihn enorm, was eindeutig in seinem Roman mitschwingt. Henry, sein Protagonist, will nach der Wende weiterhin als Agent aktiv bleiben. Er agiert in dem Bewusstsein, dass sein Tun nicht dazu dient, andere Menschen freier zu machen, sondern zu unterwandern. Unrecht und politische Kriminalität machen seine Persönlichkeit aus.
Was bedeutet Freiheit für den Literaten Ganahl? „Für mich ist es Freiheit, wenn die Persönlichkeit eines Menschen voll zur Geltung kommen kann, sein Tun und Lassen nicht von anderer Seite stark negativ beeinflusst wird.“ Ganahl sagt von sich selbst, er greife immer wieder Themen auf, zu denen einfach etwas geschrieben, Stellung bezogen werden muss.
Geschichten mit offenem Ende
Der Roman Henrys Wendejahre ist bewusst satirisch gefärbt. „Satire hat für mich immer etwas ganz Wahrhaftiges“, betont Ganahl und gibt zu, man könne sich nie ganz sicher sein, ob er selbst das Geschriebene auch wirklich so meint. „Wenn ich mich einem Thema widme und für das, was ich berichte, keinerlei Beweise habe, muss ich ja in dem Bewusstsein schreiben, dass die Schilderungen zumindest wahr sein könnten. So wie im Fall meines Protagonisten Henry. Es hätte ihn durchaus in den 90er Jahren geben können.“
Die Rohfassung des Manuskriptes entstand schon 1992. Dann aber schlummerte sie einige Jahre in der Schublade, bis sie 2015 wieder zum Leben erweckt und vollständig neu überarbeitet wurde. Ein typisches Merkmal seiner Werke: Das Ende ist bewusst offen gehalten. „Meine Bücher sind nie komplett abgeschlossen. Vielleicht führe ich die Geschichte fort, vielleicht auch nicht. Das lasse ich derzeit bewusst unbeantwortet.“
Kay Ganahl schreibt schon seit vielen Jahren und ist in den unterschiedlichsten Genres zu Hause, In den bislang 38 Einzelwerken findet der Leser gesellschafts- und zeitkritische Lyrik, Kurzprosa, Kurzgeschichten, Erzählungen, Romane, Stücke und wissenschaftliche Studien. Vervollständigt wird die Sammlung durch die Mitarbeit in einer Reihe von Anthologien, Zeitschriften und Herausgeberschaften. Er selbst bezeichnet seine Texte als Lesereise in die Psyche eines Schriftstellers.
Der Diplom-Sozialwissenschaftler engagiert sich, nicht nur als Schriftsteller, sondern auch durch unermüdliche Aktivitäten in verschiedenen Organisationen und Verbänden. Er ist Gründungsmitglied der Solinger Autorenrunde, Kommunikationsbeauftragter im FDA/NRW und obendrein Landesvorstandsmitglied. „Literatur muss sich auch selbst organisieren, um in der Gesellschaft zur Geltung zu kommen“, sagt er und ergänzt dann: „Wir leben in einer bildlastigen Gesellschaft, wodurch sich das Wort zu verlieren droht.“
Literarische Wanderung in Planung
In einem seiner nächsten Projekte wird das Wort jedoch bewusst gesucht. Für das kommende Frühjahr organisiert er wieder eine der beliebten literarischen Wanderungen der Solinger Autorenrunde in Kooperation mit dem FDA/NRW statt. Weitere Informationen folgen in Kürze.