SOLINGEN (mh) – Im beschaulichen Solinger Vogel- und Tierpark lebt in trauter Gemeinschaft ein Kappengeier-Trio. Das zwanzigjährige Männchen hat zwei sieben Jahre alte Gefährtinnen bekommen. Nach dem tragischen Verlust seines früheren Weibchens, das an einer Legenot starb, war es für das Männchen nicht einfach, sich zwischen den beiden Geierdamen zu entscheiden. Doch warum sich entscheiden, wenn man auch beide haben kann? „Es war nicht einfach, neue Tiere zu bekommen“, berichtet Janett Heinrich, die engagierte Tierpflegerin des Parks. Die neuen Weibchen stammen aus einer Zucht in Belgien und wurden persönlich von den Pflegern abgeholt.
Kappengeier im Trio
Die Kappengeier sind zoologische Raritäten und ihre Lebensweise ist ebenso faszinierend wie amüsant. Im vergangenen Jahr gab es sogar die erste Eiablage. Leider geschah ein Missgeschick mit dem ersehnten Nachwuchs, da das Weibchen das Ei nicht im Nest, sondern auf dem Boden des Geheges ablegte. Bei Geiern gibt es keine festgelegte Paarungszeit; sie können das ganze Jahr über für Nachwuchs sorgen. Ein Gelege besteht meist aus einem einzigen Ei – Qualität statt Quantität. Vorwiegend kümmert sich das Weibchen um das Gelege. Die Fütterung des Jungtieres übernehmen aber beide Elternteile.
Kappengeier haben einen ungefiederten Kopf. Er erinnert an die Perücken der englischen Gerichtsbarkeit. (Foto: © Martina Hörle)Äußerlich kann man kaum zwischen Männchen und Weibchen unterscheiden, außer während der Brutstimmung. Dann färbt sich das Männchen vom Kopf her blau. Die Weibchen bevorzugen eher rot. In entspannter Stimmung sind die Tiere grau. So ähnlich sie sich auch sehen, haben sie doch ganz unterschiedliche Charaktere. Das Männchen ist überaus entspannt und beobachtet gelassen sein Reich, während die Weibchen kess umherlaufen und den Pflegern beim Saubermachen des Geheges auf die Finger schauen. „Sie wollen dabei sein, sich aber nicht anfassen lassen“, schmunzelt Janett Heinrich.
Eindrucksvolle 160 cm Spannweite
Es ist ein bemerkenswerter Anblick, sie nach dem Regen zu beobachten. Dann sitzen sie mit ausgebreiteten Flügeln in der Sonne, lassen sich trocknen und genießen die Wärme. Mit einer Körpergröße von 60-70 cm gehören Kappengeier eher zu der kleineren Spezies. Mit ihrer eindrucksvollen Spannweite sind diese Vögel durchaus gute Flieger– auch wenn sie lieber gemütlich von Ast zu Ast springen. Schließlich kostet Fliegen viel Energie. „Geier sind überaus clevere Tiere“, erklärt die Tierpflegerin. „Wenn sie merken, dass es genügend Futter gibt, sorgen sie für Nachwuchs. Bei Futterknappheit sehen sie von einer Brut ab.“
Kappengeier sind als Schmutzgeier bekannt und ernähren sich hauptsächlich von Aas. Ihr ungefiederter Kopf ist dabei äußerst praktisch: So bleibt er beim Verzehr der Innereien schön sauber. Er erinnert ein wenig an die schulterlangen Perücken der englischen Gerichtsbarkeit. Neben dem Aas bekommen sie auch anderes Futter. Bei einseitiger Ernährung würde die extrem scharfe Magensäure den Magen der Tiere zersetzen. Geier leisten in der Natur eine wichtige Aufgabe. Durch ihr Fressen von Aas helfen sie, das Ausbreiten von Krankheiten zu verhindern. Interessant ist vor allem, dass die Geier keine Nasenscheidewand haben – wiederum eine praktische Einrichtung der Natur. Das Aas hat einen absolut penetranten Geruch. Wenn die Geier riechen könnten, würde sie das vermutlich vom Fressen abhalten. So aber merken sie nichts davon und genießen ihre Nahrung.
Kappengeier als Gesundheitspolizei
Und dann kann Janett Heinrich noch mit einer amüsanten Anekdote aufwarten: Vor Jahren erhielt sie einen Anruf aus Ohligs – angeblich wurde dort ein Geier in einem Karton gefunden. Neugierig machte sie sich auf den Weg, nur um festzustellen, dass es sich bei dem vermeintlichen Geier um eine Pute handelte. Manchmal kann ein Karton eben voller Überraschungen sein.