SOLINGEN (mh) – „Du bist mein Schöpfer, aber ich bin dein Herr. Diese Worte ließ Mary Shelley das namenlose Monster seinem Schöpfer Viktor Frankenstein entgegenschleudern.“ Mit diesen Worten beginnt Dr. Kerstin Borchhardt die Laudatio und leitet damit über zu Frankenstein, der Gruselgeschichte schlechthin, die ihren 200. Geburtstag feiert.
Leipziger Kunstwissenschaftlerin hält Laudatio
Die Kunstwissenschaftlerin der Universität Leipzig ist zur Eröffnung der Ausstellungen Otherness / Dimensions nach Solingen gekommen. „Diese Werke, die Janine Werner und Ingo Schleutermann für die Ausstellung nach Solingen geholt haben, sind von den größten Künstlern in Mexiko geschaffen. Kuratiert von César Israel Ramírez Oropeza, dem mexikanischer Galeristen und wahrscheinlich bedeutendsten Promoter der mexikanischen Kunst.“ Werner und Schleutermann waren letztes Jahr bei der Giger-Ausstellung in der Schweiz und in Mexiko-City die einzigen deutschen Teilnehmer.
Borchhardt befasst sich seit vielen Jahren mit der Dark Art. „Ich mag Grenzübergange, Verwischungen“, erläutert sie das Faszinierende, „wenn Sachen, die absolut gesetzt werden, ineinander fließen.“ Dabei führt sie Begrifflichkeiten auf wie „Das schöne Grauen“ oder „Der erhabene Schrecken“. „Die hierin verborgene Faszination entzündet eine Art Feuer und lässt das Interesse sprühen.“
Die Ausstellung „Dimensions“ zeigt die Dimensionen der mexikanischen Dunklen Kunst. Sie war zuvor bereits im Historischen Bahnhof und im Augusteum der Universität zu sehen gewesen und hatte dort großen Anklang gefunden. Leipzig ist der Anziehungspunkt für die Dunkle Kunst. Hier findet regelmäßig das weltgrößte Festival der Dunklen Szene statt, auf dem namhafte Künstler, wie beispielsweise der kürzlich verstorbene José Manuel Schmill ihre Arbeiten präsentieren.
Las Catrinas – schöne Ladies der Totenszene
In den Kunstwerken verschmelzen Aspekte der mexikanischen Kultur mit internationalen Elementen aus der Gothic-Kultur. Neben zahlreichen anderen Werken sind es die Interpretationen der schönen Ladies der mexikanischen Totenszene – Las Catrinas. Gerade in der „Dimensions“ treffen die Besucher auf Schädel in den verschiedensten Arten. Farbenprächtig und lebendig – so ist die Dunkle Kunst in Mexiko. Auch wenn sie sich häufig um den Tod dreht, ist sie trotz allem eine Hommage an das Leben.
Was in „Otherness“ gezeigt wird, ist einerseits eine Auseinandersetzung mit Mary Shelleys Roman, wird aber andererseits mit der Philosophie des großen Nobelpreisträgers Oktavio Paz kombiniert. Auch hier finden sich Inspirationselemente aus der mexikanischen Kultur. Gefeiert wird das „Andere“, das dunkle, unheimliche, künstlich geschaffene Monster. Doch es ist auch die Andersartigkeit im alltäglichen Leben, die uns zwar Angst macht, mit der umzugehen wir aber doch einen Weg finden. Daraus entsteht oft etwas wirklich Kreatives. Und was könnte kreativer sein als die Kunst? Sie bietet allen eine Möglichkeit, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, führt die Dimension des Anderen vor Augen.
Die Besucher sind von beiden Ausstellungen begeistert. „Es sind wirklich packende und beeindruckende Bilder“, betont die Fotografin Maryam Sabri. Das Thema findet sie in keiner Weise abschreckend. „Der Tod gehört ja zum Leben und auch in die Kunst.“ Ihr gefällt die Art und Weise, dem Tod auf eine freundschaftliche Art zu begehen, wie es die Mexikaner mit Musik, Farbigkeit und Tanz tun. Der Tag des Todes, „Dia de los Muertos“, ist eines der größten Volksfeste in Mexiko.
Produktive Zusammenarbeit wird fortgesetzt
Mittlerweile hat sich zwischen den mexikanischen Künstlern, Dr. Kerstin Borchhardt und den Künstlern Janine Werner und Ingo Schleutermann eine für alle Seiten bereichernde produktive und kreative Zusammenarbeit entwickelt. Alle Beteiligten wollen auch künftig ihre Kräfte in gemeinsamen Aktivitäten bündeln. Die Ausstellungen Otherness / Dimensions werden in Deutschland nur in Leipzig und Solingen gezeigt. Die nächste Station wird Barcelona.
Aufgrund der Vielzahl der Werke ist „Dimensions“ im Atelier AndersARTig (bis 15. Juli) zu sehen, Otherness gleich nebenan im Atelier KünstlerPack (bis 30. Juni). Geöffnet ist jeden Samstag und Sonntag von 14 – 18 Uhr.