SOLINGEN (bgl) – Man konnte sich des Eindrucks nur sehr schwer erwehren, dass am Dienstagabend im Bürgersaal der evangelischen Stadtkirche am Fronhof zwei grundgegensätzliche Weltanschauungen aufeinander prallen würden. Hier die Kirchen, die verkaufsoffene Sonntage im Grundsatz ablehnen. Unterstützt von der Gewerkschaft Verdi, die ebenfalls an Sonntagen generell Ladenlokale lieber geschlossen, denn offen sieht. Dort die Vertreter des Handels, die den Einzelhändlern in Solingen gerne Öffnungszeiten an ausgesuchten Sonntagen im Jahr ermöglichen würden.
Und in der Mitte die Stadtverwaltung in ihrer Rolle als Vermittler. Die Bergische Volkshochschule lud zur Podiumsdiskussion rund um das Reizthema ein. „Atmen Sie alle doch einmal bitte tief durch! Wir müssen zu einem Konsens kommen, der beide Seiten wertschätzt“, forderte Oberbürgermeister Tim Kurzbach in seiner Begrüßung. Wie schwierig das werden wird, zeigt ein Blick in den vergangenen Monat und den 4. Dezember im Advent, als die Gewerkschaft Verdi mittels einer Klage einen stadtweiten verkaufsoffenen Sonntag in Solingen verhinderte. Sehr zum Unmut vieler Einzelhändler.
Welzel: Rechtslage ist sehr komplex
Seinerzeit löste die Stadtverwaltung den Gordischen Knoten insofern, dass sie in den drei Stadtteilen einzeln die Geschäfte öffnen ließ. „Wir haben eine komplexe Rechtslage. Grundsätzlich gilt, dass ich sonntags nur öffnen darf, wenn es etwas gibt, wo die Leute in großer Zahl hingehen, wie etwa beim Zöppkesmarkt“ erklärte Rechtsdezernent Jan Welzel. Selbst damit könnte Verdi-Bezirksgeschäftsführerin Sabine Hilgenberg nur ganz schwer leben: „Wir lehnen jede Sonntagsöffnung ab. Es geht um unsere Mitglieder, die es verdient haben, einen freien Sonntag zu haben“, betonte die Gewerkschafterin.
Einen ähnlichen Standpunkt vertrat auch Edgar Daub, Pfarrer der Freien evangelischen Gemeinde Merscheid: „Uns geht es auch darum, dass unser Leben nicht entrhythmisiert wird. Konsum braucht auch eine Pause“, meinte der Pastor. Dem widersprach Dr. Daria Stottrop von IHK Wuppertal-Solingen-Remscheid: „Am Sonntagnachmittag ist der größte Traffic auf den Einkaufsportalen im Internet. Ganz ohne Konsum geht es nun mal nicht“, betonte sie.
Der Einzelhandelsstandort Solingen müsse gestärkt werden
Ralf Engel vom Handelsverband NRW in Wuppertal erinnerte daran, dass es sich jeweils „nur“ um fünf Stunden an ausgewählten Sonntagen von 13 bis 18 Uhr handeln würde. Laut Dezernent Welzel sei das an elf Terminen im Jahr grundsätzlich möglich. „Es gibt ganz viele Betriebe, wo gemeinsam mit den Mitarbeitern ein verkaufsoffener Sonntag gestaltet wird“, sagte der Rechtsanwalt. Demnach wüssten viele Mitarbeiter sehr genau, dass die Öffnung des Geschäfts an einem Sonntag auch dazu beitragen würde, ihren Arbeitsplatz zu sichern. „Ich glaube, wir brauchen diese Unterbrechung an den Sonntagen einfach. Einen Tag der Ruhe“, widersprach der katholische Geistliche Meinrad Funke.
Verkaufsoffene Sonntage: Kaufkraft in Solingen halten
Aus dem Publikum kam schließlich die Frage auf, ob man einen Euro, den man unter der Woche nicht ausgegeben hat, denn zwingend am Wochenende ausgeben würde. „Es ist doch zunächst einmal wichtig, dass der Euro überhaupt in Solingen bleibt“, machte Dr. Daria Stottrop deutlich. Denn wenn in den Nachbargemeinden an den Sonntagen geöffnet ist und in Solingen nicht, zeige die Erfahrung, dass die Kaufkraft aus Solingen nach Hilden, Langenfeld oder Düsseldorf wandern würde. Deshalb würde sie sich wünschen, dass man nach einer Lösung sucht, die auch jenseits der Stadtgrenzen Wirkung zeigt.
Eine Beobachtung, die auch Jan Höttges vom Solinger Initiativkreis machen konnte: „Wenn bei uns zu ist, dann fahren die Leute einfach nach Roermond, da ist immer auf. Dort verbringen sie dann einen schönen Urlaubstag. Und im Urlaub gibt man bekanntlich gerne Geld aus“, meinte der streitbare Unternehmensberater, der sich wünschen würde, den Einzelhandel in Solingen generell zu attraktiveren. Dicke Bretter, die von der Stadtverwaltung in ihrer Rolle als Mediator gebohrt werden müssen.