SOLINGEN (bgl) – Der Weg von der ehemaligen Flüchtlingsunterkunft an der Schulstraße zur „Libelle“ ist ein kurzer. Allerdings sind die Bewohner der Einrichtung inzwischen in Wohnungen und anderen Unterkünften in ganz Solingen verteilt, so dass Reinhard Burski und seine Mitstreiter von „Gräfrath hilft“ am Mittwochabend etwas warten mussten, bis die insgesamt zehn Frauen und Männer schließlich doch noch an der Wuppertaler Straße aufschlugen. In der ehemaligen Gräfrather Disco bieten die ehrenamtlichen Helfer seit einem Monat einmal wöchentlich Informationsabende für Flüchtlinge zum Thema Grundgesetz an. „Wir gehen hier die Punkte des Grundgesetzes durch, schweifen aber auch in verschiedene Richtungen ab“, erklärt Reinhard Burski. So nahm man sich am Mittwochabend auch die Sozialgesetze in Deutschland vor. „Es geht ja auch darum, begreiflich zu machen, dass jemand, der beim Jobcenter gemeldet ist, gewisse Rechte verliert“, gibt Burski ein ganz konkretes Beispiel.
Gesprächsrunde in lockerer Atmosphäre
So gibt es unter anderem diversen Restriktionen bei der Wohnungswahl. Ein aktuelles Problem, denn vor allem die alleinstehenden Flüchtlinge haben Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche. „Ein Großteil der Familien ist aber inzwischen in Wohnungen untergebracht“, berichtet Lisann Käsch von „Gräfrath hilft“. Während die ehemalige Einrichtung an der Schulstraße inzwischen leer ist, sind im Eugen-Maurer-Haus noch Flüchtlinge untergebracht. In den Theoriestunden wird das Grundgesetz nicht staubtrocken runterzitiert. Ganz im Gegenteil. In lockerer Atmosphäre tauschen sich die Flüchtlinge mit den ehrenamtlichen Helfern und untereinander aus. „Es geht dabei auch um die Formen unseres Zusammenlebens. Das kennen unsere Schützlinge natürlich so nicht“, macht Reinhard Burski deutlich. Dabei gebe es auch in den Herkunftsländern sehr oft entsprechende Gesetze, die allerdings nicht durchgesetzt würden. „Wir haben uns letzte Woche über Kinderrechte unterhalten. In Deutschland ist ja Kinderarbeit verboten und im Iran gesetzlich auch. Die Kinder arbeiten dort trotzdem“, berichtet Rita Ebrahimi aus ihrer persischen Heimat.
Ausflug in den Düsseldorfer Landtag geplant
Für Katona Broeva, die aus Georgien nach Solingen kam, sind die Treffen eine willkommene Gelegenheit, ihre Sprachkenntnisse zu trainieren. Denn gesprochen wird grundsätzlich auf Deutsch. „Wir sprechen hier sehr langsam Deutsch und es wird immer besser“, freut sie sich. Beide Frauen sind sehr wissbegierig und freuen sich bereits auf die nächsten Info-Abende. „Ich liebe Deutschland sehr. Ich möchte erfahren, wie die Deutschen leben und sehr viel über die Gesetze lernen“, sagt Rita Ebrahimi. Eine Win-Win-Situation, denn auch die ehrenamtlichen Deutschen gehen kein Stück dümmer aus den Treffen mit ihren Schützlingen: „Wir lernen sehr viel von den Flüchtlingen, beispielsweise wie es bei ihnen zu Hause ist. Wir bekommen hier Informationen, die wir sonst nicht kriegen würden“, erläutert Uli Kampschulte. Die Teilnehmer kommen unter anderem aus Syrien, dem Irak, Iran, Afghanistan und Georgien. Dass die Initiative noch viel Arbeit hat, ist den Helfern sehr wohl bewusst. In Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes steht, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. „Aber was bedeutet das Wort ,Würde´ überhaupt? Auch das müssen wir hier ganz genau erklären“, betont Lisann Käsch. Bei einem Ausflug in den Düsseldorfer Landtag dürfen sich die Grundgesetz-Schülerinnen und Schüler demnächst einen genaueren Einruck in Sachen parlamentarische Demokratie machen.