SOLINGEN (mh) – Kara Raudt, mit bürgerlichem Namen Xenia Erkens, näht mit Begeisterung und Leidenschaft Gewandungen aus alter Zeit. Aus dieser Leidenschaft heraus hat sie bei dem Aufbau dreier Freilichtmuseen mitgewirkt, in denen sie bereits verschiedene Darstellungen präsentiert hat.
Gewandungen aus alter Zeit
Seit mehreren Jahren nimmt Kara Raudt alias Xenia Erkens an Steampunk- oder Fantasy-Veranstaltungen teil. Die Zeiten von Hoch- bis Mittelalter schätzt sie ebenso gerne wie die Modepalette im Stil der 1920er Jahre a la Coco Chanel oder den Gatsby-Look. Die Gewandungen der entsprechenden Zeitalter näht sie sich selbst aus alten Tischdecken, Gardinen oder ähnlichen Materialien. Nur Hüte gehören nicht dazu. Die sucht sie eher in Hutgeschäften. Allerdings hat sie sich gerade eine Haube für die 1840er Jahre selbst gestaltet. „Es hat ziemlich lange gedauert“, gibt sie zu.
Doch auch die Anfertigung der diversen Kleidungsstücke ist wirklich zeitintensiv. Für ein Kleid in der spätviktorianischen Zeit benötigt sie im Durchschnitt 5-6 Stunden. Schnell kann es allerdings auch mehr werden. Für ein anderes Outfit hat sie rund 48 Stunden Zeit aufgewendet. Doch da bei diesem Kleid 68 Tellerfalten ihren Platz fanden, wundert der Zeitaufwand nicht wirklich, schon eher die unermüdliche Geduld der Näherin.
Recycling und Upcycling großgeschrieben
Kara Raudt ist Mitglied der Gruppe Steampunk Treffen NRW. Das Viktorianische Zeitalter, die Zeit der großen Industrialisierung, bildet die Grundlage des Steampunk. Diese Kunstrichtung existiert bereits seit den 1980er Jahren und gilt als Subkultur des Retrofuturismus. Hier werden Recycling und Upcycling großgeschrieben. Die meisten Steampunker bauen, basteln und kreieren ihre Sachen selbst, so wie Kara Raudt.
Auf Festivals treffen sich Tausende von Steampunkern zu außergewöhnlichen Ausstellungen und Show-Acts, frei nach dem Motto „Alles ist machbar“. Man könnte sagen, es sind lebende Kunstwerke, die hin und her flanieren. Die Szene scheint einem früheren Jahrhundert entsprungen. Und wirkt doch wiederum futuristisch.
Mode der 20er Jahre
Schon als Teenager besuchte Kara gerne mittelalterliche Märkte. „Beim Steampunk gefällt mir besonders, dass es keine strengen Regeln gibt“, lacht sie. Deshalb kombiniert sie ihr Outfit bewusst mit nicht authentischen Accessoires oder Stoffen, die es zu der damaligen Zeit noch gar nicht gab. Steampunk zeigt die Geschichte, wie sie nie war, aber hätte sein können. Oder anders ausgedrückt: Wie sich die Menschen in früheren Jahren die Zukunft vorgestellt hatten. Das Ergebnis sind kuriose Vermischungen von Technik, Mensch und Maschine.
„Die Mode der 20er Jahre ist leicht herzustellen“, erklärt die geschickte Kleidermacherin. Meist sind es gerade oder halbrunde Schnitte, mit Rüschen oder Tellerfalten verziert. Hier liegt das Augenmerk aber, im Gegensatz zum Steampunk, unbedingt auf Authentizität.
Das Nähen hat sich Kara Raudt autodidaktisch beigebracht. Angefangen hatte es mit einer alten Nähmaschine, die sie von einer Tante geerbt hatte. Als erstes Stück entwarf sie ein Steampunk-Kleid aus alten Tischdecken, Gardinen und Stoffresten. Kleider trägt Kara sehr gerne. Bei den Korsagen braucht sie allerdings eine Anziehhilfe. Als „Zofe“ fungiert dann schon mal ihr Sohn.
Kreativer Austausch in der Pause
Im realen Leben ist Xenia Erkens im Bereich Verwaltung tätig. „Ich arbeite sehr gerne in diesem Bereich“, erklärt sie. „Hier gibt es immer wieder interessante Projekte.“ Ihre Kollegen, so sagt sie, sind ebenfalls äußerst kreativ, wenn auch nicht im gleichen Metier wie sie selbst. Die Pausen nutzen sie für einen kreativen Austausch, der wiederum einen Anstoß für weitere Objekte bildet.
Sieht Kara ein Kleid, das ihr gefällt, schneidert sie es gerne nach und präsentiert es bei den entsprechenden Veranstaltungen. Manchmal darf es aber auch schlichter sein. Dann trägt Kara zu hohen Stiefeln einen langen schwarzen Mantel, einen klassisch gearbeiteten Steampunk-Zylinder und einen eleganten Spazierstock. Eine spezielle, aus einer Uhr gefertigte Handtasche rundet das Outfit ab.
Stoffgeschäfte sind nicht nur eine Quelle der Inspiration, sondern auch eine große „Gefahr“ für sie. Bei den vielen Angeboten macht sie das eine oder andere Mal reiche Beute, auch wenn nicht alles sofort verarbeitet wird. Das nächste Outfit kommt mit Sicherheit.