Start Aktuelles Ulli Schmidt – Energiepaket im Unruhestand

Ulli Schmidt – Energiepaket im Unruhestand

0
Knapp ein Jahr ist es jetzt her, dass Ulli Schmidt seine Polizeiuniform an den Nagel gehängt hat. Doch der Pensionär ist alles andere als im Ruhestand. (Foto: © Martina Hörle)
Knapp ein Jahr ist es jetzt her, dass Ulli Schmidt seine Polizeiuniform an den Nagel gehängt hat. Doch der Pensionär ist alles andere als im Ruhestand. (Foto: © Martina Hörle)
Anzeige
Anzeige

Anzeige

SOLINGEN (mh) – 45 Jahre war er bei der Polizei (April 1975 bis November 2020), davon 35 Jahre in der Verkehrserziehung. „Ich habe diese Zeit nie bereut. Es war ein echter Glücksgriff“, sagt Ulli Schmidt von seiner beruflichen Zeit.

Anzeige

Seit rund einem Jahr ist der „Polizist mit dem Schnurrbart“ nun in Pension (wir berichteten). Doch wer dieses Energiepaket persönlich erlebt hat, kann das mit Recht nicht glauben. Schmidt im Ruhestand geht gar nicht. Gerade hat er wieder eine Fortbildung absolviert. „Jung + sicher + startklar“ ist eine Aktion für junge Menschen, die gerade den Führerschein erworben haben oder kurz davor stehen. „Mich reizt diese Zielgruppe“, sagt Ulli Schmidt und schildert begeistert die Methodenvielfalt, die in diesem Programm zur Verfügung steht. Zu verschiedenen Themen werden in der Schule zweistündige Unterrichtseinheiten abgehalten, so beispielsweise Unfall und die Folgen, Ablenkung oder Fahrzeugtechnik. Im Nachgang besteht die Möglichkeit, an Geschwindigkeits- oder Überschlagsimulatoren sowie Gurtschlitten die Theorie einmal praktisch zu erfahren. „Man erreicht nicht jeden mit der gleichen Methode. Unter Umständen muss man mitten im Ablauf schnell wechseln. Auch ohne Pädagoge zu sein, ist ein gewisses Maß an pädagogischem Feeling nötig. Wichtig ist auf jeden Fall Spaß am Umgang mit Menschen und Spaß an der Vermittlung der Inhalte. Wenn die Kombination stimmt, wird es gut.“

Bei Ulli Schmidt stimmt die Kombination

„Viele Menschen, darunter auch Kollegen, wissen gar nicht, was sich hinter Verkehrserziehung versteckt, wie groß der Anteil an pädagogischer Arbeit ist.“ Schmidt gibt zu, dass es ihm anfangs ähnlich ging. „Es war 1986“, erinnert er sich, „da gab es für mich die Möglichkeit, drei Monate in der Verkehrserziehung zu hospitieren.“ Es war eine Punktlandung mit dem Tüpfelchen auf dem I, dass der dortige Kollege Manfred Klaus Schmidt (ebenfalls mit dt) kurze Zeit später in den Bezirksdienst wechselte und damit der Platz für Ulli Schmidt frei wurde. „Schmidt ersetzte Schmidt“, lacht er verschmitzt.

Gemeinsam mit Kollege Jürgen Dahlmann war er von da an für die Verkehrserziehung zuständig, bis eineinhalb Jahre später die Zahl der Verkehrserzieher auf drei erhöht wurde und Thomas Müller das Trio vervollständigte. „Mit Thommy habe ich 25 Jahre zusammen gearbeitet, fast eine Silberne Hochzeit“, erzählt Ulli Schmidt. Thomas Müller ist ein Jahr vor ihm in Pension gegangen.

So kannte man den Polizisten Schmidt viele Jahre auf Solingens Straßen. Immer gut gelaunt und nie belehrend wies er die Verkehrsteilnehmer auf Unregelmäßigkeiten hin. (Foto: © Martina Hörle)
So kannte man den Polizisten Schmidt viele Jahre auf Solingens Straßen. Immer gut gelaunt und nie belehrend wies er die Verkehrsteilnehmer auf Unregelmäßigkeiten hin. (Archivfoto: © Martina Hörle)

Eigentlich hatte er Ingenieur werden wollen. „In meinem Jahrgang und auch in dem Jahrgang davor sind seinerzeit unglaublich viele Jungs zur Polizei gegangen, auch mein damaliger Freund. Ich glaube, das war mit ein Grund, weshalb ich mich umentschieden habe.“ Es sollte ein Beruf sein, bei dem man viel unterwegs sein konnte und nicht ständig im Büro am Schreibtisch sitzen musste, eben die Tätigkeit, die damals zum klassischen Streifendienst gehörte. Die Grundausbildung fand in Münster in der dortigen Kaserne statt. „Es war ähnlich wie beim Wehrdienst“, stellt Schmidt fest, „es gab einen Spieß und auch Stubenappell. Ins Wochenende durfte man erst, wenn alles sauber und ordentlich war.“

Ausbildung in der Kaserne

Seit vielen Jahren engagiert sich der Verkehrserzieher als ehrenamtliches Mitglied bei der Verkehrswacht Solingen. Hier hat er im Laufe der Jahre an zahlreichen Fortbildungen teilgenommen. Dazu gehören unter anderem eine Moderatoren-Ausbildung sowie der Fahrsicherheits-Trainer. „Die Verkehrswacht und der ADAC haben viele verschiedene Zielgruppen im Blick: Eltern, Senioren, Menschen mit Handicap“, zählt Ulli Schmidt auf. „Durch das Fahrtraining wird die Gruppe der Erwachsenen mit betreut, Über die Eltern erreicht man Kindergarten- und Schulkinder. Mit Senioren führt man ein Rollator-Training durch und frischgebackene Eltern erfahren alles Wissenswerte über die richtigen Kindersitze im Auto.“ Es gibt Radfahrausbildungen an weiterführenden Schulen, Schutzengel-Programme und Blaulicht-Schulungen für Mitarbeiter der Stadtwerke. Im Gas-/Wasserbereich sind die Leute ja auch mit Blaulicht unterwegs. „Bei Kindern muss man sich richtig anstrengen“, findet der Verkehrsexperte. „Sie sind das anspruchsvollste Publikum und quittieren ganz klar durch Unaufmerksamkeit, wenn man nicht gut ist.“

Ulli Schmidt unterrichtete und informierte früher als Polizist und jetzt als Mitarbeiter der Verkehrswacht Solingen Zielgruppen von Kindern bis Senioren. Dabei erzählt er spannend und unterhaltsam und lässt auch so manches Mal einen kleinen Scherz mit einfließen. (Foto: © Martina Hörle)
Ulli Schmidt unterrichtete und informierte früher als Polizist und jetzt als Mitarbeiter der Verkehrswacht Solingen Zielgruppen von Kindern bis Senioren. Dabei erzählt er spannend und unterhaltsam und lässt auch so manches Mal einen kleinen Scherz mit einfließen. (Archivfoto: © Martina Hörle)

Doch nicht alles, was zur Verkehrserziehung gehört, ist spielerisch erfahrbar und macht Freude, ist aber unter Umständen umso wichtiger. Das Bühnenprogramm im Rahmen der Crash-Kurse (erst ab Oberstufe) geht ziemlich unter die Haut. In bewegten Worten legt Schmidt dar, wie Feuerwehrleute, Notfall-Seelsorger, Angehörige und auch Unfallopfer selbst von schweren Unfällen in der eigenen Stadt berichten. „Das geht richtig an die Substanz“, gibt er zu und schildert, wie im Stadtteil Wald einmal ein Autofahrer mit wesentlich überhöhter Geschwindigkeit zunächst rechts überholte und dann nach links abbog. Dabei flog er aus der Kurve und raste direkt auf eine ältere Frau zu, die mit dem Rollator an der Ampel stand. Sie hatte nicht die geringste Chance. Tochter und Enkel der Frau kamen nur Minuten später ahnungslos an der Unfallstelle vorbei auf dem Weg zur Mutter, mit der sie verabredet waren.

Nicht weniger aufwühlend ist der Fall, bei dem sich Motorradfahrer unter Drogeneinfluss ein Rennen liefern. Einer prallt auf ein Fahrzeug und schlägt mit dem Kopf auf die Dachkante. Dank der 13 eingebauten Stahlplatten hat er später wieder so etwas wie eine Kopfform und ein Gesicht. Der Sozius fliegt 65 Meter weit durch die Luft. Durch die Rotationsgeschwindigkeit schlägt das Gehirn innerhalb des Kopfes überall an. Nach sechs Monaten im Koma ist er schließlich gestorben. Schreckliche Ereignisse, die aber in in aller Deutlichkeit die möglichen Folgen aus derartigem Verkehrsverhalten vor Augen führen.

Die richtige Nische gefunden

Vielleicht hätte er sich irgendwann mal einen anderen Beruf gewünscht, wenn es ihn nicht zur Verkehrserziehung verschlagen hätte. „Der normale Polizeidienst hat sich im Lauf der Zeit sehr gewandelt, und nicht nur zum Guten. Doch es gibt bei der Polizei viele Möglichkeiten und Nischen, wo man sich einbringen kann.“ Er hat seine gefunden. „Das Schöne ist die Abwechslung. Ich habe keine bestimmte Zielgruppe. Es geht von den Kindergarten-Kindern bis hin zu den Senioren.“

Vor vielen Jahren trug Ulli Schmidt neben dem Schnurrbart auch einen Vollbart. Der kam irgendwann weg. „Eigentlich sollte der Schnurrbart auch weg“, überlegt Schmidt. Aber wenn der Verkehrserzieher in Kindergärten oder Schulen gewesen war, malten die Kinder häufig das Erlebte nach. Und immer trug der Polizist einen Schnurrbart. „So habe ich ihn einfach dran gelassen.“ Er wurde zu seinem Markenzeichen.

Auch als Pensionär hat Ulli Schmidt viel zu tun. Da sind zum  Beispiel Ehefrau Monika und das 1955er Käfer Cabrio, die beide einen Teil seiner Aufmerksamkeit haben möchten. (Foto: © Martina Hörle)
Auch als Pensionär hat Ulli Schmidt viel zu tun. Da sind zum  Beispiel Ehefrau Monika und das 1955er Käfer Cabrio, die beide einen Teil seiner Aufmerksamkeit haben möchten. (Foto: © Martina Hörle)

Wie war für Ulli Schmidt der Übergang in den Ruhestand? „Durch mein Engagement in der Verkehrswacht fiel es mir leicht, in Pension zu gehen. Ich habe ja alle Möglichkeiten, die Verkehrserziehung weiterhin auszuführen. Nur die Uniform habe ich ausgezogen.“ Derzeit brütet er an einem neuen Projekt – ein öffentlicher Verkehrsübungsplatz für Radfahrer. In der Nähe der KiTa Schatzkiste – Region Gleisdreieck/Korkenziehertrasse – gibt es ein großes ungenutztes Areal. Dort könnte ein dauerhafter Radfahrer-Parcours installiert werden. Bunte Markierungsnägel bilden Spurgassen, Slalomwege und mehr. Daneben zeigen Piktogramme die jeweiligen Übungen, ohne dass Sprache ein Hindernis werden könnte.

Neues Projekt geplant

Und dann gibt es ja auch noch Ehefrau Monika und durch Sohn und Tochter mittlerweile vier Enkel. Nicht zu vergessen den 13-jährigen Jack – ein Rauhaardackel/Kernterrier-Mix und das Käfer Cabrio von 1955. Neben Haus und Garten wollen alle einen Teil seiner Aufmerksamkeit haben. Langweilig wird ihm jedenfalls nicht.

Da wünschen wir doch gerne einen weiterhin abwechslungsreichen Unruhestand.

Volksbank Bergisches Land
Anzeige
Vorheriger ArtikelSix Bridges Rally: Friedensdorf-Teams fahren fast 29.000 Euro ein
Nächster ArtikelSanitätshaus Köppchen: Aktionswochen gehen wieder an den Start
Martina Hörle, geprüfte Betriebswirtin, ist freiberuflich als Text-/Fotojournalistin und Autorin tätig. Sie organisiert kulturelle Veranstaltungen und hat im Herbst 2014 die Solinger Autorenrunde ins Leben gerufen.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein