SOLINGEN (mh) – Am Dienstag hielt Ralf Rogge, Leiter des Solinger Stadtarchivs, einen interessanten und zugleich lehrreichen Vortrag über die teils unfreiwillige Eingemeindung der verschiedenen Stadtteile. Der Verein Ohligser Jongens e. V. hatte ins Restaurant Hitze-Frei geladen. Rund 50 Bürger waren der Einladung gefolgt.
Ohligs schärfster Gegner der Eingemeindung
„Vor allem Ohligs hatte an einer Eingemeindung keinerlei Interesse und widersetzte sich zunächst mit allen Mitteln“, führte Rogge aus. Die Ohligser fühlten sich allein in einer besseren wirtschaftlichen Lage, vor allem durch ihre guten Verkehrsanbindungen, seit der Stadtteil 1867 einen eignen Bahnhof bekommen hatte. Damit setzte der Aufschwung ein.
Gesetz über die kommunale Neugliederung
1890 folgte das Rathaus, in das der damalige Bürgermeister Paul Martin Trommershausen einzog. Den Bau eines gemeinsamen Krankenhauses lehnten die Ohligser ebenfalls ab. Sie hatten mit der Virchowklinik ihr eigenes. Später besaßen zwar alle Stadtteile ein Stadtrecht, doch bedingt durch die fehlende Fläche dachte man erstmals über eine Städtevereinigung nach. Im Ersten Weltkrieg war für die Vereinigungsfrage entscheidend, wie die Versorgung der Bürger organisiert werden könnte. Während des Steckrübenwinters erklärte der Ohligser Bürgermeister den Willen zur Vereinigung, zog seinen Entschluss aber später wieder zurück.
Am 1. August 1929 wurde in Berlin auf Anfrage der vier Stadtparlamente (ohne Ohligs) seitens der Regierung das „Gesetz über die kommunale Neugliederung“ beschlossen, wodurch Gräfrath, Wald, Solingen, Höhscheid und Ohligs zur neuen Großstadt Solingen fusionierten. Dorp war bereits 1889 eingemeindet worden. Ohligs mit seinem Bürgermeister Paul Sauerbrey sprach damals von Zwangsvergewaltigung. Als trotz aller Bemühungen die Eingemeindung nicht mehr abzuwenden war, beschlossen die Ohligser schnell den Bau eines Hallenbades. „Das war gut überlegt“, schmunzelte der Stadtarchivar. „Schließlich wussten sie, dass sie die Tilgung der Kosten später nicht allein übernehmen mussten.“
Sauerbrey nannte es Zwangsvergewaltigung
„Noch heute identifizieren sich die Bewohner stark mit ihrem Stadtteil“, betonte Dr. Jörg Wacker, Vorsitzender der Ohligser Jongens. „Gerade diese Vielfalt prägt unsere Stadt.“ Im Anschluss an den Vortrag gab es die Gelegenheit zu Fragestellungen und Diskussionen. Historiker Ralf Rogge und Dr. Jörg Wacker standen gerne Rede und Antwort.
„Wir haben in unserer Veranstaltungsreihe „Ohligs trifft …“ drei bis vier Vorträge pro Jahr geplant“, so Joachim Junker, Geschäftsführer des Bürgervereins. „Dabei geht es um interessante Themen, die nicht nur Ohligs betreffen. Die Reihe ist unter anderem dazu gedacht, neues Wissen zu erlangen und Anregungen zu gewinnen.“ Der Bürgerverein Ohligser Jongens wurde 2014 von 13 interessierten Bürgern ins Leben gerufen. Mittlerweile ist die Mitgliederzahl auf über 50 angestiegen.
Die nächste Veranstaltung ist für Anfang Oktober geplant. Dazu wird ein Denkmalpfleger und Stadtplaner aus Düsseldorf erwartet.