BETHLEHEM (bgl) – Der Geburtsort Christi und der Ort seiner Kreuzigung liegen sehr viel näher beieinander, als man vermuten mag. Gekreuzigt wurde er – folgt man der Bibel – in Jerusalem auf dem Hügel Golgatha. Laut biblischer Erzählung ein Ort, der sich unmittelbar vor den antiken Stadtmauern Jerusalems befunden haben soll. Geboren wurde Jesus in Bethlehem. In einer Stadt, die nur wenige Kilometer südlich von Jerusalem liegt. Viele christliche Pilger, die nach jahrzehntelangem Bibelstudium und sehr viel Vorfreude erstmals das Heilige Land besuchen, sind nicht selten überrascht, was sie dort schließlich vorfinden. Hier die Jerusalemer Grabeskirche, von Tausenden Touristen jeden Tag belagert, betrieben von gleich mehreren christlichen Konfessionen, die sich alles andere als grün sind.
Dort die nicht minder frequentierte Geburtskirche in Bethlehem. Um zu ihr zu gelangen, müssen von Jerusalem kommende Besucher zunächst durch den stark gesicherten israelischen Checkpoint am Nordrand Bethlehems. Am anderen Ende erwartet sie die imposante Sperranlage der israelischen Regierung, die verhindern soll, dass auch aus Bethlehem palästinensische Terroristen und Selbstmordattentäter ins Kernland Israels vordringen. Allen Unkenrufen zum Trotz ist das in den vergangenen Jahren sehr wirksam gelungen. An der Mauer türmt sich an einigen Stellen aber nicht gerade wenig Müll, scheinen die anliegenden palästinensischen Bewohner das ungeliebte Bauwerk als Halde anzusehen. An anderen Stellen ist der Sperrwall eine nicht so einschüchternde Mauer, sondern ein bewachter Zaun.
30 Prozent der Einwohner sind Christen
Jerusalem ist die Hauptstadt Israels. Bethlehem ist Teil der Palästinensischen Autonomiebehörde und verwaltet sich selbst. Anders als in vielen anderen Städten im israelischen Kernland und der Westbank, lebt in Bethlehem eine beachtliche christliche Minderheit. Noch etwa 30 Prozent der rund 30.000 Einwohner sind Christen. Tendenz stark fallend. Nach wie vor gilt eine alte Regelung, dass der Bürgermeister und seine Stellvertreter Christen sein müssen. Derzeit ist mit Vera Baboun sogar eine Frau an der Stadtspitze. Das führt zwangsläufig immer wieder zu teils grotesken Konflikten mit den muslimischen Bewohnern Bethlehems, die bereits seit Jahren die Mehrheit stellen.
Bethlehems Stadtbild präsentiert sich klassisch nahöstlich. Während die Ränder der Stadt geprägt sind von der muslimischen Mehrheitsbevölkerung mit Moscheen, so genannten „Flüchtlingslagern“, zahlreichen quirligen orientalischen Märkten mit viel Trubel und Bewegung, ist der Stadtkern eher christlich aufgeräumt. Zahlreiche Kirchen befinden sich in der Stadtmitte und nur eine Moschee. Die Omar-Moschee überragt mit ihrem Minarett aber alles in der Umgebung, selbstverständlich auch die eher bescheidenen Glockentürme der Geburtskirche gleich nebenan. Alles in allem ist Bethlehem nicht unbedingt eine Schönheit. Aber hier und da versprüht die Stadt einen gewissen Charme.
Geburtskirche ist eine der ältesten Kirchen der Welt
Die Geburtskirche ist eine der ältesten Kirchen der Christenheit überhaupt und wurde um das Jahr 330 n.Chr. vom römischen Kaiser Konstantin bzw. seiner Mutter Helena errichtet. Die Kirche überstand weitestgehend unversehrt die Stürme der Geschichte und präsentiert sich in Form und Erscheinung annähernd so, wie das vor rund 1500 Jahren der Fall war, als der oströmische Kaiser Justinian I. dort einen Neubau befahl. Freilich wurde das Gotteshaus seitdem häufig saniert und auch erweitert. Allein während der Zeit der Kreuzfahrer im 12. Jahrhundert erfuhr die Geburtskirche sehr viel Bautätigkeit.
Dass viel verändert wurde, ohne die Grundform zu berühren, sehen Besucher schon am Haupteingang der Kirche. Denn dieser ist klein, fast schon unscheinbar. Offenkundig sichtbar ist, dass im Laufe der Jahrhunderte am Hauptportal mehrmals gewerkelt wurde. Der heutige Durchlass ist niedrig und man kann nur gebeugt die Geburtskirche betreten. Während mancher behauptet, dass es gewollt ist, dass der Pilger in demütiger Haltung die Kirche betritt – deshalb auch „Demutspforte“ -, sagen andere, dass der geringe Durchlass ganz pragmatische Gründe habe. So haben die Kreuzfahrer verhindern wollen, dass Angreifer zu Pferde einfach ins Kirchschiff durchpreschen können.
Geburtsort Jesu ist wissenschaftlich nicht bestätigt
Im Inneren sieht man der Geburtskirche deutlich ihr Alter an. Die Säulen sind abgewetzt ob der Menschenmassen, die sich seit Jahrhunderten jeden Tag durch das Kirchenschiff drängen. Ähnlich wie in der Grabeskirche in Jerusalem teilen sich auch die Geburtskirche in Bethlehem mehrere Konfessionen. Und ähnlich wie in Jerusalem ging das nie ohne Streit über die Bühne, auch wenn es in Bethlehem mit der griechisch-orthodoxen, der armenischen und der römisch-katholischen Kirche nur drei Gruppen sind, die sich einigen müssen. In der Jerusalemer Grabeskirche sind es derer sechs, die ihre Konflikte auch immer wieder mal handgreiflich austragen
Während sich viele Wissenschaftler darin einig sind, dass sich die Kreuzigung Christi tatsächlich dort abgespielt haben könnte, wo heute in Jerusalem die Grabeskirche steht, ist das bei der Geburtskirche in Bethlehem anders. Im vierten Jahrhundert wurde die Basilika dort gebaut, wo die Konstrukteure den Ort von Christi Geburt vermuteten. Ein wissenschaftlicher Beleg dafür fehlt freilich bis heute. Das hält die Menschenmassen aber nicht vom Besuch der Geburtskirche in Bethlehem ab. Wer also die Geburtsgrotte betreten will, der sollte Zeit mitbringen. Die Warteschlangen können außerordentlich lang sein.
14-zackiger Stern markiert die mutmaßliche Geburtsstelle
Hat man sich bis zur Treppe vorgearbeitet, die hinunter zur Geburtsgrotte führt, kann dann auf einmal alles sehr schnell gehen. In Windeseile werden die Gläubigen nach unten durchgereicht. Dort befindet sich auf dem Boden der Grotte ein silberner Stern mit 14 Zacken, der im 18. Jahrhundert von der Katholischen Kirche installiert wurde. Und genau an dieser Stelle, so glauben es die christlichen Konfessionen, soll der Heiland geboren worden sein. Schaut man genau hin, findet man auf dem Stern die Inschrift „Hic de virgine Maria Jesus Christus natus est“ („Hier wurde Jesus Christus von der Jungfrau Maria geboren“). Pilger, die schnell genug sind, schaffen es vielleicht, sich hinunter zu bücken und den Stern zu berühren. Der Altar darüber soll die „Krippe“ symbolisieren.
Denn lange hält man sich nicht auf in der Geburtsgrotte, dafür sorgen schon die Geistlichen, die lautstark zur Eile mahnen, da von hinten Menschenmengen nachdrücken. Wer also Besinnlichkeit und heilige Momente erwartet, der wird enttäuscht werden. Über eine zweite Treppe geht es dann wieder zurück ins Kirchenschiff. Ein Besuch in der Geburtskirche ist immer mit Gedränge, Warterei und anschließender Hektik verbunden. Wer sich davon erholen will, der kann eine Runde im schön gestalteten Innenhof der benachbarten Katharinenkirche drehen.
Nach dem Kirchenbesuch ein palästinensisches Bier
Oder direkt den Vorplatz außerhalb des Gotteshauses aufsuchen und in eines der zahlreichen Restaurants einkehren. Dort gibt es übrigens auch Bier, was in palästinensischen Städten nicht selbstverständlich ist. Im Gebiet der Palästinensischen Autonomiebehörde gibt es nämlich noch eine Brauerei im kleinen Ort Taybeh, der fast ausschließlich von Christen bewohnt wird.
Und so liegt es schließlich nahe, dass das palästinensisch-christliche Bier „Taybeh“, gebraut nach dem deutschen Reinheitsgebot, auch an den Hotspots in Bethlehem ausgeschenkt wird. Die Rückreise nach Israel ist nicht selten mit längeren Kontrollen am Checkpoint verbunden. Darauf sollte man sich einstellen. Aber das ist je nach Tageslage ganz verschieden. So kann es nämlich auch durchaus vorkommen, dass die israelische Polizei gar nicht kontrolliert und einfach durchwinkt.