SOLINGEN (bgl) – 24 Stunden lang harrten von Freitag- bis Samstagnachmittag ukrainische Männer auf dem Walter-Scheel-Platz bei einer Mahnwache aus und trotzten dabei Kälte und dem einen oder anderem Regenschauer. Und doch war es ihnen allen ein Herzensanliegen, auf zwei Jahre Mord, Vergewaltigung und Zerstörung aufmerksam zu machen, die ein aggressives Russland am 24. Februar 2022 auf ihr Heimatland entfesselte. Und natürlich der zahllosen Opfer zu gedenken. Vor zwei Jahren begann Moskau mit einer vollumfänglichen Invasion auf die Ukraine. Im Krieg war das Land bereits seit 2014, als Russland völkerrechtswidrig die Krim annektierte und anschließend im Donbass einen militärischen Konflikt vom Zaun brach.
Solingen neue Heimat für rund 2.000 Ukrainer
All das sorgte für eine Flüchtlingsbewegung gen Westen. Rund eine Million Ukrainer kamen nach Deutschland, etwa 2.000 haben in Solingen eine neue Heimat gefunden. Am Wochenende rückten sie angesichts des schwerwiegenden Datums bei verschiedenen Veranstaltungen enger zusammen. Am Freitag begann um 15 Uhr die Mahnwache vor dem Rathaus (wir berichteten hier). 24 Stunden später kam man erneut auf dem Walter-Scheel-Platz zusammen, um im Rahmen einer Kundgebung unter dem Motto „Nein zum Krieg in Europa“ Unterstützung für die Ukraine zu demonstrieren.
Knapp 300 Menschen, teils in die ukrainischen Nationalfarben blau und gelb gehüllt, lauschten einer ganzen Reihe von Rednern der politischen Parteien in Solingen sowie der Kirchen und natürlich der Veranstalter von den Vereinen „Helfende Schirme Solingen“ um Vorsitzende Agnieszka Moranska-Röder und „Trans Europa“ um den Solinger Landtagsabgeordneten Josef Neumann (SPD). Oberbürgermeister Tim Kurzbach fand am Sonntagnachmittag die richtigen Worte: „Wenn ich heute hier stehe und all diese Kerzen und Blumen sehe, denke ich zunächst an die Menschen, die in diesem von Putin ausgelösten Krieg ihr Leben verloren haben, die verletzt worden sind, an Körper und an Seele.“
Vor dem Rathaus wehte die Flagge der Ukraine
Kurzbach erinnerte daran, dass diese Kundgebung nicht nur ein Rückblick ist. „Gerade aktuell kämpfen die Menschen dort um ihr Leben, oder haben ihr Leben verloren“, betonte der OB, der angesichts der Opfer zu einer Schweigeminute aufrief. Die Anwesenden legten auf dem Platz Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Auf dem Boden war mit Kreide das ukrainische Staatsgebiet aufgemalt. Städte waren eingezeichnet. Die Heimatstädte mancher nach Solingen Geflüchteter.
Viele Ukrainer in Solingen haben im Krieg Verwandte oder Freunde verloren. „Was müssen Sie in Ihren Herzen und Ihren Seelen bewegen, wenn Sie von Ihrer Heimat hören. Was Sie tragen und ertragen müssen, ist so unfassbar schwer und groß. Grüßen Sie Ihre Lieben in der Ukraine. Und berichten Sie, dass die Menschen in Deutschland nach wie vor solidarisch sind. Auch in Solingen weht vor dem Rathaus die ukrainische Fahne. Nichts und niemand ist vergessen“, wandte sich Kurzbach direkt an die Ukrainerinnen und Ukrainer vor dem Rathaus.
Ukrainischer Kulturabend im Zentrum Frieden
Kurz nach Beginn des Krieges vor zwei Jahren fand ebenfalls eine Solidaritätskundgebung auf dem Walter-Scheel-Platz statt. „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass wir zwei Jahre später wieder hier stehen werden. Wir dürfen diese Solidarität nicht abbrechen lassen und müssen in Solingen auch weiterhin ,Herzlich Willkommen´ sagen. Die Ukraine war immer ein Teil von Solingen“, machte der Solinger Stadtchef deutlich.
Als sich die Versammlung schließlich auflöste, machten sich viele der Kundgebungsteilnehmer auf den Weg zum nächsten Veranstaltungsort. Denn im Zentrum Frieden an der Wupperstraße organisierten Ehrenamtliche einen ukrainischen Kulturabend. Besucher wurden dort am Eingang von einer jungen Frau in der traditionellen ukrainischen Tracht, einem bestickten Hemd, mit Brot und Salz empfangen. Ein Willkommensgruß und ein Zeichen für Gastfreundschaft. Mit einem herzerwärmenden Theaterstück, das von Kindern und Erwachsenen des Vereins „Helfende Schirme Solingen“ pantomimisch aufgeführt wurde, begann der Abend in einem außerordentlich gut gefüllten Zentrum Frieden.
Kunsthandwerk, Schmuck und Spezialitäten am Büffet
Das Stück trug den passenden Titel „Seid gut, klingt gut“ und verdeutlichte mit ganz viel Gefühl, dass sich Menschen bessern können und das Böse am Ende nicht siegen wird. „Wir wollen auf der Bühne zeigen, dass es Engel und Teufel gibt. Dass böse Menschen sich ändern können. Jeder Mensch kann etwas Gutes für andere tun. Wir wollen den Kindern beibringen, dass man ganz früh damit anfangen muss, nett zueinander zu sein“, erklärte Agnieszka Moranska-Röder, die im Stück selbst eine Rolle übernahm.
Ganz viel Arbeit machten sich die Freiwilligen bei der Gestaltung des Bühnenbilds und der Zusammenstellung der Kostüme. Die Engel wurden beispielsweise von Kindern gespielt, die in der Musikschule Ohligs tanzen. Zahlreiche Frauen waren fast den ganzen Samstag in der Küche des Zentrums beschäftigt und bereiteten ukrainische Spezialitäten zu, die die Gäste später am Büffet genießen konnten. In einem Nebenraum wurde ukrainisches Kunsthandwerk und Schmuck ausgestellt und angeboten. Abgerundet wurde ein besonderer Abend, der auch ganz viel Hoffnung und Aufbruchstimmung vermittelte, mit musikalischen Beiträgen junger Ukrainerinnen auf der Bühne.
Dank und ein Gruß an Solingen aus der Ukraine
Die Solidarität mit den Menschen in der Ukraine, die an diesem Wochenende von Solingen ausging, blieb nicht unbemerkt. In der Telegram-Gruppe „Ukrainer in Solingen“ meldete sich eine Frau, die sich ausdrücklich bei allen Solingern bedankte: „An diesem Jahrestag der russischen Besatzung der Ukraine bedanke ich mich im Namen der ukrainischen Mütter beim Bürgermeister von Solingen für die unglaubliche Güte und Menschlichkeit! Die Abgeordneten, Politiker und Freiwilligen dieser Stadt sowie in ganz Deutschland haben alles Mögliche (und sogar Unmögliche) gemacht, damit unsere Leute (Ukrainer) sich hier in Sicherheit fühlen, Wärme und Brot bekommen, sowie alles Nötige, um sich als Mensch zu fühlen“, schrieb Nadia Zvol aus Nikopol, das nur wenige Kilometer von der Front entfernt liegt. Nadia Zvols Töchter und ein Enkelkind sind aus der Ukraine geflüchtet und haben in Solingen Schutz und eine neue Heimat gefunden.