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Gastbeitrag zum Tode Gerd Kaimers

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Am Sonntag verstarb Solingens langjähriger Oberbürgermeister Gerd Kaimer. Der Solinger Journalist und Autor Hans-Georg Wenke blickt in seinem Gastbeitrag auf Kaimer und seine Verdienste für die Stadt Solingen zurück. (Archivfoto: B. Glumm)
Am Sonntag verstarb Solingens langjähriger Oberbürgermeister Gerd Kaimer. Der Solinger Journalist und Autor Hans-Georg Wenke blickt in seinem Gastbeitrag auf Kaimer und seine Verdienste für die Stadt Solingen zurück. (Archivfoto: B. Glumm)

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Ein Gastbeitrag von Hans-Georg „Schorsch“ Wenke

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Gerd Kaimer habe ich „zeitlebens“ gekannt, erlebt. Zuerst als Lehrer, später als Politiker. Viele Male habe ich mich mit ihm unterhalten. Die größte postume Verfälschung wäre, ihn als idealistischen Gutmenschen zu sehen, dessen herzliche Wärme wie Wunder gewirkt hätte. Gerd Kaimer konnte und wollte in vielen Situationen streng sein, bestimmend, fordernd; durchaus manchmal auch zürnend, auch wenn er diesen Zorn eher im Zaum hielt. Erst im Laufe der Zeit wurde (mir) klar, dass er nicht mehr von anderen forderte, was er sich selbst als Pflicht auferlegte.  Und das waren vor allem zwei Ziele. Das erste, Demokratie, Freiheit, Gesellschaft können nur existieren, wenn eine tiefe Überzeugung allgegenwärtig ist, Respekt – also Toleranz – sei das wichtigste. Zweitens, Respekt, Toleranz, Demokratie, Freiheit, eine bürgerliche Gesellschaft stellt sich nicht von selbst ein, die muss erarbeitet, eingeübt, ständig korrigiert werden.

Gerd Kaimers Politik zielte auf diese Wechselwirkung. Das Arbeiten und Erarbeiten schloss ein, dass man Entscheidungen treffen, Taten mit Vehemenz durchführen muss, Veränderungen nicht auf die lange Bank schieben und Bewährtes nicht aufs Spiel setzen darf. Also haben die von ihm initiierten und getragenen, geförderten oder geforderten Entscheidungen auch anderen Menschen – milde ausgedrückt – Unbehagen bereitet. Doch nicht Mitleid wollte er gelten lassen, sondern provozierte bewusst, dass sich diejenigen, die anderes im Sinn haben, dem demokratischen Verfahren der Meinungsbildung unterwarfen. Für Stimmungsmache „hintenrum“ hatte er nie etwas im Sinn, so wie ich ihn kennengelernt habe. Wenn, dann bitte korrekt und direkt, offen und ehrlich. Und dann konnte ein Demokrat wie Kaimer auch mit einer Realität leben, die andere so gewollt hatten und nicht aus seiner Feder oder aus seinem Munde war.

Nicht nur Lehrer, Gerd Kaimer war auch Schulreformer

Der Verstorbene wird als „Lehrer“ kategorisiert; er war mehr. Nämlich auch ein Schulreformer. Den damals so genannten „Aufbauzug“ (Schule Zweigstraße) hat er initiiert, logischerweise mit anderen realisiert. Ist es ein Zufall, dass gerade aus dieser experimentellen Schulform sehr viele Schüler später in dieser Stadt auf den verschiedensten Gebieten das Heft in die Hand genommen haben und etwas bewirkt haben, „Karriere machten“, bekannt wurden und blieben, lebenslang sich gesellschaftlich, politisch, künstlerisch oder wie auch immer aktiv betätigten? Schüler, die mit ihm Kontakt hatten. Wahrscheinlich nicht unbedingt Zufall, denn vor allem war Gerd Kaimer eins: Demokratie-Lehrer. Auch in seiner Partei. Aber genauso gut weit darüber hinaus.

Klänge es nicht ein wenig betulich, „aufrechte Gesinnung, Gradlinigkeit“, das ist, was wir von Gerd Kaimer lernen konnten und im Gedenken von ihm lernen sollten. Die zwar theoretisch erscheinende, eher rhetorische Frage „Wie hätte das Gerd Kaimer gemacht, wie hätte er entschieden?“ könnte so manchem hilfreich sein. Dies ist keine Mahnung, kein erhobener Zeigefinger. Eher ein stilles, aber in diesem Falle auch sehr nützliches Gedenken an einen Mann, den ich durch Zufälle kennenlernen durfte. Und der mein Verständnis für Demokratie – zusammen mit damals Gleichgesinnten – fundamental geprägt hat.

Eine bleibende Integrations- und Identifikations-Persönlichkeit

In vielen Bereichen, zu vielen Gelegenheiten, jetzt, wo sein Tod uns nur noch Rückschau lässt, kann man erahnen, dass für ihn gilt, was vielleicht der größte aller persönlichen Erfolge sein kann: Sein Leben, Schaffen, Wirken, Tun war vielen einzelnen Menschen von großem Nutzen. Und damit eigentlich allen, der Allgemeinheit, der Stadtgesellschaft, eben: Er war in der Klingenstadt Solingen eine Integrations- und Identifikations-Persönlichkeit. Gleichwohl er nicht mehr unter uns ist; das kann er bleiben, wenn wir das Angedenken ehrlich meinen und aufrechterhalten.

Hans-Georg „Schorsch“ Wenke kommt aus Solingen und ist Journalist und Autor.

www.solingen-media.de

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Dieser Beitrag stammt von unserer Redaktion.

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