SOLINGEN (bgl) – Die Klingenstadt befindet sich in Schockstarre, nachdem am Donnerstag in der Hasseldelle in einem Mehrfamilienhaus fünf Kinder tot aufgefunden wurden (wir berichteten hier). Solingen trauert und ist fassungslos, viele Fragen bleiben offen. Einige wurden jetzt beantwortet. Im Rahmen einer Pressekonferenz informierten Polizei und Staatsanwaltschaft am Freitagnachmittag im Theater und Konzerthaus über den bisherigen Stand der Ermittlungen. Wie Robert Gereci, Einsatzleiter der Polizei, mitteilte, handelte es sich bei den vorgefundenen Kindern um die Mädchen Melina (1), Leonie (2) und Sophie (3) sowie um die beiden Jungs Timo (6) und Luca (8). Marcel (11) ist das sechste Kind, das derzeit bei seiner Großmutter in Mönchengladbach wohlbehalten in Obhut ist.
Haftbefehl gegen Mutter wegen fünffachen Mordes
Dringend tatverdächtig ist die 27-jährige Mutter der Kinder, gegen die am Abend Haftbefehl wegen fünffachen Mordes erlassen wurde. „Vier der toten Kinder stammen aus der Ehe der Tatverdächtigen zu dem 28-jährigen Kindsvater, zwei weitere Kinder stammen aus vorherigen Beziehungen der Mutter“, so Robert Gereci. Keiner der drei Männer ist derzeit tatverdächtig.
Für die Polizei war die Einsatzsituation am Donnerstag außerordentlich „dynamisch und diffus“. Gegen 13.45 Uhr ging beim Polizeipräsidium Wuppertal eine Information des Polizeipräsidiums Mönchengladbach ein. Die Mutter der Tatverdächtigen hatte sich gemeldet und der Mönchengladbacher Polizei berichtet, dass ihre Tochter ihr mitgeteilt hatte, dass „die fünf Enkel tot seien und dass die Tochter sich anschließend umbringen möchte“, erläuterte Gereci.
Um 13.50 war die Polizei in Solingen mit ersten Kräften an der Hasselstraße vor Ort. Gewaltsam öffneten die Beamten die Tür und fanden die fünf toten Kinder in der Wohnung vor. Gegen 14.08 Uhr ging bei der Polizei die Meldung ein, dass der Sohn Marcel in einem schulischen Gruppenchat mitgeteilt habe, dass alle seine Geschwister tot seien.
Polizeibeamte fanden „Frühstückssituation“ vor
Um 14.13 Uhr teilte das Polizeipräsidium Düsseldorf mit, dass sich am Hauptbahnhof Düsseldorf eine weibliche Person mit suizidaler Absicht vor einen Zug geworfen habe. „Dabei handelte es sich um die Tatverdächtige, die verletzt und derzeit nicht vernehmungsfähig ist“, erklärte Gereci. Gegen 14.35 Uhr konnte die Polizei die Feststellung machen, dass der elfjährige Marcel wohlbehalten bei seiner Oma in Mönchengladbach eingetroffen war. Am gestrigen Einsatz waren rund 80 Beamtinnen und Beamte des Polizeipräsidiums Wuppertal beteiligt.
„Wir haben am Tatort keine Anzeichen für scharfe oder stumpfe Gewalt entdeckt“, berichtete Marcel Maierhofer, Leiter der Mordkommission „Hassel“. Ersten Erkenntnissen zufolge ist der elfjährige Marcel morgens planmäßig zur Schule gegangen. In der Küche fanden die eingesetzten Polizeikräfte eine „Frühstückssituation“ vor, die „Schälchen standen noch auf dem Tisch“, so Maierhofer weiter. Auch für die Einsatzkräfte eine außerordentlich belastende Situation. Die genaue Tatzeit vermuten Polizei und Staatsanwaltschaft am Donnerstag gegen 11 Uhr.
Unter einem Vorwand hatte die Mutter Kontakt zur Schule aufgenommen und den elfjährigen Marcel vorzeitig aus dem Unterricht geholt und sich anschließend mit ihm getroffen. Gemeinsam sind die beiden dann mit einem Zug nach Düsseldorf gefahren, wo die Tatverdächtige ausstieg, während Marcel allein weiter nach Mönchengladbach fuhr. Kurz darauf warf sich die 27-Jährige vor einen einfahrenden Zug.
Alle fünf Kinder wurden vermutlich erstickt
Während der Fahrt hatte sich die Tatverdächtige per WhatsApp bei ihrer Mutter in Mönchengladbach gemeldet und mehrfach geschrieben, dass es „ihr sehr schlecht geht und sie nicht mehr kann. Der Hintergrund dieser Situation ist die Trennung von ihrem Ehemann“, berichtete Marcel Maierhofer. Schließlich forderte sie ihre Mutter auf, die Polizei zur Wohnung an der Hasselstraße zu schicken, da die fünf Kinder tot seien. Über die genauen Motive könne die Polizei derzeit aber nur mutmaßen. Das Ehepaar lebte bereits seit einigen Jahren in Trennung. Zu Streitigkeiten sei es immer wieder gekommen. „Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen können wir davon ausgehen, dass die Verdächtige die Tat in einem Zustand emotionaler Überforderung verübt hat“, erklärte Marcel Maierhofer.
Rechtsmedizinische Untersuchungen der fünf Leichname haben derweil ergeben, dass die Kinder vermutlich erstickt wurden. „Zudem haben wir bei allen fünf Kindern Hinweise auf eine Sedierung finden können“, erläuterte Staatsanwalt Heribert Kaune-Gebhardt. Das Ergebnis der toxikologischen Untersuchungen stehe noch aus. Zum genauen Tatablauf habe man bisher noch keine sicheren Erkenntnisse. Wann die Tatverdächtige vernehmungsfähig ist, sei derzeit noch nicht absehbar. Auch der elfjährige Marcel könne derzeit noch nicht vernommen werden.
Stadt: Keine Auffälligkeiten oder potentielle Gefährdung
Am Freitagabend meldete sich auch die Stadt Solingen zur Sache und teilte mit: „Der Familie wurden von der Stadt Solingen erforderliche Unterstützungen gewährt. Das Jugendamt hat zusätzlich mögliche Hilfsangebote unterbreitet. Erkenntnisse zu Auffälligkeiten oder einer potentiellen Gefährdung der Kinder gab es zu keinem Zeitpunkt.“