SOLINGEN (bgl) – Es war zweifelsohne ein denkwürdiges Mediengespräch, zu dem die Kplus Gruppe am Dienstagnachmittag in ihr Verwaltungsgebäude an der Schwanenstraße in Ohligs eingeladen hatte (wir berichteten hier). Emotional aufgeladen fielen Begriffe wie „Kannibalismus“ und immer wieder „Abwerbung“, als Kplus-Geschäftsführer Kai Siekkötter seinem Frust Luft machte. Grund für die drastisch zum Ausdruck gebrachte Enttäuschung war der durchaus bemerkenswerte Umstand, dass die komplette neurologische Abteilung der St. Lukas Klinik ab dem 1. Januar im Klinikum Solingen neue Arbeitsverträge unterschrieben hat. Immerhin über 90 Personen, darunter 26 Ärzte, wechseln in das städtische Haus an der Gotenstraße. Die Folge: Die Pläne der Kplus Gruppe, mit der Neurologie von der Lukas Klinik nach Hilden umzuziehen, um von dort mit einer Stroke Unit auch für Solingen die Schlaganfallversorgung zu übernehmen, sind hinfällig. Kplus zog den Antrag dafür zurück.
Klinikum: „Haben nie aktiv abgeworben“
Für Kai Siekkötter war das „ein Schlag in die Magengrube“. Dem Klinikum warf er Unehrlichkeit vor und betonte, das städtische Haus habe „die aufgrund des Schutzschirmverfahrens aufgekommene Unsicherheit unserer Mitarbeitenden ausgenutzt“. Mehr noch: Rechtsanwalt Stefan Denkhaus, vom Gericht bestellter Generalhandlungsbevollmächtigter für die insolvente Kplus Gruppe, unterstellte der Leitung des Klinikums sogar, aus rein wirtschaftlichen Interessen zu handeln. Schließlich habe die durchaus lukrative Neurologie der St. Lukas Klinik jährlich rund 14 Millionen Euro erwirtschaftet. Ein ganzes Konvolut Vorwürfe, mit denen sich das Klinikum konfrontiert sah und die man so nicht unbeantwortet stehen lassen wollte. Die Klinikum-Geschäftsführung lud deshalb am Mittwochnachmittag die Medien ganz kurzfristig zu einem Hintergrundgespräch ein.
„Man muss sich in die Mitarbeiter versetzen. Es ist ja nicht ganz einfach, wenn man gesagt bekommt, dass ein Krankenhaus, für das man ein Jahrzehnt gearbeitet hat, Ende des Jahres schließt“, sagte Klinikum-Geschäftsführer Prof. Dr. Martin Eversmeyer, der betonte, dass man zu keinem Zeitpunkt aktiv Personal abgeworben habe. Stattdessen sei Lukas-Personal auf das Klinikum zugekommen mit der entsprechenden Anfrage, ob man dort Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suche. „Die Klinikum-Geschäftsführung hat aktiv niemanden abgeworben, auch nicht aus den nachgeordneten Bereichen. Alle sind aktiv auf uns zugekommen“, betonte auch Prof. Dr. Thomas Standl, Medizinischer Geschäftsführer des Klinikums. Nachdrücklich sei der Wunsch geäußert worden, dass die Teams zusammenbleiben wollen und man deshalb gemeinsam den Weg ins Klinikum gewählt habe.
Klinikum nimmt Stroke Unit am 1. Januar in Betrieb
Die Klinikum-Geschäftsführung berichtete zudem, dass man der Kplus Gruppe zuletzt am 24. August ein Kooperationsangebot bezüglich der Neurologie gemacht habe. Die Gespräche seien jedoch von Kplus ergebnislos abgebrochen worden. „Uns wurde mehrfach verdeutlicht, dass Hilden ohne den geplanten Ausbau in absehbarer Zeit sowohl in apparativer Hinsicht als auch räumlich nicht in der Lage sein werde, eine Neurologie und die Schlaganfallversorgung abzubilden“, erklärte Prof. Dr. Martin Eversmeyer mit Blick in Richtung Ministerium in Düsseldorf.
Wie geht es nun weiter? Das Klinikum bereitet sich derzeit mit Nachdruck darauf vor, eine Schlaganfallversorgung ab dem 1. Januar für die Klingenstadt sicherzustellen. „Das hat jetzt alleroberste Priorität“, unterstrich Martin Eversmeyer. Teil der Planungen ist auch der Kreis Mettmann. Da in Hilden nun keine Stroke Unit ihren Betrieb aufnehmen wird, die den Kreis abdecken kann, wird aller Voraussicht nach das Evangelische Krankenhaus Mettmann (EVK) in die Bresche springen und die Versorgung mit einer kleineren Schlaganfallabteilung sicherstellen. Mit dem Klinikum, das dann die größere Stroke Unit betreiben wird, soll in diesem Fall eine Zusammenarbeit stattfinden: „Diesbezüglich haben wir bereits einen vorbereitenden Kooperationsvertrag abgeschlossen“, zeigte Eversmeyer auf. Vorausgesetzt, das Land Nordrhein-Westfalen gibt im Rahmen seiner Krankenhausplanungen grünes Licht auch in dieser Sache. Mehr Klarheit erhoffen sich die Verantwortlichen des Klinikums in vier Wochen. Dann will das NRW-Gesundheitsministerium seine Entscheidungen kundtun.
Feststellungsbescheid aus Düsseldorf liegt noch nicht vor
Denn schwarz auf weiß habe man im Klinikum vom Ministerium bis heute nichts vorliegen, auf einen entsprechenden Feststellungsbescheid aus Düsseldorf wartet man nach wie vor. Man rechnet jedoch fest mit sieben Millionen Euro Fördergelder noch in diesem Jahr, 2024 sollen drei weitere aus der Landeshauptstadt folgen. Damit sollen sowohl die aufgrund der Neueinstellungen gestiegenen Personalkosten gedeckt als auch die Anschaffungen der Großgeräte für die neue Neurologie und die Neuroradiologie finanziert werden (Infos dazu hier in unserem Artikel vom 31. Juli).
„Bei uns finden jetzt gigantische Umwälzungen statt. Aber wir sind auf einem guten Weg in eine gute Zukunft und alle sind bereit, ihren Beitrag zu leisten, bis hin zu den patientenfernen Bereichen“, machte Prof. Dr. Thomas Standl deutlich. Ziel sei es, so betonte es die Geschäftsführung des Klinikums am Mittwoch unisono und immer wieder, eine gute medizinische Versorgung in Solingen sicherzustellen und im Sinne der Patientinnen und Patienten zu handeln. Übrigens: Die angesprochenen Umwälzungen sind inzwischen auch deutlich sichtbar. Auf dem Chefarztparkplatz an der Frankenstraße vor Haus B rollen inzwischen die Bagger, dort werden bis zu 50 Container aufgestellt, in die vor allem Oberarzt-Büros ziehen. Auf der Gotenstraße finden derweil vorbereitende Arbeiten für den anstehenden Neubau des Parkhauses statt.
Für die Solinger Bevölkerung ist es eine gute Nachricht, dass die Neurologie in Solingen verbleibt. Ich glaube nicht, dass bei einem Standort in Hilden die diesbezügliche Versorgung gesichert werden könnte. Eine Bewertung der Umstände, die zur Übernahme des Personals geführt haben, kann meinerseits wegen ausreichender fehlender Informationen nicht vorgenommen werden.