
LWIW (bgl) – Mitten in der Altstadt von Lwiw, der größten Stadt im Westen der Ukraine, erhebt sich ein architektonisches Meisterwerk: das Solomiya-Krushelnytska-Lwiwer Nationaltheater für Oper und Ballett. Es ist nicht nur eines der prächtigsten Opernhäuser Osteuropas, sondern auch ein Ort mit besonderer Bedeutung – vor allem heute, in einer Zeit, in der Kunst und Alltag in der Ukraine enger denn je miteinander verwoben sind.
Eine Stadt mit Geschichte – und ein Opernhaus im Herzen
Metropole im Westen der Ukraine
Lwiw (früher Lemberg) liegt rund 70 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt und war im Laufe seiner Geschichte Teil unterschiedlicher Reiche: des Königreichs Polen, der Habsburgermonarchie, der Sowjetunion und schließlich der unabhängigen Ukraine. Diese wechselvolle Geschichte spiegelt sich in der Architektur und im kulturellen Leben der Stadt wider.
Direkt am zentralen Prospekt Swobody – der Flaniermeile der Stadt – befindet sich das Opernhaus. Errichtet wurde das Gebäude zwischen 1897 und 1900 nach den Plänen des polnischen Architekten Zygmunt Gorgolewski. Für den Bau wurde der unterirdische Fluss Poltwa überbaut und in ein Kanalsystem gezwängt – eine technische Herausforderung, die mithilfe eines Stahlbetonfundaments gemeistert wurde, damals ein Novum in Europa.

Kultur in Zeiten des Krieges
Schon von außen ist das Opernhaus ein Blickfang: seine neoklassizistische Fassade mit barocken und Renaissance-Elementen, bekrönt von allegorischen Figuren, darunter die Siegesgöttin Nike. Im Inneren beeindruckt das Theater mit einem hufeisenförmigen Zuschauerraum, goldverzierten Decken, schweren roten Vorhängen und einem eindrucksvollen und überaus schweren Kristallleuchter.
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 hat sich auch in Lwiw vieles verändert. Die Stadt blieb von größeren Zerstörungen bislang verschont, doch der Krieg ist allgegenwärtig – durch Luftschutzsirenen, Stromausfälle, militärische Sperrgebiete und eine hohe Zahl Geflüchteter aus anderen Teilen des Landes. Lwiw wurde von den Russen mehrfach mit Raketen angegriffen, dabei kamen Zivilisten ums Leben.
Opernhaus Lwiw stellte Spielbetrieb nicht ein
Trotz dieser Umstände hat das Opernhaus seinen Spielbetrieb nicht eingestellt. Ganz im Gegenteil: Die Bühne wurde zu einem Ort des kulturellen Widerstands. Aufführungen finden oft unter besonderen Bedingungen statt – mit Stromgeneratoren, unterbrochen von Sirenen oder vor einem Publikum, das zwischen Alltagssorgen und dem Wunsch nach Normalität pendelt. Und es wird vor jeder Aufführung die ukrainische Nationalhymne gespielt (und vom Publikum mitgesungen).

Das Ensemble unter der Leitung von Vasyl Vovkun setzt bewusst auf ukrainisches Repertoire, darunter Werke von Mykola Lysenko oder moderne Stücke mit politischem Bezug. Internationale Klassiker wie „La Traviata“ oder „Der Nussknacker“ bleiben Teil des Programms – oft neu interpretiert, mit Blick auf die Gegenwart.
Ein Ort mit Bedeutung – über die Kunst hinaus
Das Opernhaus ist heute mehr als ein Ort für Musik und Ballett. Es ist ein Symbol für die kulturelle Selbstbehauptung der Ukraine. Der Namensgeberin des Theaters, der international gefeierten ukrainischen Sopranistin Solomiya Krushelnytska, hätte dieser Gedanke gefallen. Sie stand einst mit Enrico Caruso auf der Bühne – und gilt bis heute als kulturelles Vorbild im Land.
Viele der Mitarbeiter engagieren sich heute auch außerhalb der Bühne: mit Benefizkonzerten, Programmen für Kinder und psychologischer Unterstützung für Geflüchtete. In einem Nebensaal des Theaters wurde während der ersten Kriegsmonate sogar ein temporärer Unterschlupf für Schutzsuchende eingerichtet.
Das Lwiwer Opernhaus ist ein Ort mit Vergangenheit – und einer sehr lebendigen Gegenwart. Es vereint architektonische Schönheit mit gesellschaftlicher Relevanz. Wer es betritt, spürt nicht nur die Geschichte eines alten Theaters, sondern auch die Kraft eines Landes, das versucht, seine Kultur unter schwierigsten Bedingungen zu bewahren – und weiterzugeben.
ℹ️ Besucherinformation: Opernhaus in Lwiw
- Name: Solomiya-Krushelnytska-Lwiwer Nationales Akademisches Theater für Oper und Ballett
- Adresse: Prospekt Swobody 28, 79000 Lwiw, Ukraine
- Telefon: +38 (032) 242-11-63
- E-Mail: reception@opera.lviv.ua
- Website: https://opera.lviv.ua
- Öffnungszeiten (Kasse):
Dienstag – Sonntag: 11.00 – 18.00 Uhr
(Pause: 14.00 – 15.00 Uhr)
Montag: geschlossen - Vorstellungsbeginn: In der Regel 18.00 oder 19.00 Uhr
- Tickets: Online oder an der Theaterkasse erhältlich
- Anfahrt: Straßenbahnlinien 1, 2, 6 oder 9 bis „Teatr Opery“