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Engelsklinge – Buch 1: Tödlicher Schlag (Kapitel 9.2)

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Lucia uf dem Weg zum
Lucia uf dem Weg zum "Sacro Bosco", dem "Heiligen Wald" in Bomarzo. "Engelsklinge" wurde von der ukrainischen Autorin Svitlana Glumm verfasst. (Bild: Open AI)
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Von Svitlana Glumm

Engelsklinge

Buch 1 – Tödlicher Schlag

Aus dem Russischen

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Kapitel 9.2

Stehend am Tisch von Isabella griff Lucia nach einer Kaffeetasse und nahm ein paar Schlucke, wobei sie sich die Zunge verbrannte. Ihre Freundin sah sie entgeistert an.

Was läuft da zwischen dir und deinem Wächter?, schoss der Gedanke der Freundin Lucia in den Kopf.

Filippo erhob sich von seinem Platz, brachte Isabella eine Tasse Kaffee und stellte sie an den Platz, an dem zuvor Lucia gesessen hatte.
„Was ist los, Lucia?“, erkundigte sich Filippo. „Du sahst noch nie so durcheinander aus wie jetzt.“

„Ach, gib mir mal einen unerfahrenen Wächter und wir werden ja sehen, wie du dann aussiehst“, fauchte sie.

„Entschuldige, Isabella“, wandte sich Lucia an ihre Freundin, ohne Filippo eine Antwort zu geben. „Unsere Gespräche müssen warten. Ich muss jemanden vom Flughafen abholen.“ Lucia zögerte kurz, überlegte, wie sie den Wächter beschreiben sollte, und sagte schließlich: „Einen Cousin.“

Das schien ihr die passendste Umschreibung in der Situation, denn sie wusste nicht einmal, wie dieser Wächter aussah, der ihr – wie von den Himmeln geschickt – genau im richtigen Moment vor die Füße gefallen war. Ausgerechnet heute hatte sie vorgehabt, an der Aktualisierung der Werbeanzeigen zu arbeiten und unter diesem Vorwand nach Hause zu flüchten, um endlich mal richtig auszuschlafen. Eine bessere Ausrede als die, einen „Cousin“ abzuholen, konnte es kaum geben. Der Haken? Diese Ausrede war tatsächlich wahr.

Lucia schnappte sich ihre Motorradbrille vom Tisch. „Sofort?“, fragte Isabella überrascht und zog ihre Kaffeetasse näher zu sich, aus Angst, ihre Freundin könnte auch die noch an sich reißen. Sie nahm einen Schluck des heißen Getränks. „Ja“, sagte Lucia, während sie zur Tür ging. „Die Arbeit an der Werbung mache ich von zu Hause aus.“

„Und wenn ein Kunde kommt?“, wollte Isabella wissen und hielt ihre Freundin zurück.
„Du bist doch fertig mit deinem Teil der Arbeit“, antwortete Lucia. „Der Kunde gehört dann dir.“

Isabellas missmutiger Gesichtsausdruck sprach Bände – die Aussicht auf Überstunden schien sie nicht gerade zu erfreuen. Sie strich sich das Haar hinters Ohr. Lucia warf ihr einen durchdringenden Blick zu.

Im Büro braute sich eine Gewitterwolke aus Vorwürfen und Streit zusammen, die kurz davor stand, sich zu entladen. Filippo winkte ab, um die Situation zu entschärfen. „Geh und rette deinen Valentin“, sagte er. Der Mann schien kaum zu glauben, dass Lucia tatsächlich spontan Besuch von einem Verwandten bekam. Wahrscheinlicher hielt er es für eine weitere Ausrede wegen eines Verehrers. Doch Lucia war das völlig egal.

„Danke, Filippo“, sagte sie mit zusammengelegten Händen als Zeichen des Dankes. „Ich schulde dir was.“

„Wenn ein Kunde kommt, übernimmst du nächste Woche zwei“, scherzte Filippo.

Isabella schüttelte energisch den Kopf, ihr Haar fiel ihr auf die Schultern und entblößte ihre abstehenden Ohren. Doch sie hatte keine Zeit, sich um diese Kleinigkeit zu kümmern – sie war zu sehr von der Unverfrorenheit ihrer Freundin beeindruckt, die das Büro verließ, kaum eine halbe Stunde, nachdem sie gekommen war.

„Ich bin dagegen!“, protestierte Isabella, aber Lucia war bereits auf der Treppe und ließ ihre Kollegen zurück.

Der Flur war menschenleer, und sie sprang mühelos über das Geländer nach unten und direkt zum Ausgang. Auf der belebten Straße lief sie zur Parkbucht und setzte sich auf ihr Motorrad.

„Du hast Glück, dass der Regen aufgehört hat“, murmelte Lucia und dachte dabei an den Wächter, der sie erwartete. Sie startete das Motorrad und fuhr in Richtung Bomarzo.

Unterwegs hielt sie bei einem Herrenausstatter an und kaufte einen langen Mantel. Sie hatte keine Ahnung, wie groß ihr erster Schüler sein würde, und wollte lieber vorbereitet sein.

Der Gedanke an ihren Schüler ließ Lucia beinahe schlecht werden. Eine Mentorin! Wer hätte das gedacht? Sicherlich nicht sie, als sie auf die Erde kam. Alles, nur nicht das – sie hatte sich nie in einer solchen Rolle gesehen.

„Tja, mein Lieber“, dachte Lucia, während sie den Mantel in den Kofferraum verstaute, „es wird nicht leicht für dich.“

Als sie sich Bomarzo näherte, reduzierte sie die Geschwindigkeit auf fünfzig und lenkte ihr Motorrad nach rechts, um nicht in die Stadt zu fahren, sondern direkt zum Park zu gelangen.

Sacro Bosco – der Park der Monster im Tal am Fuß des Orsini-Schlosses, gegründet im 16. Jahrhundert – war einer der ungewöhnlichsten und schönsten Orte Italiens. Das Rauschen von Wasserfällen und die unheimlichen Statuen, die jeden Moment zum Leben erwachen könnten, versetzten die Besucher in die düstere Zeit des Mittelalters.

Ob Liebe zu Gott oder zu einer Frau – diese Leidenschaften trieben Menschen dazu, architektonische Meisterwerke und prachtvolle Landschaften zu schaffen. Der Park der Monster war keine Ausnahme. Pier Francesco Orsini widmete ihn seiner geliebten Frau, Giulia Farnese.

Lucia schmunzelte.

Es wäre toll, Roberta hierherzubringen. Sie hätte sicher viel Interessantes zu erzählen, dachte Lucia an die junge Frau, mit der sie sich nach ihrer Reise nach Florenz oft ausgetauscht hatte.

Neben Giulietta war auch Roberta aus Bari eine der wenigen, die Lucia zu ihren Freundinnen zählte. Etwas schüchtern, aber freundlich, passte sie perfekt zu der impulsiven und eigensinnigen „Racheengel“-Natur Lucias. Sowohl Roberta als auch die sanftmütige Giulietta schafften es, Lucias manchmal unerträgliche Art zu erdulden, wie einst ihr Mentor sie beschrieben hatte, ohne sich von ihren spitzen Bemerkungen beleidigen zu lassen. Lucia fragte sich manchmal, ob Roberta bereit war, alles auszuhalten, nur um die Freundschaft mit der starken und durchsetzungsfähigen Lucia nicht zu verlieren.

Nachdem sie den Ort umfahren hatte, parkte Lucia ihr Motorrad, nahm den Mantel aus der Tasche und ging eilig zur Kasse. Mit dem Ticket in der Hand betrat sie den Park.

Zwei steinerne Sphinxe erhoben sich zu beiden Seiten des Eingangs und erinnerten die Besucher an ihre Aufgabe: das Gelände vor ungebetenen Gästen zu schützen.

Lucias Blick fiel auf eine alte Inschrift, die in die Steinstatuen gemeißelt war:

Du, der du in den Heiligen Wald eintrittst,
Sprich, sind diese Wunder hier geschaffen,
Um mit Geschick zu täuschen,
Oder zur Kunst allein entstanden?

Sie las die Worte lautlos und setzte ihren Weg fort.

Über den Park verstreut standen gut erhaltene Skulpturen von Märchen- und Mythenfiguren, die einen bleibenden Eindruck hinterließen und mitunter durch ihre Brutalität schockierten. Doch im Gegensatz zu den Touristen hatte Lucia keine Zeit, die Kunstwerke näher zu betrachten. Sie musste den Wächter finden.

Bereits am Eingang hatte sie die Präsenz eines anderen Engels gespürt und eilte in die Richtung, in der er sich befand. Sie ging an Statuen wie der schlafenden Nymphe, Herkules im Kampf mit Kakus, Cerberus und Neptun vorbei, bis eine Darstellung sie innehalten ließ.

Es war ein riesiges Gesicht mit ausgehöhlten Augen- und Nasenlöchern. Der ovale Mund, mit zwei gemeißelten Zähnen im oberen Bereich, führte über einige Steinstufen ins Innere. Diese einfache Skulptur trug den Namen „Tor zur Unterwelt“.

Lucia schnaubte spöttisch.
So furchteinflößend sind diese Tore nun auch wieder nicht, wie der Bildhauer sich das wohl vorgestellt hat. Würden die Menschen die Hölle wirklich sehen, käme ihnen dieses klobige Gesicht wie eine lächerliche Karikatur vor.

Mit diesem Gedanken wandte sie sich von der Skulptur ab und umrundete das steinerne Bildnis Hannibals Elefanten, der einen Menschen zertrampelt.

Zwischen den Büschen bemerkte sie eine Gestalt. Lautlos schob Lucia die Äste mit den jungen grünen Blättern beiseite und hockte sich hin.

In den grauen Augen des Wächters lag Verlegenheit.

Wovor bist du so verschämt, Junge?, dachte sie belustigt. Glaub mir, ich habe genug nackte Männer gesehen. Du wirst mich nicht überraschen.

Doch die Gedanken des jungen Engels drangen ungefiltert in ihren Kopf:
Wo bin ich? Was ist das für ein Ort? Warum schwirren mir ständig fremde Gedanken durch den Kopf? Wie werde ich sie los? Gut, dass du mich gefunden hast – sonst wäre ich noch verrückt geworden bei all den Stimmen der Menschen.

Die Wucht seiner Gedanken ließ Lucia unwillkürlich das Gesicht verziehen. Noch nie hatte sie zuvor die Gedanken eines Engels gelesen. Im Vergleich zu menschlichen waren sie laut, scharf und beinahe schmerzhaft eindringlich.

Der Wächter saß auf feuchtem, verrottetem Laub, die Beine unter sich gezogen. Lucias Blick glitt über seine schmale Gestalt.

Gar nicht schlecht gebaut, Kleiner, dachte sie und holte den schwarzen Kaschmirmantel aus der Tüte. Sie schüttelte ihn aus und legte ihn dem Wächter über die Schultern.

„Ich bin Lucia Neri“, stellte sie sich vor und streckte ihm die Hand hin, um ihm beim Aufstehen zu helfen.

Mit ihrer Unterstützung erhob sich der junge Engel und zog die Arme in die Ärmel des Mantels. Er schloss ihn fest, während seine Hände zitterten und seine Lippen einen bläulichen Farbton annahmen. Seine dünnen Schultern bebten unter der ungewohnten Kleidung.

Noch zehn Minuten hier und du erfrierst. Dann sind all deine Fähigkeiten für die Katz, dachte Lucia, während sie den Engel betrachtete, der von einem Fuß auf den anderen trat.

„Komm, wir gehen nach Hause“, sagte sie und trat aus dem Gebüsch. „Wir überlegen uns etwas, um dich aufzuwärmen.“

Langsam schleppte der Junge seine bloßen Füße über den feuchten Boden und folgte Lucia. Plötzlich stolperte er über einen Stein, verlor das Gleichgewicht und wäre fast wieder in die Büsche gefallen, wenn Lucia ihn nicht rechtzeitig am Arm gepackt hätte.

„Lass mich dir helfen“, bot sie an und stützte ihn am Ellenbogen. „Ich konnte kaum laufen, als ich das erste Mal auf die Erde kam“, fügte sie hinzu.

Der Junge zögerte.

Die ersten Regentropfen begannen erneut zu fallen. Durch und durch nass zu werden, stand heute definitiv nicht auf Lucias Liste der Dinge, die sie erledigen wollte.

„Gentleman kannst du morgen sein“, sagte sie streng, genervt davon, dass sie der Regen doch noch eingeholt hatte. „Je schneller wir in Rom ankommen, desto besser.“

„Wir sind nicht in Rom?“, fragte der Junge zähneklappernd vor Kälte.

So, das also ist der Ort, an den ich geraten bin, dachte er, und Lucia hatte das Gefühl, die Worte zu hören, obwohl seine Lippen keinen Laut formten. Und eine so schöne Frau kommt, um mich zu holen. Oder besser gesagt, ein Engel. Wie lange sie wohl schon hier lebt?

„Ich lebe schon lange in Rom“, antwortete Lucia und ignorierte die Bemerkung zu ihrem Aussehen. „Im November werden es siebzehn Jahre, und dann ziehe ich bald um.“

Ein gezwungenes Lächeln huschte über das Gesicht des Jungen. Die Erdanziehungskraft macht dir also zu schaffen, Kleiner? Sie grinste innerlich. Na, dann gewöhn dich daran, nicht mehr in den Wolken zu schweben. Das ist erst der Anfang dessen, was dieses sterbliche Körperchen dir abverlangt.

In der Ferne tauchte ein kleiner Kiosk auf. Der Duft von starkem Kaffee und Kräutertee vermischte sich mit dem muffigen Geruch feuchter Blätter.

„Wir werden dich jetzt aufwärmen“, sagte Lucia und ließ seinen Arm los, um zum Kiosk zu gehen. „Zwei schwarze Tees, bitte“, bestellte sie, während sie in das offene Fenster des Verkaufsstands schaute.

Der Verkäufer musterte den barfüßigen Jungen in dem viel zu großen Mantel, und seine Augen weiteten sich vor Überraschung. „Was ist denn mit ihm passiert?“, konnte er sich nicht verkneifen zu fragen, während er Teebeutel in zwei Plastikbecher warf und sie mit heißem Wasser übergoss.

„Nichts“, antwortete Lucia scharf.

Seltsames Paar, dachte der Verkäufer laut genug, dass Lucia es hören konnte.

„Hören Sie auf zu starren“, sagte sie kühl und sah ihm direkt in die Augen. „Er hat seine Schuhe verloren.“

Der Verkäufer grinste. „Und seine Hose auch?“

Lucia verzog das Gesicht. Wenn du wüsstest, wer wir wirklich sind, würde ich gerne sehen, wie deine dumme Visage sich verzieht, dachte sie scharf.

„Fünf Euro“, nannte der Verkäufer den Preis und stellte die dampfenden Becher auf den Tresen.

Lucia bezahlte, nahm die Becher und ging zurück zum Jungen. In dem viel zu großen Mantel und barfuß sah der Engel eher aus wie ein merkwürdiger Sonderling als wie ein mächtiger Wächter. Habe ich am ersten Tag genauso erbärmlich ausgesehen wie er? fragte sie sich, jedoch ohne Mitgefühl.

Mit ihm muss ich streng sein, ermahnte sie sich selbst. Doch ihr Herz widersprach: Er ist neu, und es ist nicht leicht für ihn.

„Nein“, dachte Lucia und schüttelte den Kopf, um die aufkeimende Nachsicht zu verdrängen. Wenn er hier ist, um zu dienen, dann beginnt sein Dienst heute.

Sie reichte ihm einen der Becher.

Mit vor Kälte zitternden Händen brachte der Wächter den Tee zu seinen Lippen und nahm einen Schluck.

„Besser?“ fragte Lucia und trank selbst einen Schluck.

Der Junge nickte.

„Du bist also ein Wächter, richtig?“

„Ganz genau“, antwortete Lucia mit einem spöttischen Unterton.

Die grauen Augen des Engels strahlten eine solche Ruhe aus, dass Lucia für einen Moment das Gefühl hatte, in weiche Wolken gehüllt zu sein. Es erinnerte sie an die Heimat, die sie zurückgelassen hatte.

Sie kniff sich unauffällig in den Arm, um sich nicht von den Gedanken an ihre wahre Heimat mitreißen zu lassen.

Der Junge schluckte nervös und schien zu begreifen, wer neben ihm stand.

„Und nicht nur das“, fügte sie leise hinzu.

Angst bekommen, Kleiner?, dachte Lucia und grinste. Richtig so.

„Komm schon“, drängte Lucia den Jungen. „Sonst versammelt sich bald eine Touristengruppe, um die nackte Statue von Apollo zu bestaunen“, konnte sie sich ihre gewohnt spöttische Bemerkung nicht verkneifen.

Der Wächter brachte ein Lächeln zustande. „Ich trage einen Mantel“, konterte er und griff erneut nach Lucias Arm. „Na gut, lass uns gehen.“

Lucia grinste keck. Weder Roberta noch Giulietta hatten je versucht, mit ihr in einen Wortkampf zu gehen – sie ließen Lucias Sticheleien einfach an sich abperlen. Aber dieser angehende Wächter in einem menschlichen Körper schien sofort zeigen zu wollen, dass er ihre Spitzen nicht unkommentiert lassen würde.

Besser so als ein gefügiger Schwächling, dachte sie amüsiert.

Als sie den Park verließen, deutete Lucia auf ihr Motorrad.
„Kein Limousinenservice für dich“, sagte sie, während sie die Tasche öffnete. Darin lag eine Tüte mit einem Gebäckstück – ein Geschenk von Barnabo.

„Für dich“, meinte sie und zog das herzförmige Plunderstück hervor, das mit Schokolade überzogen war.

Der Wächter nahm das Gebäck in die Hand und drehte es neugierig hin und her. Der intensive Duft von Zimt, vermischt mit süßem Kakao, umhüllte ihn – ein Aroma, das ihm völlig fremd war. Er biss vorsichtig hinein, schloss die Augen und genoss die neuen Eindrücke.

Lucia schüttelte den Kopf, sodass ein paar Regentropfen aus ihrem Haar spritzten, und klopfte dem Jungen leicht auf die Hand. „Beeil dich“, drängte sie und warf die leeren Pappbecher und die Verpackung in einen Mülleimer. Dann setzte sie ihre Motorradbrille auf. „Wir haben noch eine Stunde Fahrt vor uns.“

„Eine Stunde?!“ Der Junge packte das Gebäck mit beiden Händen und begann hastig zu essen.

„Ich warte“, sagte Lucia und klopfte mit der Hand auf den Ledersitz hinter sich.

Der Wächter stopfte den Rest der Plunder in seinen Mund und wischte sich die klebrigen Hände an dem Mantel ab.

Ernsthaft? Ich wollte den Mantel noch zurückgeben!, blitzte ein empörter Gedanke in Lucias Kopf auf. Gott sei Dank hab ich die Quittung noch. Mein Geld wächst auch nicht auf Bäumen!

Sie umklammerte die Lenkergriffe ihres Motorrads fest und biss die Zähne zusammen, um den Manieren des Jungen nicht laut Luft zu machen.

Der Wächter hatte sich inzwischen hinter Lucia auf dem Motorrad niedergelassen.
„Halt dich mit beiden Armen fest, sonst fällst du runter, sobald wir losfahren“, sagte Lucia. Mit einer Berührung an der rechten Seite ihrer Brille aktivierte sie das Bedienfeld.

Zögerlich legte der Junge seine Arme um ihre Taille.
Was für ein wundervoller Duft. Ich möchte mein Gesicht in ihr Haar vergraben und sie nie wieder loslassen – diese fantastische Frau, dachte der Wächter voller Bewunderung.

Hör auf, so zu schwärmen, Junge, dachte Lucia genervt und rollte mit den Augen, bevor sie aufhörte, seine Gedanken zu lesen.

„Wie heißt du eigentlich?“, fragte sie, ohne sich umzudrehen.

Leonardo“, antwortete der Junge.

Lucia lächelte.
„Na schön, da Vinci, dein Lebensweg beginnt im Heiligen Wald.“

Der Motor des Motorrads heulte auf, und sie fuhren los, um Bormazo weiträumig zu umfahren und den eigenartigen Park hinter sich zu lassen.

„Nenn mich Leo, bitte“, flüsterte der Junge. „Das wäre besser.“

– Fortsetzung folgt –

Zur Autorin

Svitlana Glumm wurde in Kropywnyzkyj in der Ukraine geboren. Die 44-Jährige studierte an der dortigen Universität Geschichte und später an der Uni in Kiew Journalismus. Als Journalistin arbeitete sie über zehn Jahre für Zeitungen in Kiew und Kropywnyzkyj, sie ist Mitglied im Journalistenverband der Ukraine. Svitlana Glumm verfasste mehrere Bücher, Manuskripte und Kurzgeschichten rund um die Themen Fantasy und Mythologie. Seit April 2022 lebt sie in Solingen.

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