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Nach drei Jahren in Deutschland Quali mit Einser-Schnitt

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Lujain Al Khalaf kam vor drei Jahren aus Syrien nach Solingen. Die 17-jährige Schülerin der
Lujain Al Khalaf kam vor drei Jahren aus Syrien nach Solingen. Die 17-jährige Schülerin der "Scholle" schaffte jetzt die Qualifikation für die gymnasiale Oberstufe mit einem glatten Einser-Schnitt. (Foto: © Stadt Solingen/Stefanie Mergehenn)

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SOLINGEN (red) – Eigentlich ist Lujain Al Khalaf ein ganz normaler Teenager: Die 17-Jährige trifft sich mit ihren Freundinnen, engagiert sich in der „Schülerfirma“ ihrer Schule, liest und zeichnet gern, chattet per WhatsApp und wenn sie lächelt, blitzt eine Zahnspange auf. Was für dieses Alter eher ungewöhnlich ist: Lujain ist außerordentlich fleißig und engagiert in der Schule. Den entsprechenden Lohn hat sie jetzt erhalten: Sie beendete die Qualifikationsstufe Zehn an der Geschwister-Scholl-Schule mit einem glatten 1,0-Schnitt und wird dort nach den Sommerferien die gymnasiale Oberstufe besuchen. Und das, obwohl sie erst vor drei Jahren nach Deutschland kam und die deutsche Sprache von Grund auf lernen musste.

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Familie nach zehn Monaten nachgeholt

Lujains Vater Abed Al Khalaf, der im nordsyrischen Al-Hasaka als Arzt praktizierte, gehörte zu den ersten Kriegsflüchlingen, die im September 2015 in Solingen eintrafen. In der Notunterkunft an der Zweigstraße wurde er schnell zur „guten Seele“, dolmetschte auf Englisch und zunehmend auf Deutsch für die anderen Bewohnerinnen und Bewohner und engagierte sich mit Unterstützung der Evangelischen Kirchengemeinde Rupelrath für die
zwanglose Begegnung von Deutschen und Flüchtlingen, Christen und Muslimen, alteingesessenen und Neu-Bürgern. Nach zehn Monaten konnten endlich seine Frau und die drei Kinder nachkommen.

Neben den notwendigen Behördengängen waren die ersten Wochen mit dem Erlernen der neuen Sprache ausgefüllt. Lujains Mutter Sawsan, die in Syrien Mathe-Lehrerin war, arbeitet inzwischen als Übungsleiterin beim WMTV. Der zehnjährige Abdul-Raman konnte nach einem Jahr an der Grundschule Aufderhöhe aufs Gymnasium wechseln. Für die damals 14-jährige Lujain und ihren anderthalb Jahre jüngeren Bruder Khaled lag die Geschwister-Scholl-Gesamtschule nahe. „Bevor mein Bruder und ich an die Scholle kamen, mussten wir 2000 Vokabeln lernen“, erinnert sich Lujain schmunzelnd an die Vorgabe ihrer Eltern, die entsprechende Bücher im Kommunalen Integrationszentrum besorgt hatten. Mit Khaled spreche sie inzwischen eher Deutsch als Arabisch.

Canan Altan-Yildizli (stehend v.li.), Stefanie Hülskramer und Erkan Yildiz sind stolz auf die Leistung ihrer Schülerin Lujain Al Khalaf (sitzend). (Foto: © Stadt Solingen/Stefanie Mergehenn)

In Syrien ein halbes Jahr keine Schule besucht

In Syrien hatten Lujain und ihre Brüder wegen des Krieges ein halbes Jahr keine Schule besuchen können. An der Geschwister-Scholl-Schule, eine der ersten in der Klingenstadt, die als „Schule ohne Rassismus“ zertifiziert wurde (wir berichteten), kamen die Geschwister zunächst in die Internationale Klasse. Dabei handelt es sich um Fördergruppen an allen Schulformen, wo neu Zugewanderten ohne Sprachkenntnisse innerhalb von zwei Jahren auf den Besuch einer Regelklasse vorbereitet werden.

627 Schülerinnen und Schüler nehmen aktuell an der Erstförderung teil. Stefanie Hülskramer, DaZ-Lehrerin an der Scholle („Deutsch als Zweitsprache“), erinnert sich an ihre beiden Neuzugänge im August 2016: „Vor allem Lujain war unglaublich wissbegierig. Sie und ihr Bruder waren trotz der traumatischen Erfahrungen des Bürgerkriegs und der Flucht sehr offen, freundlich, höflich – und vor allem immer zukunftsorientiert.“

„Nach einem Jahr fing ich an, auf Deutsch zu träumen“

Nach nur drei Wochen kam Lujain schon für zwei Tage in die Regelklasse. „Dort habe ich mich direkt wohlgefühlt“, erzählt sie. „Alle waren sehr nett und hilfsbereit.“ Im Laufe des Schuljahres wurde der parallele „Deutsch-Crashkurs“ für die begabte Schülerin immer weiter reduziert. „Nach einem Jahr fing ich an, auf Deutsch zu träumen“, erinnert sich Lujain. Klassenlehrerin Canan Altan-Yildizli war höchst angetan von dem Ehrgeiz des aufgeschlossenen Mädchens. Und ihr Kollege Erkan Yildiz erinnert sich schmunzelnd, dass er ihr eigentlich davon abgeraten hatte, in der achten Klasse auch noch Italienisch zu nehmen. „Ich habe sie gefragt, ob sie sich nicht lieber erst auf Deutsch konzentrieren wolle.“

Im Zeugnis hatte Lujain dann in beiden Fächern ein „sehr gut“. Neben der wachsenden Sprach-Kompetenz und der persönlichen Begabung – in Syrien hatten Lujain und Khaled ein Gymnasium besucht – spielen aus Sicht des Lehrer-Duos zwei weitere Faktoren eine wichtige Rolle für ihre bemerkenswerten Leistungen: der Integrationswille und die beiderseitige Toleranz. „Die Elternarbeit ist vorbildlich – ebenso wie der Respekt vor der jeweiligen Kultur“, erklärt Altan-Yildizli. Das sei bei einer Klasse mit einem runden Dutzend verschiedener Nationalitäten auch unabdingbar. „Wir feiern mit den Schülerinnen und Schülern Weihnachten, das Zuckerfest, aber auch Halloween“, erzählt die gebürtige Westfälin.

In der Oberstufe evangelische Religion wählen

In der Oberstufe wird die junge Muslima als zusätzliches Fach evangelische Religion wählen. „Ich möchte einfach mehr darüber erfahren.“ Dafür hat sie Philosophie abgewählt – das einzige Fach, das ihr zu Beginn Probleme bereitet hat: „Das waren immer sehr lange und komplizierte Texte mit vielen Fremdworten – da musste ich jedes zweite Wort nachschlagen.“

Auch ihre Leistungskurse hat sie schon favorisiert: „Wahrscheinlich Biologie und Mathe.“ Denn Lujain möchte eventuell Pharmazie studieren. Aber jetzt stehen erstmal die Sommerferien an – vielleicht mit ein paar Urlaubstagen in Holland. Das ist auch mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis möglich. Schon jetzt ist für Lujain klar, dass sie in fünf Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen möchte.

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Dieser Beitrag stammt von unserer Redaktion.

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